Standpunkte Alles Elektro – oder was?

Joachim Weimann findet Elektroautos klasse. Aber die Diskussion über den Umstieg vom Verbrennungsmotor auf einen elektrischen Antrieb findet er nicht besonders überzeugend. Warum begründet er in seinem Standpunkt.

von Joachim Weimann

veröffentlicht am 02.09.2017

aktualisiert am 19.11.2018

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Folgt man der veröffentlichten Meinung und den Aussagen vieler Politiker, dann ist das schnelle Ende des Verbrennungsmotors ausgemachte Sache. Und wenn Verbraucher und Autoindustrie das nicht kapieren, dann muss man eben mit Verboten nachhelfen. Jeder, der schon einmal das Vergnügen hatte, ein Elektroauto zu fahren, wird zustimmen, dass die Vorstellung ein solches in der Garage zu haben, sehr reizvoll ist, denn diese Antriebstechnik hat es in sich. Elektroautos zu bewegen macht richtig Spaß. Aber darum geht es nicht. Es geht um die Frage, ob der Umstieg, so wie er gegenwärtig betrieben wird, eine vernünftige Sache ist – und da sind massive Zweifel angebracht.


Der Hintergrund für den politischen Druck, der in weiten Teilen der Medien gegenwärtig erzeugt wird, ist die Vorstellung, dass durch die Elektromobilität ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann, weil Verbrennungsmotoren bekanntlich Kohlendioxid (CO2) emittieren. Erreicht werden soll dies durch eine klassische „Command and Control“ Politik. Die Politik gibt die Technologie vor, die Unternehmen zu bauen haben und die Konsumenten nutzen müssen. Seit mindestens 50 Jahren schreiben sich Ökonomen aller Nationalitäten die Finger wund, um die Botschaft zu verbreiten, dass eine solche (letztlich planwirtschaftliche) Politik falsch ist. Ihr Hinweis: Wenn man Schafstoffemissionen vermeiden will, muss man nicht nur die Schadstoffmengen beachten, die vermieden werden, sondern auch die Kosten, die dabei entstehen.


E-Mobilität als Klimaschutz ist zu teuer


Das gilt ganz besonders im Hinblick auf CO2-Emissionen. Gerade, weil wir die in sehr großem Stil einsparen müssen, ist es wichtig, die Vermeidungsmaßnahmen zu ergreifen, die die geringsten Kosten pro eingesparter Tonne CO2 verursachen. Tun wir das nicht, verschwenden wir Ressourcen, die wir im Kampf gegen den Klimawandel dringend brauchen. Es ist offensichtlich, dass der Zwang, E-Autos einzuführen, mit CO2-Vermeidungskosten einherginge, die exorbitant wären. Zu den Kosten für die Elektromobilität kämen die Kosten für den CO2-frei erzeugten Strom einschließlich aller Verluste, die bei den diversen Energieumwandlungen anfallen. Wenn man weiß, dass die Vermeidungskosten, die beim Einsatz von erneuerbaren Energien anfallen (nicht zu verwechseln mit den Stromgestehungskosten!), bereits um den Faktor zehn bis 40 über denen liegen, die im Emissionshandelssektor anfallen, dann ist völlig klar, dass Elektroautos als Instrument der Klimapolitik völlig ungeeignete sind.


Selbst wenn es möglich wäre, Diesel und Benziner durch Elektro zu ersetzen, wäre das als klimapolitische Maßnahme nicht sinnvoll. Viel besser und einfacher wäre es, den Verkehrssektor in den Emissionshandel zu integrieren. Dann könnte man sich den ganzen Ärger mit Flottenverbrauchsvorgaben und so weiter sparen und würde CO2 kosteneffizient einsparen. Bei der Diskussion um das Elektroauto kommt erschwerend hinzu, dass der Übergang tatsächlich gar nicht möglich ist, weil Elektroautos im Massensegment weder technologisch noch ökonomisch wettbewerbsfähig sind. Der Grund ist einfach: Es fehlt eine Schlüsseltechnologie. Wir verfügen nicht über Speichermedien, die kostengünstig herstellbar sind, eine wettbewerbsfähige Reichweite erlauben und in kurzer Zeit wieder aufgeladen werden können.


E-Autos als Spielzeug für Vermögende


Weil das so ist, ist das Elektroauto im Moment nur als Spielzeug für sehr vermögende Menschen verfügbar. Wer sich einen Tesla vor die Tür stellen möchte, muss einen sechsstelligen Betrag auf den Tisch des Hauses von Elon Musk legen. Dass diese Fahrzeuge so teuer sind, ist übrigens ein Ausdruck der Tatsache, dass für ihre Produktion sehr viele sehr wertvolle Ressourcen aufgewendet werden müssen. Die Begeisterung grüner und linker Politiker dafür ist nur schwer nachvollziehbar. Leider sind die Aussichten darauf, dass sich an der Situation in überschaubarer Zeit etwas ändert, nicht sehr gut. Die Probleme sind grundlegender naturwissenschaftlicher Natur und ein Durchbruch nicht absehbar. Das ist übrigens der Grund dafür, dass Toyota schon vor geraumer Zeit beschlossen hat, nicht weiter in Batterie getriebene Autos zu investieren. Dort setzt man auf die Brennstoffzelle – die allerdings ebenfalls sehr weit davon entfernt ist, eine Alternative zum Verbrennungsmotor zu sein.


Stellen wir uns vor, ein genialer Mensch würde die Lösung für dieses Problem finden und wir verfügten über preiswerte Batterien, die man genauso schnell laden kann, wie man einen Tank füllt und die so viel Energie speichern können, dass man damit 600 Kilometer weit kommt, auch wenn man die Heizung oder Klimaanlage benutzt. Bräuchte man dann staatlichen Zwang, um das Elektroauto in den Markt zu bringen? Ganz sicher nicht, denn dann wäre dieser Antrieb dem Verbrenner sowohl technisch als auch ökonomisch überlegen. Wir alle könnten dann den Spaß haben, ein Elektroauto zu fahren. Die Industrie würde jubeln, denn sie wäre aus der Schmuddel-Ecke heraus, in die man sie im Moment stellt, und ganz nebenbei würde auch noch eine geringere Schadstoffbelastung unserer Städte herausspringen. Wenn es möglich ist, brauchen wir staatlichen Zwang also nicht. Die Logik der gegenwärtigen Berichterstattung läuft darauf hinaus, dass wir ihn brauchen, wenn es nicht geht. Das ist ganz schön verrückt.


Joachim Weimann ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

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