Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vor kurzem verkündet, dass er nur noch fünf Minuten pro Tag duscht. Das hat natürlich einen ernsten Hintergrund: Die Bundesregierung sorgt sich um Deutschlands Energieversorgung, insbesondere im kommenden Winter. „Es geht in erster Linie darum, […] genau zu schauen: Wo kann ich noch etwas einsparen?“, fasste Habeck die Energiesparkampagne seines Ministeriums zusammen.
Doch während die Sparsamkeits-Botschaft des Ministers deutlich ankommt und in diesen Tagen immer häufiger und deutlicher von Regierung und Bundesnetzagentur vorgebracht wird, vernachlässigt sein Haus leider völlig, an einer zweiten Stellschraube zu drehen: Energie lässt sich nicht nur einsparen, sondern auch deutlich effizienter nutzen, als wir das in Deutschland bisher tun. Der Schlüssel dazu: die Digitalisierung der Stromnetze. Eine Schlüsselrolle tragen dabei die intelligenten Messsysteme, die so genannten Smart Meter, die regelmäßig den Stromverbrauch in Privathaushalten an die Messstellenbetreiber melden.
Fossile Energie sparen durch effizientere Stromnutzung
Das Stromangebot, insbesondere aus erneuerbaren Energien, schwankt in Deutschland ständig. Diese Dynamik spiegelt sich auch in den Preisen wider, die die Versorger zahlen, wenn sie Strom für ihre Kund:innen einkaufen. Ist das Angebot an grünem Strom groß, sinken die Preise. Müssen konventionelle Kraftwerke einspringen, steigen sie.
Smart Meter ermöglichen erstmals Tarife, in denen der Stromverbrauch stundenweise abgerechnet wird – und damit die Preisdynamik der europäischen Energiebörse EEX und des Epex-Spotmarkts an Endverbraucher:innen weitergeben können. Das schafft starke Anreize, zum Beispiel das neue E-Auto gezielt zu laden, wenn viel grüner – und damit günstiger – Strom im Angebot ist.
Der Nutzen ist dreifach: Die Netze werden weniger belastet, die Nachfrage nach fossiler Energie sinkt und die Stromrechnung wird kleiner. Gerade die teuren Spitzenlasten, wenn leicht regelbare Gaskraftwerke einspringen müssen, werden so vermieden.
Noch immer zu viele Hürden beim Smart-Meter-Einbau
Doch während zum Beispiel in den Niederlanden und Norwegen nahezu alle Haushalte schon mit einem Smart Meter ausgerüstet sind, sind es in Deutschland höchstens ein paar Prozent. Obwohl der Gesetzgeber auch hierzulande den Rollout verordnet hat, stockt der Einbau. Zwar ist in Deutschland geregelt, wie viele und welche Stromzähler in welchem Zeitraum ausgetauscht werden müssen und wie viel das maximal kosten darf – es gibt aber weder Strafen, falls diese Vorgaben nicht erfüllt werden, noch einen Leitfaden, der den knapp 900 dafür zuständigen Messstellenbetreibern dabei helfen könnte, den Austausch zu organisieren.
Hinzu kommen teils unnötige bürokratische Anforderungen, wie der vom Gesetz verordnete, gesicherte Transport der Geräte, die anschließend meist ungeschützt im Keller aufgehängt werden.
Die Anforderungen sind noch nicht einmal verlässlich. Die Allgemeinverfügung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), in der die Vorgaben definiert werden, stand seit ihrer Einführung immer wieder in Frage. Nachdem sie 2020 erlassen wurde, stoppte sie ein Gericht 2021, bevor das BSI sie 2022 ganz zurückzog und durch eine Übergangsregelung ersetzte.
In der Praxis führt das dazu, dass viele der eigentlich zuständigen Messstellenbetreiber weiterhin abwarten. Insbesondere die kleineren Betreiber haben weder das Personal, um sich mit den komplizierten Regelungen zu befassen, noch genügend Expert:innen, die den regulatorisch anspruchsvollen Einbau übernehmen könnten. Auch die größeren Anbieter, die den Rollout selbst wollen, haben dafür oftmals nicht genügend Daten. Denn Messstellenbetreiberbetreiber haben nur selten Kundenkontakt. Die meisten Stromkund:innen wissen nicht einmal, wer ihr zuständiger Messstellenbetreiberbetreiber ist. Umgekehrt wissen diese auch nicht, welche ihrer Kund:innen überhaupt Interesse an einem Smart Meter haben.
Wann kommt das Recht auf Smart Meter?
Wie kann es trotzdem gelingen, die Zahl der Smart Meter in Deutschland noch in diesem Sommer deutlich zu steigern? Dazu brauchen wir nun vor allem zwei Dinge: Pragmatismus bei den bürokratischen Regelungen und klare Vorgaben, wie viele Haushalte bis zum Jahresende ausgestattet sein müssen – und das mit klaren Konsequenzen, falls dieses Ziel nicht erreicht wird. Der Gesetzgeber könnte ein bundeseinheitliches Recht auf Smart Meter einführen – unabhängig vom Stromverbrauch und gedeckelten Kosten. Im besten Fall würden Messstellenbetreiber verpflichtet werden, die Messsysteme auf Wunsch der Kundinnen und Kunden einzubauen
Gleichzeitig sollten die Vorgaben für die Geräte selbst gelockert werden. Es wäre zum Beispiel ohne weiteres möglich, dass die Smart Meter Gateways sich – wie in allen anderen EU-Ländern – darauf beschränken, regelmäßig den aktuellen Stromverbrauch zu melden. In Deutschland sollen sie aber darüber hinaus auch noch in der Lage sein, Stromverbraucher und -erzeuger zentral zu steuern. Im Klartext bedeutet das: Das Messsystem soll koordinieren können, wie das neue Model 3 aufgeladen wird – obwohl das doch längst die Tesla-App erledigt. Eine Regulierung vollkommen an der Realität vorbei.
Auch die Stromlieferanten könnten bei der Transformation unterstützen, da sie oft bessere Daten haben als die Messstellenbetreiber und den direkten Zugang zu ihren Kundinnen und Kunden. Sie könnten abfragen, welche ihrer Kund:innen einen Smart Meter haben wollen und ihnen die Vorteile in Kombination mit einem dynamischen Tarif erklären, bei dem sie von den stündlichen Schwankungen des Strompreises profitieren. Angesichts der Energiekrise wird es höchste Zeit, nicht nur Energie zu sparen, sondern sie gezielt vor allem dann zu nutzen, wenn sie gerade grün, günstig und im Überfluss vorhanden ist.
Marion Nöldgen ist Deutschlandchefin des digitalen Ökostromanbieters Tibber, der Tarife anbietet, die sich zuzüglich eines monatlichen fixen Aufschlags und sonstiger Abgaben & Kosten am Spotmarktpreis orientieren.