Standpunkte Braunkohle-Kommission zur Rettung der Braunkohle

Standpunkt von Martin Maslaton, Fachanwalt mit eigener Kanzlei in Leipzig und Professor für das Recht der Erneuerbaren Energien an der TU Chemnitz
Standpunkt von Martin Maslaton, Fachanwalt mit eigener Kanzlei in Leipzig und Professor für das Recht der Erneuerbaren Energien an der TU Chemnitz

Mit dem Einsetzen einer Kommission ist schon Helmut Kohl vor den Herausforderungen des Klimaschutzes geflüchtet – und hat der Kohleindustrie so Lebensjahre gesichert. Standpunkt-Autor und Energie-Fachanwalt Martin Maslaton fragt: Welches Vertrauen kann eine Braunkohle-Kommission erwarten, die die ausgewiesenen Klimaschutzbehinderer der Republik versammelt?

von Martin Maslaton

veröffentlicht am 11.01.2018

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Vorneweg: Dass die mögliche kommende Bundesregierung aus CDU und SPD das Klimaziel für 2020 kassieren will, ist tatsächlich eine „Unverschämtheit“. So kurz und knapp hat Mojib Latif, renommierter Klimaforscher und Präsident des deutschen Club of Rome, die frühzeitig durchgestochenen Informationen der sich abzeichnenden GroKo kommentiert.


Warum eine „Unverschämtheit“? Weil „Klimakanzlerin“ Angela Merkel sich hier einer handfesten Wählertäuschung schuldig macht; weil die „GroKo 2013 – 2017“ diese Situation mit geradezu hektischer Untätigkeit herbeigeführt hat; weil die deutsche Entscheidung Signalwirkung in die ganze Welt hat. Denn auch wenn wir als Experten oder deutsche Bürger viel am Wie und Wann der „German Energiewende“ zu kritisieren haben, ist sie doch mindestens seit einem Jahrzehnt immer ein starkes Argument für Klimapolitiker auf der ganzen Welt: „Seht her, was ein führendes Industrieland vormacht, kann für uns so schlecht nicht sein.“ Die mögliche „GroKo 18-21“ desavouiert diejenigen, die sich auf die deutsche Verlässlichkeit verlassen haben. Das ist auch ein historischer Bruch.


Stattdessen jetzt also eine Braunkohle-Kommission. „Wenn Du nicht mehr weiterweißt, dann machst Du einen Arbeitskreis!“, sagt die Redewendung. Und ältere Beobachter von Klimapolitik und Energiewende fühlen sich zurückversetzt in die Zeit unter Helmut Kohl, in der die drängenden Fragen zu Klima- und Atmosphärenschutz reflexhaft auf die lange Bank der Kommissionen geschoben wurden.


Wieder ein Zeitgewinn für die alte Energiewirtschaft


Schon auf die Veröffentlichung des wegweisenden Brundtland-Berichtes „Unsere gemeinsame Zukunft“ für die Vereinten Nationen von 1987 reagierte die damalige (schwarz-gelbe) Regierung mit einer Kommission: Die Enquete „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ brauchte mehr als drei Jahre um noch mal aufzuschreiben, was der UN-Bericht schon festgestellt hatte: Das Maßnahmen zum Schutz des Klimas dringen geboten sind! Als der Bericht der Enquete-Kommission fertig war, war allerdings auch die Legislaturperiode der damaligen dritten Regierung Helmut Kohl wieder am Ende. Und die Kohle- und Atomwirtschaft hatte drei Jahre gewonnen.


Immerhin: Die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ hat ein wegweisendes, 1700 Seiten umfassendes Protokoll vorgelegt, das in mancher Hinsicht Neuland betrat. Der Begriff der Nachhaltigkeit aus dem Brundtland-Bericht wurde auf die Deutschen Verhältnisse übersetzt und bot geistige Knetmasse für mindestens ein Jahrzehnt. Der Bericht geizte nicht mit Details: Sogar die angemessenen Ziele zur Emissionsminderung sind beschrieben, die ein Industrieland wie Deutschland sich vornehmen sollte: Minus 80 Prozent bis 2050. So wurde vor 30 Jahren das 40-Prozent-Ziel für 2020 angelegt, dass die kommende Bundesregierung jetzt einkassieren will.


Das macht noch einmal deutlich, wie groß der Vertrauensbruch ist, den die Angela Merkel hier zulassen will. Und wie sehr Sie sich mit der Entscheidung für eine Kommission in die Verzögerungs-Tradition des Vor-Vor-Gängers stellt.


Dabei ist die intellektuelle Herausforderung einer Braunkohle-Kommission überschaubar: Es geht hier nicht darum, eine grundlegende Sachstandanalyse vorzunehmen oder einen weltweiten Wandel vorzudenken. Es geht nicht mal um die Frage, ob der Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle-Verstromung kommt. Es geht lediglich darum, welche Politik-Instrumente für die Regionen bereitgestellt werden sollen, die unter der Abschaltung der Kohlekraftwerke ja tatsächlich leiden. Hier dreht sich alles um die Einbeziehung der Kreise und Gemeinden vor Ort; es geht um Anhörungen der Betroffenen im Bundestag. Und es geht um Geld.


Jetziger Kurs schon Mitte 2017 vorhergesagt


Diese Leistung braucht aber keine Kommission und keine Denkerstube. Sondern eine Politik, die sich traut zu gestalten und zu fördern, anstatt die Klimaziele zu begraben und dies mit miesen, alten Tricks zu bemänteln.


Die Idee dazu soll – laut Background – ausgerechnet aus dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium gekommen sein. Und erstaunlich ist, dass ein Mitglied der amtierenden Regierung dieses Szenario schon Mitte 2017 in einem Hintergrundgespräch vorgezeichnet hatte: Eine kommende Regierung würde das Klimaziel 2020 kippen und versuchen, das mit dem Anschein eines umso beherzteren Vorgehens bis 2030 zu kaschieren. Genau das sollen der angekündigte „Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung einschließlich eines Abschlussdatums“ inklusive der „notwendigen rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Begleitmaßnahmen“ signalisieren.


Nur: Wenn das 2020-Ziel so leicht zu entsorgen ist, wer glaubt dann noch an das neue, das jetzt-aber-wirklich-Ziel für das ferne Jahr 2030? Und wer auf der Welt schenkt einer Braunkohle-Kommission Vertrauen, die vor allem aus Vertretern der Braunkohleländer NRW, Brandenburg und Sachsen besteht, die sich seit Jahren als Bremser und Behinderer der Klimapolitik hervorgetan haben?


Keiner der heute an dieser Entscheidung beteiligten Politiker wird 2030 noch Verantwortung tragen. Selbst Angela Merkel hat sie dann abgegeben.

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