Uwe Lauber, Vorstandschef
von MAN Energy Solutions ist auch ist auch Vorsitzender des
Fachverbands VDMA Motoren und Systeme.
Herr Lauber, die Schifffahrt will bis 2050 ihre Emissionen halbieren, bereits bis 2030 soll die sich die Effizienz um 40 Prozent erhöhen. Das ist arg ehrgeizig, meinen die Reeder. Forscher sagen dagegen, das sei schon mit heute verfügbaren Technologien möglich. Was denken Sie?
Uwe Lauber: 2030 ist für die maritime Industrie quasi übermorgen. Schiffe fahren 20 bis 25 Jahre, um sich zu rentieren. Ambitioniert ist der Klimabeschluss der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO deshalb durchaus. Es stimmt aber auch, dass es die passenden Antriebstechnologien längst gibt. Es scheitert bislang aber an der Infrastruktur. Als Reeder können Sie nicht auf LNG-Schiffe setzen, so lange es nicht genügend Tankstellen dafür gibt. Daran hapert es.
Löst die IMO-Entscheidung nun einen Ansturm auf neue Antriebsarten aus?
Bei neuen Schiffen gibt es zwar immer mehr Dual-Fuel-Antriebe, die zum Beispiel mit Diesel und Gas fahren können. Aber es ist tatsächlich so, dass das erst seit rund anderthalb Jahren ein Thema ist. Das Umdenken passiert gerade erst, und die IMO-Selbstverpflichtung beschleunigt das, weil nun klar ist, wohin die Reise geht.
Wird verflüssigtes Erdgas (LNG) also Schweröl und Diesel ablösen, sobald die Infrastruktur steht?
Der Einsatz von Schweröl wird schon aufgrund der neuen Schwefelgrenzwerte enden. Andere Flüssigtreibstoffe werden sicher auch künftig noch eine Rolle spielen. Den Schwerpunkt sehen wir aber bei LNG – zumindest hier in Europa. Wenn Sie aber einen Japaner fragen, würde der „LPG“ antworten, also ‚echtes‘ Flüssiggas. Und in Indien wiederum redet die Branche von Methanol-Antrieben. Auch bei den Gasen ist also der Würfel noch nicht final geworfen. Im Moment entwickeln wir in alle Richtungen, es wäre aber für schnellere Fortschritte gut, wenn sich etwas durchsetzt.
Langfristig würde es reichen, wenn Neubauten die künftigen Klimastandards erfüllen. Müsste die Branche kurzfristig auch die bestehende Flotte – laut Schätzungen 50.000 Schiffe – modernisieren, um die Effizienzziele 2030 zu erreichen?
Teilweise auf jeden Fall. Sonst wären die 2030er Ziele kaum zu schaffen. Das ist nicht trivial: Anders als bei Neubauten, müssen Sie mit dem arbeiten, was Sie haben. Gastanks brauchen zum Beispiel mehr Platz an Bord, weil die Energiemenge im Vergleich geringer ist. Wenn das bei alten Schiffen nicht möglich ist, sinkt deren Reichweite.
Werden sich neu gebaute Schiffe verteuern wegen der modernen Motoren?
Es geht. Die heute verbauten Dieselmotoren sind oft auch auf Hightech und Effizienz getrimmt, im Vergleich nimmt sich das dann nicht viel. Reine LNG-Schiffe sind heute vielleicht zehn Prozent teurer in der Anschaffung, auch weil die Sicherheitsstandards bei Gas höher sind. Die Anschaffung fällt aber weniger ins Gewicht als der Betrieb, und da ist LNG heute noch deutlich teurer als herkömmliche Kraftstoffe.
Die Reeder sind nach zehn Jahren Schifffahrts-Krise nicht gerade in Investitionslaune.
Deshalb sind weltweit einheitliche Standards so wichtig, wie sie nur über die IMO erreicht werden können. Dann gelten für alle dieselben Spielregeln. Die höheren Kosten werden dann auf die Kunden umgelegt, ein Container von China nach Deutschland zu bringen wird dann etwas teurer. Deshalb wäre ein Flickenteppich an Vorschriften ein Problem, weil dann Unternehmen benachteiligt würden.
LNG würde die Emissionen zwar verringern, aber nicht auf null senken, was langfristig das Ziel ist.
Ja, es wäre ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer vollständigen Dekarbonisierung der Schifffahrt, die aber erst im Laufe des Jahrhunderts erreicht werden soll. Dafür werden wir synthetisches Gas brauchen. Power-to-X-Technologie entwickelt sich zwar rasant. Noch fehlt es aber an ausreichend großen Anlagen. Die sind wichtig, um Skaleneffekte zu erreichen und die Preise zu senken.
Und Strom, der kontinuierlich fließt, braucht es auch…
Speicher werden mitentscheidend sein für die maritime Energiewende. Von Batterien über thermische Speicher bis Liquid-Air-Speicher wird es einen Mix aus verschiedenen Technologien geben. Teilweise sind Hybrid-Antriebe etwa aus Elektro- und Diesel- oder Gasantrieb auch bereits im Einsatz. Dann fährt das Schiff im Hafen elektrisch und auf längeren Distanzen wird dann umgeschaltet.
Was bedeutet das alles für den Schiffbau-Standort Deutschland?
Je komplizierter die Technologie, desto besser für uns. Einfache Massengut-Frachter, die quasi nur aus einer Hülle mit eingebautem Motor bestehen, aber auch Containerschiffe werden längst alle in China gefertigt. Aber schon bei LNG und Elektro-Schiffen spielen dann wieder Japan und Südkorea mit, und auch wir. Für die maritime Zulieferindustrie, die von der Küste bis in den tiefen Süden Deutschlands reicht, ist die Entwicklung also eine gute Nachricht. Interview: Felix Wadewitz