Die Unterhändler des Europäischen Parlaments, der EU-Kommission und des Europäischen Rates haben sich auf Kompromisse zu drei zentralen Elementen einer Klima- und Energiepolitik bis 2030 geeinigt: ein EU-weit verbindliches Ziel von mindestens 32 Prozent Erneuerbaren-Anteil am Brutto-Endenergie-Verbrauch, ein indikatives Ziel von 32,5 Prozent Effizienzsteigerung und einen „robusten“ Governance Rahmen. Das ist mehr als die kläglichen 27 Prozent Erneuerbare und Effizienz, die Rat und Kommission vorschlagen hatten, aber sie bleiben bei weitem hinter den Möglichkeiten der immer kostengünstigeren erneuerbaren Energien und den Notwendigkeiten des Klimaschutzes nach dem Pariser Abkommen zurück. Ob die Instrumente ausreichen, die Erreichung der Ziele sicher zu stellen, wird sich erweisen müssen.
Dass mehr erreicht wurde, als im Oktober 2014 vom Rat vorgeschlagen und im November 2016 von der Kommission in Richtlinien- und Verordnungsvorschlägen vorgelegt wurde, ist vor allem der Hartnäckigkeit der Verhandelnden des Parlaments zu verdanken. Interessant, aber in der Praxis müßig ist die Frage, ob mit größerem Einsatz der Bundesregierung mehr herauszuholen gewesen wäre. Sicher ist, dass anders als vor 10 Jahren, als der 2020-Rahmen dank der aktiven Rolle Deutschlands erfolgreich und ambitioniert verhandelt und beschlossen wurde, die Bundesregierung und ihr Wirtschaftsminister in diesem Jahr allzu oft aktiv auf Seiten der Bremser agierte.
Die Vorschläge von Rat und Kommission, die Ziele für Erneuerbare und für Effizienz auf nur 27 Prozent für 2030 anzusetzen, waren besonders von den Mitgliedstaaten begrüßt worden, die ihre Kohlekraftwerke ungehindert weiter betreiben wollten, aber auch von denen, die mit Atomkraft Klimaschutz betreiben zu wollen vorgeben, ohne sich um deren Risiken oder immense Kosten zu kümmern. Das Europäische Parlament hatte immer wieder höhere Ziele von 35 oder 40 Prozent verlangt. Die Erneuerbaren-Branche hatte vorgerechnet, dass 45 Prozent als 2030-Ziel die notwendigen Investitionen auf dem gleichen Niveau halten würde, wie dies bis 2020 zur Erreichung des 20-Prozent-Ziels nötig wäre.
Als die Triloge begannen, hatte der Rat sich auf ein Ziel maximal von 27 Prozent für 2030 eingeschworen, das nicht von nationalen Zielen begleitet sein dürfte, während des Parlament mit mindestens 35 Prozent in die Verhandlungen ging, was von der Erneuerbaren-Branche als Minimum des Notwendigen unterstützt wurde. Die lange Zeit aufrechterhaltene Forderung, das verbindliche EU-Ziel durch verbindliche nationale Ziele (wie im 2020-Rahmen) zu untermauern, ließ das Parlament als Zugeständnis an den Rat fallen, verlangte aber, dass – für den Fall, dass die aufaddierten nationalen Klima- und Energie-Pläne nicht für das EU-Ziel ausreichen – eine Formel aus BIP, Potentialen, Vorleistungen etc. in Kraft treten sollte für die Mitgliedstaaten, deren Pläne hinter einem errechneten fairen Beitrag zurückblieben.
Auch dazu war der Rat lange nicht bereit. Das erzielte Ergebnis, wonach Mitgliedstaaten bis Ende 2019 ihre Pläne der Kommission vorlegen müssen und diese kommentieren und Nachbesserungen (basierend auf der oben genannten Formel) anregen darf, ist ein Kompromiss, der am Ende das Benennen der Unwilligen als schärfste Sanktion vorsieht – neben einem erst noch zu erstellenden Finanzierungsmechanismus zum Füllen eventueller Lücken bei der Zielerreichung.
Wichtig und tendenziell positiv ist, dass es wieder Meilensteine zur Erreichung des 2030-Zieles geben soll – 18 Prozent des Ziels bis 2022, 43 Prozent bis 2025 und 65 Prozent bis 2027. Dies liegt unterhalb des linearen Pfades, den Parlament und auch die Branche der Erneuerbaren verlangt hatte, gibt aber die Orientierung, nicht alles auf die letzten Jahre zu schieben.
Im Gegensatz zu dem verbindlichen Anteil von Erneuerbaren in 2030 ist das Effizienz-Ziel indikativ. Dafür muss jeder Mitgliedsstaat verbindlich die Effizienz jährlich um 0,8 Prozentpunkte steigern (was etwa der bisherigen Größenordnung entspricht). Inwieweit das umgesetzt wird, wird sich angesichts bisher eher bescheidener Erfolge bei der Effizienzsteigerungspolitik zeigen müssen.
Der Kompromiss zur Erneuerbaren-Richtlinie enthält Regelungen zur Vereinfachung von Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren, die Planungs- und Umsetzungsprozesse beschleunigen werden. Auch hinsichtlich der Möglichkeit für Unternehmen, sich über Strom-Abnahmeverträge (PPAs) direkt mit erneuerbaren Energien zu versorgen, bietet die Einigung positive Ansätze. Für Investoren ist es wichtig, dass Regierungen verpflichtet werden, Planungen für den Aus- und Zubau von erneuerbaren Energien mit einem Fünf-Jahres Horizont bekannt zu machen und eine 2050-Perspektive zur Dekarbonisierung öffentlich zu präsentieren.
Zu den Stärken der Einigung zählt die Einführung des Rechts für alle Bürgerinnen und Bürger der EU, Strom aus erneuerbaren Energien selbst zu erzeugen, zu verbrauchen und Überschüsse mindestens zu Marktpreisen verkaufen zu dürfen. Ausdrücklich gilt dies auch bei Einschaltung von Aggregatoren oder Online-Handelsplattformen und in Mehrfamilienhäusern. Prosumer dürfen nicht mit diskriminierenden oder unverhältnismäßigen Gebühren, einschließlich Netzkosten, belastet werden. Bis Ende 2026 dürfen für Strom, der hinter dem Zähler erzeugt und verbraucht wird, keine Entgelte verlangt werden. Danach dürfen angemessene Entgelte erhoben werden, solange die ökonomische Machbarkeit nicht unterminiert wird. Generell dürfen für Anlagen bis 30 Kilowatt keine Gebühren erhoben werden, es sei denn die Eigenverbrauchskapazität eines Landes übersteigt acht Prozent der gesamten Erzeugungskapazität.
Ebenfalls positiv ist die Schaffung einer Definition von Community Power – Deutsch am besten mit Bürgerenergie übersetzt – in Abgrenzung zu traditionellen Energieversorgern und mit Vorkehrungen, Missbrauch zu verhindern. Die Mitgliedschaft in Energy Communities soll erleichtert werden. Sie haben das Rechts, untereinander Strom zu handeln, zu speichern oder auszubalancieren. Beim Design von Förderinstrumenten sollen sie speziell berücksichtigt werden und sie dürfen Förderung erhalten, ohne sich vorher an Auktionen beteiligen zu müssen. Verteilnetzbetreiber dürfen keine künstlichen Barrieren errichten, zum Beispiel in Form übermäßigen Verwaltungsaufwands. Netzentgelte müssen reale Kosten widerspiegeln.
Die Regelungen zu Energy Communities und Eigenverbrauch dürften zu einem deutlichen Anstieg von Eigenverbrauch und mehr dezentraler Erzeugung und Nutzung führen und den Ausbau der Erneuerbaren voranbringen, wo traditionelle Energieversorger noch zögern, den notwendigen Paradigmen-Wechsel zu Flexibilität und Dezentralität auf Basis erneuerbarer Energien mitzugehen.
Schon in der aktuellen Erneuerbaren-Richtlinie gibt es ein Ziel von mindestens zehn Prozent Erneuerbaren bis 2020 im Verkehrssektor für die EU insgesamt und für jeden Mitgliedstaat, das allerdings kaum erreicht werden wird. Bisher kommt der größte Beitrag von Biokraftstoffen der ersten Generation. Die nächste Generation und Elektromobilität spielen kaum eine Rolle.
Nun gibt es ein 14-Prozent-Ziel für Erneuerbare im Verkehr bis 2030, das bis maximal sieben Prozent durch Biokraftstoffe der ersten Generation erreicht werden darf. Für die anrechenbare Biomasse gibt es weiterhin Nachhaltigkeitskriterien, die von den Umwelt-NGOs als zu schwach kritisiert werden. Daneben gibt es Anreize, stärker synthetische Kraftstoffe aus Abfallstoffen und Elektromobilität aus erneuerbaren Energien voranzutreiben. Ob die Maßnahmen ausreichen werden, wird sich zeigen müssen.
Im zweiten Halbjahr 2018 muss noch eine Einigung zum Marktdesign erzielt werden. Dabei geht darum, Märkte fit zu machen für wachsende Mengen von oft dezentral produzierten und verbrauchten erneuerbaren Energien und somit ein flexibles, sektorenübergreifendes Marktdesign zu schaffen. Dabei müssen so wichtige Fragen gelöst werden müssen wie das notwendige Ausmaß an Priorität für Erneuerbare, Design von Kapazitätsmechanismen, Emissionsobergrenzen für Bestandskraftwerke. Bis zum Jahresende wird die Einigung geschafft sein müssen, damit sie noch vor den Europaparlamentswahlen 2019 abgeschlossen werden kann.
Die Einigung zu den Richtlinien für Erneuerbare und Effizienz sowie zur Governance-Verordnung hat gezeigt, dass selbst angesichts wenig innovationsfreundlicher Regierungen (etwas) mehr als business-as-usual beschlossen werden konnte. Das ist notwendig, um Planungssicherheit wiederherzustellen. Aber auch die Glaubwürdigkeit der Bekenntnisse fast jeder Regierung auf diesem Planeten zum Pariser Klimaschutzabkommen bekommt etwas mehr Substanz. Dazu passt es, dass Kommissar Cañete jüngst beginnt zu betonen, dass die EU ihre Verpflichtungen nach dem Pariser Abkommen angesichts der 32- bzw. 32,5-Prozent-Ziele von 40 auf gut 45 Prozent erhöhen könnte. Das ist noch deutlich unter dem, was NGOs und einige EU-Regierungen fordern, nämlich eine Reduktion um mindestens 55 Prozent bis 2030.
Die aufwärts zielende Überprüfung 2023 könnte ein Meilenstein werden – aber jetzt geht es vor allem darum, dass die Mitgliedstaaten sich um angemessene Beiträge zur Erreichung der EU-Ziele bemühen. Das gilt gerade auch für die Bundesregierung, die bisher nicht erkennen lässt, wie sie ihre 2020-Ziele noch annähernd erreichen will. Im Koalitionsvertrag stehen Kohleausstieg und Sonderausschreibungen für Wind- und Solarenergie und ein Ziel von 65 Prozent Strom in 2030 … Maßnahmen bisher Fehlanzeige.
Das wird sich sehr ändern müssen, wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier nicht Gefangener seiner sehr eigenen Logik bleiben will, wonach er sich höhere Ziele nicht erlauben könne, solange er die niedrigeren nicht erreicht. Die im Sinne der Volkswirtschaft und des Klimaschutzes notwendige Lösung heißt: Die Politiken müssen effektiver und anspruchsvoller werden, nicht die Ziele nach unten korrigiert.