Die Erwartungen in punkto Klimaschutz an die große Koalition
sind hoch, vielleicht zu hoch. Denn das große Projekt der gesellschaftlichen
Transformation hin zu einer emissionsarmen Wirtschaft ist ein gewaltiges
Vorhaben und bedarf eines gemeinsamen politischen Willens und ebenso klarer
Entscheidungen. Dazu zählt – so schmerzlich das für manche klingen mag – ein
Verzicht auf fossile Brennstoffe zur Energiegewinnung. Ohne den Ausstieg aus
der Kohle wird Deutschland seinen internationalen Verpflichtungen zur Senkung der
Treibhausgasemissionen bis 2050 nicht nachkommen können. Verliert Deutschland
seine Vorreiterrolle, verliert es seine Innovationskraft und wirtschaftliche
Dynamik.
Wie und vor allem bis wann der Ausstieg umgesetzt wird, darauf konnte sich die Koalition bislang nicht einigen. Stattdessen wurde eine Kommission damit beauftragt, ein Datum für den Ausstieg aus der Kohle festzulegen und einen Zeitplan mit operativen Schritten zu erarbeiten. Nun soll die sogenannte Kohlekommission Anfang Februar ihren Bericht vorlegen. Klar ist: Wie ambitioniert der Kommissionsbericht wird und wie die Politik mit den Ergebnissen umgeht, wird zur Bewährungsprobe, wie ernst wir es in Deutschland mit dem Klimaschutz nehmen.
In diesem Kommissions-Verfahren liegt eine große Chance: Denn
der Kohleausstieg kann nur gemeinsam und nicht gegen eine einzelne
Interessengruppe gelingen. Das haben zuletzt die Proteste im Hambacher Forst
wieder deutlich gemacht. Die Mitglieder der Kommission wird es daher viel Kraft
kosten, einen Kompromiss zu finden, aber sie werden sich daran messen lassen
müssen, welchen Beitrag sie für die Zukunft geleistet haben. Und zwar nicht mit
Blick auf die jeweils eigene Klientel, sondern mit Blick auf die gesellschaftliche
Transformation, die wir dringend gemeinsam gestalten müssen. Die Chance ist da,
dass die Empfehlungen der Kommission zu einem Meilenstein werden können. Ein
nochmaliger Aufschub, wie zuletzt über den Jahreswechsel, wäre dafür
kontraproduktiv. Denn sonst läuft die Kommission Gefahr, dass ihre Arbeit von
den anstehenden Landtagswahlen überlagert, verwässert und wirkungslos wird.
Für die Wirtschaft hat der Klimaschutz eine große Bedeutung:
Frühzeitig erkannt, ist er wichtiger Treiber von Innovationen und
zukunftssicherer Dynamik, und er schafft neue, bedeutende, weltweite Märkte.
Allein technologisch dürfen wir den Anschluss an die dynamischen Märkte vor
allem in Asien nicht verlieren.
Umso wichtiger sind klare Entscheidungen der Politik über
die Rahmenbedingungen. Deutschland war hier international einmal angesehener
Musterschüler für eine umfassende Energiewende, ist in den letzten Jahren aber deutlich
zurückgefallen. Die Signalwirkung ist ernüchternd: Von den Klimazielen für 2020
hat man sich verabschiedet und für 2030 bedarf es zunehmend radikaler Maßnahmen,
um das angestrebte Ziel von 55 Prozent Emissionsreduktion noch umsetzen zu
können.
Entschiedenes Handeln der Politik ist nun gefragt – Hand in
Hand mit der Wirtschaft und allen anderen Stakeholdern. Ich bin überzeugt, dass
die meisten Unternehmer in Deutschland die Digitalisierung, die globale Arbeitsteilung
und auch den Klimaschutz als Chance erkennen. Dahinter steckt die Zuversicht,
dass Zukunft nur gestaltet werden kann, wenn man die technologischen und
kulturellen Herausforderungen rechtzeitig und mutig annimmt. In Deutschland
haben wir neben den großen Konzernen auch einen stark ausgeprägten Mittelstand,
der bereit ist, die gesellschaftliche Transformation als Chance zu erkennen und
zu gestalten. Viele gute Beispiele bezeugen das. In dieser Bereitschaft liegt
ein enormes Potenzial, das bislang noch nicht ausgeschöpft ist. Ebenso fehlen
wirkungsvolle Anreize für klimafreundliche Maßnahmen. Viele Unternehmen stehen
bereit, die gesellschaftliche Transformation als Chance zu erkennen!
In unsicheren Zeiten wie diesen ist ein klarer Kompass
unerlässlich. Wenn wir unserem Planeten nicht weiter Schaden zufügen wollen,
müssen wir unsere Lebensweise hinterfragen und sie anpassen, wo immer es
möglich ist. Ich setze daher große Hoffnungen auf das Klimaschutzgesetz, das
dieses Jahr beschlossen werden soll. Richtig ausgestaltet, kann es zu einem
wichtigen Signal an die Wirtschaft und die Gesellschaft, aber auch an die
internationale Gemeinschaft werden: Dass wir in Deutschland die Weichen
stellen, um unsere Verpflichtungen einzuhalten und alle gesellschaftlichen
Kräfte daran mitwirken. So könnten wir auch das Vertrauen zurückgewinnen, das
uns einst als Vorreiter in der Energiewende entgegengebracht wurde.
Ich wage die These, dass die allermeisten Unternehmen in Deutschland keine Angst vor Strukturveränderungen haben. Aber sie haben Sorge, dass sie mit ihren unternehmerischen Entscheidungen alleingelassen werden. Und das sollte die Politik beherzigen. Denn ohne den Beitrag der Wirtschaft wird die Politik die Klimaziele nicht erreichen können.
Für den Schutz unseres Klimas werden die nächsten Jahre entscheidend sein. Die Ergebnisse der Kohlekommission und das Klimaschutzgesetz müssen tragende Säulen der deutschen Klimaschutzpolitik werden. Dafür müssen sie ambitioniert und wirkungsvoll, aber auch langfristig berechenbar sein, damit die Wirtschaft ihr klimaschützendes Potenzial nutzen kann und die deutsche Klimapolitik international wieder glaubwürdig dasteht. Ein investitionsrelevanter CO2-Preis darf dabei nicht fehlen. Das Klimaschutzgesetz sollte aufzeigen, wie der gesellschaftliche Wandel in einem hoch entwickelten Industriestaat gelingen kann, und zwar nicht gegen, sondern mit den Unternehmen.
Der Ausstieg aus der Atom- und der Kohleenergie ist zweifelsfrei ein großer Schritt, aber er ist machbar, wenn die wichtigsten gesellschaftlichen Kräfte an einem Strang ziehen. Dafür ist die Strukturkommission ein vielversprechendes Format. Gelingt dieses Experiment, dann hat Deutschland gute Voraussetzungen für ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz, das auch international eine hohe Strahlkraft haben wird.