Standpunkte Echte Fortschritte statt Symbolpolitik

Foto: BMWK

In seinem Standpunkt plädiert Thomas Bareiß für realistische Treibhausgasminderungsziele und Technologieoffenheit für mehr Klimaschutz.

von Thomas Bareiß

veröffentlicht am 12.10.2017

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Nun erwecken einige den Eindruck, dass schon alles gut werde, wenn man den Verbrennungsmotor abschaffe, Kohle-Kraftwerke abschalte und zusätzliche Windräder aufstelle. Frau Hendricks hat ernsthaft den Vorschlag gemacht, man solle mehr Lastenfahrräder einsetzen. Andere tun so, als sei 2050 noch weit weg. Mit solchen Überlegungen wird man den wirklichen Herausforderungen nicht gerecht. Tatsächlich brauchen wir nicht weniger als eine Innovationsrevolution in der europäischen Industrie-Landschaft, wollen wir das Klima wirksam schützen und unseren Wohlstand wahren.


Die nächsten Jahre sind dafür entscheidend. Denn Investitionen in neue Produktionstechnik, Energie-Erzeugung und Verkehrsinfrastruktur haben oft eine Laufzeit von mehreren Jahrzehnten. Damit kommt der nächsten Investitionsrunde eine große Bedeutung für die Erreichung unseres Klimaziels 2050 zu. Vorher muss sich Politik auf den richtigen Rahmen verständigen und langfristig Planungssicherheit schaffen. Das Thema wird eine der Kernfragen von „Jamaika“. Ich halte dabei folgende vier Punkte für wesentlich.


Vier Kernpunkte für Jamaika


Ehrlichkeit, Wissenschaftlichkeit und möglichst geringe Kosten: Die Bundesregierung hat in einem Klimaschutzplan von 2016 Treibhausgas-Minderungsziele für einzelne Sektoren formuliert – von Energie, über Gebäude und Industrie bis hin zu Verkehr und Landwirtschaft. Diese Ziele kommen 2018 auf den Prüfstand. Zugleich wird es um die Frage gehen, welche weiteren Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen angezeigt sind. Klar ist: All das hat eine erhebliche Reichweite. Umso wichtiger ist es, dass wir offen, ehrlich und wissenschaftlich absolut fundiert agieren. Wir brauchen realistische Treibhausgasminderungsmöglichkeiten und realistische Preisschilder. Nur so garantieren wir maximalen Klimaschutz zu minimalen Kosten.


Technologie- und Innovationsoffenheit: Am Ende kommt es auch auf solche Technologien an, die wir heute erst in Umrissen erkennen. Wer hätte beim Anblick erster PCs und Mobiltelefone die dramatischen digitalen Innovationssprünge antizipiert? Diese Innovationen waren aber nur mit den Kreativkräften von Markt und Wettbewerb möglich. Für die weitere Klimaschutzpolitik heißt das: Wir müssen einen konsequenten CO2-Minderungskurs mit genügend Raum für Innovationen und Kreativität verbinden. Die Politik muss Ziele vorgeben, sich aber bei Technologie-Vorgaben zurückhalten. Daher sind zum Beispiel politische Quoten für E-Mobile zum Beispiel nicht der richtige Weg. Denn auch Verbrennungsmotoren, Brennstoffzellen und synthetische Kraftstoffe eröffnen noch erhebliche CO2-Minderungschancen. Wenn wir die Menschheits-Herausforderung Klimaschutz meistern wollen, dürfen wir uns keine Denk- und Technologieverbote auferlegen. Speichertechnologien sowie Car-Sharing und Mobilitäts-Konzepte gehören hierzu ebenso, wie Forschung in kontroversen Bereichen wie dem Geo-Engineering, Bio-Tech und grüner Gentechnik.


Gemeinsame europäische und internationale Anstrengungen: Deutschland ist für rund zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich – Tendenz fallend. Daher sind nicht nationale Klimaziele entscheidend, sondern europäische, internationale und globale Vereinbarungen. Wesentliche Richtschnur muss für uns die Umsetzung der Ergebnisse der Klima-Konferenz von Paris sein. Die europäischen Klimaziele sind damit im Einklang. Für 2020 sehen sie für die Mitgliedstaaten eine Treibhausgasminderung von 20 Prozent vor. Deutschland wird dieses EU-Ziel erreichen. Deutschland wird dieses EU-Ziel erreichen. Gleichwohl müssen wir in unserer Klimapolitik noch europäischer und internationaler werden. Der europäische Emissionshandel muss als Leitinstrument gestärkt werden, deutsche Maßnahmen dürfen ihn nicht unterlaufen. Ein „Verbot“ deutscher Kohlekraftwerke bringt für Umwelt und Klima nichts, wenn wir stattdessen in einem europäischen Energiebinnenmarkt Kohle- und Kernkraftstrom aus Nachbarländern importieren. Neben der EU müssen wir stärker auf gemeinsame Anstrengungen im Rahmen der G20, also der zwanzig wichtigsten Industrieländer, setzen. Denn die sind für rund 75 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und hier können Vereinbarungen getroffen werden, die zugleich Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten unserer Industrie vermeiden.


Konsens und Freiwilligkeit statt Dauerkonflikt: Klimaschutz bei Wohlstandssicherung ist eine Mammutaufgabe, die wir nur in einer breiten gemeinsamen Kraftanstrengung von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft schaffen. Mit Zwangseingriffen und Rechtsstreitigkeiten wird das nicht gelingen. Hier eine gemeinsame Vereinbarung über den weiteren Weg bis 2050 zu finden ist eine große Aufgabe, aber auch eine große Chance für „Jamaika“. Ich plädiere daher konkret für einen umfassend angelegt Dialogprozess mit Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft im nächsten Jahr an dessen Ende dann eine verlässliche Klimaschutz-Strategie für die nächsten Jahre steht.

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