Standpunkte Der Kampf gegen die Klimakrise braucht Bildung

Die Klimakrise ist komplex, und die wenigsten können die unterschiedlichen Wirkungszusammenhänge einfach so zusammenführen. Bettina Münch-Epple setzt in ihrem Standpunkt dem Klimawandel Bildungsangebote entgegen.

von Bettina Münch-Epple

veröffentlicht am 01.10.2017

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Die Klimakrise hat ein Problem. Sie ist zu schlicht zu komplex. Das macht es vielen Menschen leicht, sie weiter zu ignorieren. Denn was kompliziert und abstrakt ist, fällt leicht hintenüber. Doch wie das mit Krisen nun einmal so ist: Ignoranz ist die denkbar schlechteste Lösung. Die Erderhitzung betrifft alle Menschen – Ignoranten wie Aktivisten – gleichermaßen unmittelbar und negativ. Nur, dass die Aktivisten dies bereits verstanden haben und sich aufgemacht haben, die Klimakrise zu bekämpfen. Die Aufgabe besteht also darin, die Waagschale zu ihren Gunsten zu verschieben, damit ausreichend viele Menschen dazu beitragen, die Erderhitzung zu begrenzen und für ihre Folgen Lösungen zu finden. Aus diesem Grund ist die Klimabildung so ungemein wichtig.


Der große Vorteil dabei: Die Klimakrise ist wissenschaftlich gut dokumentiert. Die Herausforderung besteht aber darin, die Wissenschaft so aufzuarbeiten, dass möglichst viele Menschen für sich Anknüpfungspunkte finden. Es braucht Verbindungen zu eigenen Erfahrungen, zur eigenen Lebenswelt. Denn so wird aus dem abstrakten Gebilde Klimawandel plötzlich ein Phänomen mit Erfahrungswerten und persönlichen Eindrücken.


Dafür kann es hilfreich sein zu zeigen: Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf weit entfernten Tropeninseln aus, die durch den steigenden Meeresspiegel um ihr Überleben bangen. Er ist längst hier bei uns vor der Haustür. In Deutschland etwa häufen sich in einigen Regionen Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Hitzeperioden. Sie sind die ersten Folgen der Erderhitzung bei uns im Land. Dies zu erkennen, ist der erste Schritt, um Menschen im Kampf gegen die Klimakrise zu befähigen.


Doch es reicht noch nicht, das Globale aufs Regionale und Lokale herunter zu brechen und so fassbar zu machen. Das Wissen um die Ursachen und die Folgen der Klimakrise braucht einen zweiten Teil: die Lösungen. Denn – auch das haben Krisen gemein – sie können Menschen leicht verzagen lassen, wenn sie sich ihnen gegenüber machtlos fühlen. Doch auch hier bietet die Klimakrise für die Wissensvermittler einen Vorteil: Es gibt viele wirkungsvolle Instrumente, ihr zu begegnen. Und mit diesem nun vervollständigten Wissen – nicht nur um die Folgen der Erderhitzung sondern auch die Antworten auf sie – entsteht Motivation. Die Zahl der Aktivisten steigt.


Ein VHS-Kurs informiert über den Klimawandel


Genau dieses Konzept der regionalen Befähigung setzen der WWF und seine Partner Reklim, fesa e.V. und ifpro in ihrem Fortbildungskurs „klimafit“ um. Der VHS-Kurs, gefördert von der Robert Bosch Stiftung und der Klaus Tschira Stiftung, läuft in diesem Herbst zunächst im Südwesten Deutschlands an. Dort sollen sich die Teilnehmer nicht nur Wissen aneignen, sondern auch vernetzen, um ihre Region gemeinsam klimafreundlicher zu gestalten. Geplant ist, den Kurs schrittweise an Volkshochschulen in ganz Deutschland zu etablieren.


Daneben umfasst die Klimabildung beim WWF auch eine kostenlose Online-Vorlesung, „Klimawandel und seine Folgen“, entwickelt gemeinsam mit dem Deutschen Klima-Konsortium und gefördert von der Robert Bosch Stiftung. Denn in einer Welt, in der die Krisen längst global sind, müssen auch Lösungsansätze nicht nur regional, sondern auch frei und überall verfügbar sein. Die Vorlesung mit Vorträgen führender Klimawissenschaftler und interaktiver Formate gibt es ab diesem Herbst unter dem Titel „Climate Change, Risks and Challenges“ auch auf Englisch, gefördert vom Auswärtigen Amt.


Komplexität statt Propaganda


Beide Bildungsoffensiven – der VHS-Kurs für die regionale Beteiligung und die Online-Vorlesung für die überregionale Vernetzung – betrachten die Klimakrise nie eindimensional, also etwa nur naturwissenschaftlich oder ökonomisch, sondern interdisziplinär. Nur so erhalten wir das „Big Picture“ und können zum Beispiel Migrationsbewegungen auf Veränderungen im Klimasystem genauso zurückführen wie die Erwärmung der Ozeane oder eben Starkregenereignisse in Deutschland.


Nur, indem wir die verschiedenen Blickwinkel integrieren, bekommen wir ein ganzheitliches und damit korrektes Bild. Weitblick und Ganzheitlichkeit sind auch die Werkzeuge gegen Klimaskeptiker – einer noch gefährlicheren Gruppe als die Ignoranten. Die Klimaskeptiker verunsichern, weil sie Einzelaspekte herauspicken und Zusammenhänge ausblenden. Ihre Zahl ist zwar gering, aber dafür tönen sie gerne umso lauter. Um ihnen entgegenzustehen, ist eine umfassende Klimabildung unverzichtbar. Indem wir Menschen mit Wissen ausstatten und ihre Stimmen stärken, übertönen die Aktivisten am Ende die Skeptiker – und reißen die Waagschale hoffentlich zu unseren allen Gunsten herum.


Bettina Münch-Epple ist die Leiterin des Fachbereichs Umweltbildung beim WWF Deutschland

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