Standpunkte Bahn frei für E-Fuels

Deutschland ist derzeit führend bei der Entwicklung von Power-to-X-Technologien zur Herstellung von E-Fuels. Dies sollte sowohl für eine effiziente Sektorkopplung als auch den Klimaschutz im Mobilitätssektor genutzt werden. Notwendig sind aber neue regulatorische Spielregeln.

von Reiner Mangold

veröffentlicht am 21.09.2018

aktualisiert am 14.11.2018

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Reiner Mangold, Leiter Nachhaltige Produktentwicklung der Audi AG

Die Bundesrepublik Deutschland wird die Klimaschutzziele für 2020 deutlich verfehlen. Im Verkehrssektor sind die Emissionen zuletzt sogar gestiegen. Dieser Trend muss und kann sich umkehren: E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien, nehmen in der Produktion genau die Menge CO2 auf, die in der Nutzungsphase emittiert wird. Je höher der Anteil nachhaltig hergestellter E-Fuels am Kraftstoffverbrauch ist, desto mehr fossile Kraftstoffe werden verdrängt und umso schneller tritt die erforderliche CO2-Reduktion ein.


Dank kontinuierlicher Investitionen ist Deutschland derzeit führend bei der Entwicklung und Herstellung von Elektrolyseuren und Umwandlungstechnologien (PtX), mittels derer E-Fuels in Deutschland und auch in sonnen- und windreichen Regionen im Ausland produziert werden können. Entscheidend für den zügigen Markthochlauf von E-Fuels (und damit auch der PtX-Technologie) ist ihre Anrechenbarkeit auf die CO2-Flottengrenzwerte der Automobilhersteller. Denn derzeit gibt es nur in der Straßenmobilität ausreichend hohe Preise für CO2-Vermeidung und damit die notwendige Zahlungsbereitschaft für die Differenzkosten zu fossilen Treibstoffen. Im Herbst 2018 werden diese Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Lkw im Rahmen des Trilog-Verfahrens auf EU-Ebene für die Zeit nach 2021 neu angepasst. 2025 bzw. 2030 müssen diese Grenzwerte in zwei Schritten eingehalten werden. Dies eröffnet auch die Möglichkeit, eine Anrechnung der zertifizierten CO2-Minderung durch E-Fuels zuzulassen.


Durch eine solche freiwillige Anrechnungsmöglichkeit entstehen Marktmechanismen, die langfristige Planungs- und Investitionssicherheit gewährleisten und gleichzeitig positive Klimaschutzeffekte liefern. Dieses aus bestehenden Marktkräften gespeiste Nachfrageszenario würde den Hochlauf dieser Klimaschutz-Technologien „made in Germany“ nachhaltig befördern – und das ganz ohne staatliche Subventionen. Denn die Autohersteller würden kontinuierlich steigende Mengen klimaschonender Kraftstoffe im Rahmen langfristiger Lieferverträge abfragen. „Stranded investments“ werden vermieden, und in Folge der Skaleneffekte werden E-Fuels immer günstiger: Kosten von einem Euro je Liter Dieseläquivalent sind mittelfristig durchaus erreichbar.


E-Fuels haben das Potenzial, eine wirkungsvolle, marktbasierte und effiziente Sektorenkopplung zu ermöglichen. Die Lieferung von EE-Strom an PtX-Anlagen eröffnet für rund 6.000 Windkraftanlagen, die nach 20-jähriger Förderdauer zum 31. Dezember 2020 ihren Anspruch auf EEG-Förderung verlieren, eine attraktive Option für einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb. Ein solches „Weiterdrehen“ der Rotoren ergibt gleich mehrfach Sinn: Die bestehenden Windmühlen können nun volkswirtschaftlich kostengünstig Energie für die Defossilisierung weiterer Sektoren liefern, das Stromnetz stabilisieren und so einen Beitrag zum Schließen der „Klimaschutzlücke“ leisten. Der ansonsten drohende Rückbau vieler dieser Anlagen würde Deutschland hingegen noch weiter hinter den Klimaschutzpfad Richtung 2030 zurückwerfen.


Die Herstellung von Antriebstechnik und Verbrennungsmotoren sichert Tausende von gut bezahlten Arbeitsplätzen in Deutschland – nicht nur in der industriellen Fertigung, sondern auch in klein- und mittelständischen Zulieferbetrieben im gesamten Bundesgebiet. E-Fuels leisten einen Beitrag zum Erhalt dieser hochqualifizierten Arbeitsplätze und ermöglichen die Schaffung neuer Jobs rund um die grüne Exporttechnologie PtX. Damit modernisiert die Transformation des Verkehrssystems hin zu einem Mix aus E-Fuels- und batteriebetriebenen Fahrzeugen nicht nur das System der Energieversorgung im Sinne einer flexiblen Sektorenkopplung. Sondern sie vermindert darüber hinaus das Risiko, dass durch die disruptiven Folgen einer einseitigen Technologieförderung große Wertschöpfungsverluste und Strukturbrüche verursacht werden.


Die Anrechenbarkeit von E-Fuels auf die CO2-Flottengrenzwerte ist dafür der entscheidende Enabler: Das enorme Innovations- und Exportpotential von E-Fuels kann eindrucksvoll zeigen, dass konsequenter Klimaschutz keine Arbeitsplätze gefährdet, sondern Jobs sichert und zusätzliche Beschäftigung ermöglicht. Investitionen in die E-Fuels Technologie sind daher auch Investitionen in eine weltweite Energiewende als Wachstums- und Beschäftigungstreiber.


Für die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag besteht derzeit die einmalige Chance, durch ein entschlossenes Eintreten für die Anrechenbarkeit von E-Fuels diesen Technologie- und Beschäftigungs-Push auszulösen, den Fahrzeugherstellern und ihren Zulieferern Flexibilität zu verschaffen und eine drohende Stagnation bei der Energiewende zu verhindern.

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