Mit der Versteigerung der
Frequenzen für die kommende Mobilfunkgeneration
5G geht der Aufbau neuer mobiler Netze in die heiße Phase. Mehrere
Wettbewerber wollen bundesweite 5G-Netze errichten. Datenkommunikation in
Echtzeit, höhere Übertragungsraten und Funkkapazitäten für die Einbindung von Milliarden
Geräten in das „Internet of Things“ (IoT) sind die Vorteile der neuen Generation des Mobilfunks.
Politische Probleme an Verwaltungsapparat abgewälzt
Begleitet wird der Aufbau von 5G von einer politischen Debatte um die Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit chinesischer Technologie in den neuen Netzen. Die USA, Australien und Neuseeland haben den chinesischen Marktführer Huawei vom Einsatz in ihren 5G-Netzen ausgeschlossen. Deutschland und andere EU-Staaten sind weniger eindeutig. Die deutsche Politik hat das politische Problem vertagt und verlegt sich auf einen bürokratischen Ansatz: Bundesnetzagentur und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sollen Verwaltungsvorschriften für die Prüfung der Sicherheit der Geräte erarbeiten.
Unsere Debatte um die 5G-Netze reduziert sich damit fast völlig auf die Frage, ob man in einem Huawei-Gerät eine Hintertür entdeckt, entdeckt hat oder entdecken wird. In Großbritannien hat man bereits vor acht Jahren den Versuch gestartet, die Sicherheit von Huawei-Komponenten verlässlich zu beurteilen. Allein im letzten Jahr wurden 39 verschiedene Huawei-Produkte untersucht. Erst kürzlich zog die Regierung Bilanz: Trotz all des Aufwandes kann keine verlässliche Aussage gemacht werden, ob die mit Huawei-Geräten verbundenen Sicherheitsrisiken für Telekommunikationsnetze langfristig beherrschbar sind oder nicht. In Deutschland soll sich nun gleichwohl das BSI daran versuchen, was in Großbritannien krachend gescheitert war: die vielen Huawei-Systeme belastbar zu untersuchen. 168 neue Stellen soll die Behörde für diese unlösbare Aufgabe bekommen.
Weg in die digitale Abhängigkeit?
Doch diese Herangehensweise lenkt vom eigentlichen Problem ab. Die Politik scheut sich davor, strategische Antworten auf die drohende digitale Abhängigkeit unserer zentralen Infrastruktur zu geben und überlässt das Thema lieber den Behörden und ihren Verwaltungsvorschriften. Kurz gesagt: Deutschland duckt sich weg.
5G-Netze werden zukünftig die kritische Infrastruktur schlechthin sein. Sie werden so wichtig sein wie der Strom aus der Steckdose. Ob in der industriellen Fertigung, der Energieversorgung, dem Gesundheitswesen oder bei vernetzten Fahrzeugen: Stets wird die 5G-Kommunikation genutzt werden, in den meisten Fällen wird sie sogar erfolgskritisch sein für das Funktionieren der digitalen Welt. Können wir uns in Europa abhängig machen von einem chinesischen Hersteller beim Aufbau dieser Infrastruktur? Werden wir die Verlässlichkeit und Weiterentwicklung der 5G-Technik langfristig beherrschen, wenn das Know-how vor allem in China sitzt – und die Unternehmen dem chinesischen Staat verpflichtet sind? Und was bedeutet das für unsere hiesigen Infrastrukturen?
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat mit seinem Entwurf einer nationalen Industriestrategie 2030 die große Frage bereits auf den Tisch gelegt: „Würden technologische Schlüsselkompetenzen verloren gehen [..], hätte das dramatische Folgen für unsere Art zu leben, für die Handlungsfähigkeit des Staates und für seine Fähigkeit zur Gestaltung in fast allen Bereichen der Politik“, heißt es dort kraftvoll. Allein: es fehlt eine Ausgestaltung, ein Herunterbrechen auf die nötigen Schlüsselkompetenzen für die digitale Welt. Der Bau von Schiffen, Flugzeugen oder Autos – das ist nach wie vor Teil der klassischen Schlüsselkompetenzen, um die sich deutsche Industriepolitik traditionell kümmert. Doch was sind die Äquivalente in der digitalen Welt?
Technologische Souveränität wagen
Einvernehmen besteht immerhin bei den Sicherheits-Chips: Die Mikrochips, mit denen wir staatliche Geheimnisse verschlüsseln oder die die Daten der Bürgerinnen und Bürger im elektronischen Pass schützen, kommen von europäischen Herstellern. Wie Sicherheits-Chips haben auch 5G-Netzwerkkomponenten eine Schlüsselstellung für die Verlässlichkeit der digitalen Kommunikation. Neben Huawei bieten auch europäische Unternehmen diese Technik an. Nun braucht es politischen Mut, das Schlagwort von der „technologischen Souveränität“ mit Leben zu füllen und die Beherrschbarkeit der digitalen Infrastrukturen Europas insgesamt in den Blick zu nehmen. China macht es vor.
Deutschland und Europa werden in den nächsten Jahren Milliarden Euro in die Digitalisierung der Infrastrukturen, aller Bereiche der Daseinsvorsorge und auch der öffentlichen Verwaltung investieren. Hiermit haben wir die Chance, Industriepolitik, Sicherheitspolitik und unsere Vorstellungen von Datenschutz und Vertrauenswürdigkeit zu verbinden. Wir sollten nicht nur bei Sicherheitschips und Netzwerkkomponenten in europäische Technologie investieren, sondern auch bei anderen digitalen Schlüsseltechnologien wie sicheren Identitäten, KI-Plattformen oder Biometriesystemen.
Vorherrschaft im digitalen Raum
In einer durch und durch digitalisierten Welt mit globalen Abhängigkeiten ist der Einsatz dieser Technologien eminent politisch. China selbst verfolgt seit Jahren eine Politik der wachsenden digitalen Abschottung: Westliche digitale Produkte wurden schon seit langem aus wichtigen Bereichen gedrängt, etwa Microsoft-Systeme aus der öffentlichen Verwaltung. Anbieter aus dem Westen müssen ihre Daten bei chinesischen Partnern speichern. Beim Aufbau kritischer Infrastrukturen, das hat die chinesische Regierung schon 2007 festgelegt, müssen chinesische Produkte verwendet werden. China verfolgt eine umfassende Strategie, in deren Mittelpunkt die Beherrschbarkeit der Technologie und ihres Einsatzes steht. Sicherheit ist dabei nur ein Aspekt: es geht um die Vorherrschaft im digitalen Raum, die Steuerungsfähigkeit der digitalen Welt, um wirtschaftliche und langfristige sicherheitspolitische Interessen. Dem müssen wir eine politische Strategie entgegensetzen, nicht nur Verwaltungsvorschriften.
Martin Schallbruch ist stellvertretender Direktor des Digital Society Institute, ESMT Berlin, und Visiting Fellow an der Hoover Institution, Stanford University.