Herr Miersch, Bahnvorstand Ronald Pofalla (CDU) soll als Vorsitzender der Kohle-Kommission einen Kohle-Ausstiegspfad im Bundesumweltministerium vorgestellt haben: 2038 geht demnach das letzte Kraftwerk vom Netz. Die Mitglieder der Kohle-Kommission wussten von dem Vorschlag nichts. Dennoch: Wie gefällt Ihnen der von Pofalla anvisierte Weg?
Es ist gut, dass wir jetzt über konkrete Pfade reden werden. Der Respekt gegenüber der Kommission gebietet es aber, die Beratungen in dieser Phase nicht durch vorschnelle Kommentare zu stören.
Am heutigen Dienstag wird wieder die Kohle-Kommission zusammenkommen. Der BUND hat damit gedroht, die Kommission zu verlassen, wenn RWE Mitte Oktober roden sollte, bevor Ergebnisse vorliegen. Inwieweit kann der Konflikt im Hambacher Forst die Kommission ernsthaft gefährden?
Ich kann nicht einschätzen, auf welche Position sich die Umweltverbände am Ende einigen werden. Natürlich ist die Situation angespannt, aber ich hoffe, dass trotzdem alle sehen, wie viel bei der Kommission auf dem Spiel steht. Diese Kommission soll klären, wie und wann Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigt. Diese Frage ist viel zu groß und wichtig, als dass wir uns da jetzt blockieren lassen sollten. Wenn der Ausstieg aus der Kohle gelingen soll, dann braucht es einen Konsens der verschiedenen Gruppen. Wir haben uns ja schon auf den Weg gemacht. Diese große Chance sollte die Kommission nun nicht vergeben.
Was droht sonst?
Mir ist aus der Zeit der Koalitionsverhandlungen folgendes Bild im Kopf geblieben: Als wir im Willy-Brandt-Haus verhandelt haben, haben rechts vor dem Gebäude die Vertreter von Greenpeace protestiert und links die Vertreter der Industriegewerkschaft IG BCE. Das kann doch nicht ewig so weitergehen.
Wir dürfen es außerdem nicht so machen, wie es damals beim Atomausstieg gelaufen ist. 2010 haben Union und FDP die Laufzeit verlängert und der abrupte Bruch dieser Verlängerungen 2011 nach der Katastrophe in Fukushima führte dazu, dass es Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe an die Konzerne gab. Das darf nicht wieder passieren. Die Kommission hat die Chance, einen verlässlichen Ausstiegspfad zu formulieren.
Die SPD ist traditionell politische Heimat der Kohlekumpel. Wie schwierig ist es für Sie als stellvertretener Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, die Themen Umwelt und Klima in der Partei hochzuhalten?
Die SPD ist ja nicht nur eine Partei, die traditionell stark in den Kohleregionen ist, sondern auch industriepolitisch ein ganz wichtiges Bekenntnis hat. Insofern gab und gibt es immer Diskussionen in dieser Partei über die Themen. Aber beispielsweise hat schon Willy Brandt vom „blauen Himmel über der Ruhr“ gesprochen, insofern ist die Umweltseite in der SPD schon immer präsent gewesen, und zwar weit bevor es die Grünen gab.
Aber klar ist doch auch: Wer Industriepolitik zukünftig denken und aufrecht erhalten will, muss gute Umweltpolitik machen. Nur die Industrie, die auf Effizienz setzt, auf sauberen Energien, auf alternative Antriebstechnologien, die wird zukunftsfähig sein. Alles andere wird verschwinden. Zwischen diesen beiden Ansprüchen, der Industrie- wie Klima- und Umweltpolitik eine Position zu finden, ist aber natürlich ein Spagat innerhalb des Transformationsprozesses, auch für die SPD.
Da scheinen Sie sich weit strecken zu müssen: Ihre Chefin Andrea Nahles spricht von der Blutgrätsche bei der Braunkohle, die es mit der SPD nicht geben werde. Bundesumweltministerin Schulze hingegen will Ernst beim Klimaschutz machen.
Da ist immer die Frage, was eigentlich in der Öffentlichkeit ankommt: Die Grünen unterstreichen ja auch immer wieder, dass niemand von heute auf morgen wegen des Braunkohleausstiegs seinen Job verlieren darf. Die Grünen fordern auch nicht, dass 2020 das letzte Kohlekraftwerk ausgeschaltet wird. Das sind beides auch SPD-Positionen.
Nun zu Andrea Nahles: Ich bin mit ihr in der Lausitz gewesen und habe mit ihr viele Gespräche geführt über den Kohleausstieg. Ich kann nur sagen, wir sind uns absolut einig darüber, dass die Klimaschutzziele 2030 verbindlich sind. Deswegen wird die Bundesregierung ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, an dem jetzt schon eine SPD-interne Gruppe arbeitet. Wir denken die Bereiche Energie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft zusammen. Wir sagen als SPD auch: Auf dem Weg zur Erreichung der Klimaziele darf niemand auf der Strecke bleiben.
Was bedeutet das konkret für den weiteren Prozess?
Worüber wir also streiten werden, möglicherweise auch innerhalb der SPD, ist die Frage nach dem Ausstiegspfad der Kohle: etwa darüber, wie viel Gigawatt Kohle es braucht im Zeitraum zwischen 2019 bis 2030, und dann ab 2030. Wir werden auch darüber streiten, wie wir die Strompreise gestalten oder ob es einen CO2-Preis geben wird und wenn ja, wie wir diesen gestalten. Das sind die Dinge, über die wir ringen werden, aber nicht über die Klimaziele an sich.
Das Interview führte Nora Marie Zaremba.