Standpunkte Ein Konzern kann nicht Taktgeber der Energiepolitik eines Landes sein

Warum Brandenburg in der Klimaschutzpflicht ist und die Brandenburg-Linken an ambitionierten Zielen festhalten sollten, erklärt Eva Bulling-Schröter in ihrem Standpunkt.

von Eva Bulling-Schröter

veröffentlicht am 21.08.2017

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Zunächst sollten umweltbewegte Kritiker fairerweise anerkennen, dass Brandenburg bundesweit einen Spitzenplatz bei der Erzeugung erneuerbarer Energien einnimmt. Auch angesichts einer wachsenden Zahl von Anti-Windkraftinitiativen zeugt das von Standvermögen im Sinne der Energiewende. Zudem droht aus Sicht vieler Menschen in den Kohlerevieren mit dem Wandel eine zweite De-Industrialisierungswelle. Gerade für Parteien wie SPD und Linke ein Problem, das nicht ernst genug genommen werden kann.


Dennoch ist mir unverständlich, warum meine Genossen in Brandenburg gegenüber der SPD nicht die bestehenden ambitionierten Minderungsziele des Koalitionsvertrags verteidigen. Denn das Revierkonzept eines Konzerns ist schließlich nicht gottgegeben, es kann nicht Taktgeber für die Energiepolitik einer Landesregierung sein. Schon gar nicht angesichts des galoppierenden Klimawandels, der im Übrigen auch hauptverantwortlich für die Vernichtung großer Teile der diesjährigen ersoffenen Ernte in Brandenburg sein dürfte.


Uraltmeiler muss vom Netz


Ist ein Kraftwerksbetreiber nicht in der Lage, seine CO2-Emissionen im Rahmen der politisch vorgegeben Ziele zu begrenzen, muss das Konsequenzen für den Betrieb der Anlagen haben. Natürlich kann Potsdam nach Rechtslage das Kraftwerk Jänschwalde nicht einfach so dicht machen. Hier ist vielmehr die Bundesebene und ein konsequentes Ausstiegssignal gefragt. Absehbar ist aber, dass nach der Bundestagswahl eine neue Regierung wirksame Schritte unternehmen wird, um wenigstens die ältesten Kohle-Blöcke zügig vom Netz zu nehmen. Dafür spricht nicht nur, dass Deutschland ansonsten sämtliche nationale Klimaschutzziele meilenweit reißt. Dafür sprechen auch die seit Jahren anwachsenden nationalen Stromüberschüsse, welche die Stromkonzerne gewinnbringend in die Nachbarländer verkaufen und die Netze belasten, die für Ökostrom gebraucht würden. Angesichts der Tatsache, dass Jänschwalde nicht nur zu den vier CO2-emissionsstärksten Kraftwerken Europas gehört, sondern auf der Liste der „gesundheitsschädlichsten Kohlekraftwerke Deutschlands“ gar auf Platz eins rangiert, dürfte klar sein, wohin die Reise für die Uraltmeiler geht.


Umso seltsamer das Gebaren in Potsdam. Anstatt sich auf die neue Entwicklung einzustellen, die just auch aus Europa in Form von strengeren Quecksilber- und Stickoxid-Grenzwerten für Kraftwerke durchbricht, wird die alte Welt verteidigt. Gegen die neue EU-Gesetzgebung soll Wirtschaftsministerin Zypris nach dem Willen der Braunkohleländer sogar klagen. Das alles ist ein Trauerspiel, ein falsches Signal für Beschäftigte und Regionen.


Brandenburg ist in der Pflicht


Überdies ignoriert der relativierende Verweis Brandenburgs auf zukünftigen Klimaschutz „zumindest im Bundesdurchschnitt“ die Mechanik der gesamtstaatlichen Zielstellungen: In denen ist natürlich eingepreist, dass die besonders emissionsstarken Braunkohleländer deutlich mehr CO2-Minderungen bringen müssen als andere Bundesländer. Denn der „Brennstoffwechsel“ von Braunkohle zu Sonne und Wind spart im besonders relevanten Stromsektor hohe Mengen CO2 ein. Beim Wechsel von Atomstrom zu Erneuerbaren oder Gas ist das unmöglich. Diese Mechanik wurde schon seinerzeit von Rot-Grün im Braunkohleland NRW missachtet, wo das 2020-Minderungsziel sogar 15 Prozent unter dem Bundesziel festgesetzt wurde. So schlimm kommt es in Brandenburg zwar nicht, aber das bundesweite CO2-Ziel wird nun auch aus der Lausitz gefährdet.


Nicht zuletzt: Die Entwicklung in den Kohleländern wird aus Berlin getriggert. Die Bundesregierung hat sich wegen der anstehenden Bundestagswahl stur geweigert, einen schrittweisen Kohleausstieg einzuleiten und sozial- sowie strukturpolitisch ernsthaft zu begleiten. Ex-Wirtschaftsminister Gabriel wollte über einem möglichen Ausstiegspfad erst irgendwann in den zwanziger Jahren reden. Im Klimaschutzplan 2050 wird das Thema „Einstieg in den Ausstieg“ komplett umgangen. Von den homöopathischen Dosen, die an Bundesmitteln für den Strukturwandel in den Kohlerevieren bereitgestellt werden, ist bislang so gut wie nichts ausgezahlt worden. Weil Berlin es sich nicht mit RWE, Vattenfall, Leag und Co. verscherzen will, lässt es die die Kohleländer allein im Regen stehen lassen – und so auch die Kumpels mit ihren Familien. Kein Wunder, dass jene Bundesländer, die unmittelbar mit den Folgen des dennoch unausweichlichen Kohleausstiegs umgehen müssen, nun zögern.


Die Linke auf Bundesebene fordert, den Kohleausstieg unverzüglich zu beginnen und den letzten Meiler spätestens 2035 abzuschalten. Ein Kernbestandteil eines Ausstiegsgesetzes müssen ein Strukturwandelfonds in Höhe von 250 Millionen Euro jährlich für die betroffenen Reviere sowie großzügige Umschulungs- und Vorruhestandsregeln sein. Das alles wird nicht alle Probleme lösen. Aber abwarten und die Augen verschließen wird noch teurer werden – für die betroffenen Menschen in der Lausitz genauso wie für den Kampf gegen den Klimawandel.


Eva Bulling-Schröter ist energie- und klimapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke und ehemalige Vorsitzendes des Umweltausschusses des Bundestages.

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