Die dramatische Zunahme extremer Wetterereignisse wie Dürren und Starkregen mit Überschwemmungen ist eine Folge der menschgemachten Klimakrise. Jetzt ist es auch an uns Menschen, alles uns Mögliche zu tun, um die Erderhitzung zu stoppen. Für Deutschland bedeutet das die Rückkehr zu einer aktiven Klimaschutzpolitik. Das schnelle Ende der Kohle ist der nächste, unabdingbare Schritt für eine erfolgreiche Energiewende – erfolgreich für unsere Wirtschaft, unsere Gesundheit und die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen.
Diesen Schritt zu gehen, ist Aufgabe der Bundesregierung und ihrer Kohlekommission, die am Donnerstag zu ihrer nächsten Sitzung zusammenkommt. WWF und Lichtblick machen mit ihrem heute veröffentlichten Report „Sackgasse Kohle – Warum die Kohlenutzung keine Zukunft hat“ deutlich, warum es jetzt auf einen schnellen Ausstieg aus der Kohle ankommt.
Zuerst: der Klimaschutz. Kohle ist der Klimakiller schlechthin. Verfeuern wir weiter diesen klimaschädlichen Energieträger, wären die Folgen noch deutlich dramatischer als das, was sich diesen Sommer begonnen hat abzuzeichnen. Die Selbstverpflichtungen der Staaten zum Pariser Klimaabkommen reichen noch nicht aus, um die Erderhitzung zu stoppen. Eine Vorreitergruppe, um die Ambitionen zu steigern, wird sich nur finden, wenn die EU mitzieht. Damit Deutschland nicht Bremsklotz innerhalb der EU bleibt, muss es nach neun Jahren Stillstand endlich wieder selbst seinen Treibhausgas-Ausstoß senken. Und das geht nur mit einem schnellen und großen Schritt beim Kohleausstieg.
Die Abkehr von der Kohle schlägt sich außerdem positiv auf unsere Gesundheit nieder. Derzeit gehen weltweit 800.000 vorzeitige Todesfälle jedes Jahr auf das Konto des toxischen Gemischs, das aus den Kohleschloten kommt. In Europa sind es 23.000 vorzeitige Todesfälle. Keine Kohle ist also gut für die Gesundheit und noch dazu gut für Deutschlands Geldbeutel – und das nicht einmal nur wegen der Gesundheitskosten.
Das Umweltbundesamt beziffert die Umweltkosten insgesamt auf 120 Euro für jede in die Atmosphäre emittierte Tonne CO2. Für 2016 haben wir für die Kohleverstromung unterm Strich 46 Milliarden Euro gezahlt. Allein ohne Braunkohle ließen sich 28 Milliarden Euro jährlich an Klima- und Gesundheitskosten, staatlichen Subventionen und Vergünstigungen einsparen, hat das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) berechnet.
Damit wären wir schon beim nächsten Grund: Der Kohleausstieg hält Deutschland wettbewerbsfähig. Denn bei der Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme – vom Ausbau Erneuerbarer hin zu Innovationen bei Speichern und Batterien – würde das Festhalten an einem veralteten und kostspieligen Energieträger wie Kohle im Weg stehen. Deutschland kann seinen internationalen Ruf als Innovationsmotor und Land der Energiewende nur durch den Abschied von der Kohle wiederherstellen.
Doch die politische Debatte bestimmen derzeit die Vertreter der wenigen verbliebenen Beschäftigten der Kohleindustrie. Dabei sind es deutlich unter 20.000 Menschen, die noch direkt in der Braunkohlewirtschaft arbeiten. Doch so überschaubar die bundesweite Bedeutung der Braunkohlewirtschaft inzwischen sowohl bezogen auf die Wertschöpfung als auch die Beschäftigtenzahlen geworden ist: Der Übergang für die Beschäftigten und ihre Familien muss sozialverträglich gestaltet werden. Der Kohleausstieg darf nicht zur erneuten Abwertung ganzer Regionen führen. Der Übergang in das Energiesystem für das 21. Jahrhundert muss Hand in Hand gehen mit einem Strukturwandel für das 21. Jahrhundert.
Und ein abschließender, aber sicher nicht der letzte Grund für den nächsten Schritt in der Energiewende: Kohle spielt für die Versorgungssicherheit keine Rolle. Mit dem wachsenden Anteil Erneuerbarer im deutschen Strommix ist etwa der wichtigste Indikator für Versorgungssicherheit, der SAIDI-Wert, der die Dauer von Stromausfällen misst – entgegen den Befürchtungen der Kritiker – sogar niedriger geworden. Heißt: Mit mehr Erneuerbaren muss der Verbraucher weniger lange Stromausfälle im Jahr in Kauf nehmen. Und gerade erst mussten Kohlekraftwerke gedrosselt werden, da sie aufgrund der Hitze Probleme mit dem Kühlwasser bekamen – oder weil die Kohle über die niedrigen Flusspegel die Kraftwerke nicht mehr erreichte.
Die Regierung hat sich für 2020 das Ziel gesetzt, 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990. Noch vor einem Jahr hat die Bundeskanzlerin dieses Ziel bekräftigt, im Juli hat sie es abgeräumt. Doch es darf nicht ersatzlos fallen, spätestens zwei Jahre später muss die Regierung liefern. Der Kohleausstieg ist der Elefant im Raum. Nur durch ihn sind schnelle Einsparungen möglich. Der Weg aus der Kohle muss so beschaffen sein, dass das 40 Prozent-Reduktionsziel bis spätestens 2022 erreicht wird. Dann hätte die Klimaschutzdebatte der letzten Wochen mehr erreicht, als das Sommerloch zu füllen.