Standpunkte Ein Preis für die Tonne CO2

Franz Untersteller, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
Franz Untersteller, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg Foto: promo

Schon ein CO2-Preis von 20 bis 25 Euro würde zu einer deutlichen Reduktion der Emissionen führen. Kombiniert mit der Stilllegung von einigen älteren Braunkohlekraftwerken wäre das ein signifikanter Schritt, um die Klimaziele zu erreichen. Damit die schmutzigsten, aber auch billigen Braunkohlekraftwerke unwirtschaftlich werden, wäre ein CO2-Preis von etwa 35 Euro nötig.

von Franz Untersteller

veröffentlicht am 11.12.2018

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Preise sind ein effizienter Mechanismus in der Marktwirtschaft. Preise können steuern. Preise senden Signale. Saubere Energieträger sind relativ teuer, schmutzige Energieträger relativ billig. Wenn man aber will, dass Menschen ein Gut weniger nutzen, muss man es teuer machen. Wenn man will, dass Menschen in etwas Bestimmtes investieren, ist es sinnvoll, ihr Investitionsrisiko zu verringern.

Wir können es uns angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht mehr leisten, dass schmutzige Energie weiterhin billiger ist als saubere Energie. Wir wollen mit der Energiewende die Emissionen von klimaschädlichen Gasen vermindern und gleichzeitig den Anreiz für klimafreundliche Investitionen schaffen. Das geeignete Instrument dafür ist der CO2-Mindestpreis.

Wenn es uns gelingt, die Energiepreise an der Klimaschädlichkeit der eingesetzten Energieträger auszurichten, erhalten wir die notwendigen Preissignale für den verstärkten Einsatz sauberer Energien und Technologien. Schmutzig finanziert sauber, die alte Welt finanziert die neue Welt. 

Das energiepolitische Megathema ist derzeit der Ausstieg aus der Kohleverstromung. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission mit dem Titel „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ klingt eher nach wirtschaftspolitischem Schwarzbrot als nach energiewirtschaftlichem Feingebäck. Dabei beschreibt der Arbeitsauftrag dieser Kommission eines der wichtigsten Vorhaben dieser Legislaturperiode, mit Folgen weit darüber hinaus. Denn es geht um die Frage, ob wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz und der Energiewende. Es geht um den Ausstieg aus der Kohle in Deutschland. Ende des Jahres sollte die Kommission eigentlich eine Entscheidung verkünden, nun müssen wir wohl bis zum neuen Jahr warten. Der Ausstieg aus der Kohle, die Dekarbonisierung des Stromsektors, ist die entscheidende Voraussetzung dafür, von den hohen Emissionen der anderen Sektoren durch den Einsatz sauberen Stroms runterzukommen.

Braunkohle emittiert soviel CO2 wie der gesamte Verkehr

Es geht auch um Versorgungssicherheit und letztlich um einen gesellschaftlichen Konsens, der die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Regionen und der dort lebenden Menschen angemessen berücksichtigen muss. Das ist mir als Umwelt- und Energieminister eines wirtschaftsstarken Landes sehr wohl bewusst. 

Zugleich geht es darum, wie wir unsere international verbindlich vereinbarten Klimaziele einhalten können. Und dafür müssen wir die Kohlestromerzeugung reduzieren und letztlich aus der Kohle aussteigen. 

Die Kohlestromproduktion befindet sich derzeit auf einem hohen Niveau und hat sich seit dem Jahr 2000 kaum verändert. Etwa 80 Prozent der CO2-Emissionen im deutschen Stromsektor entstehen aus der Verbrennung von Braun- und Steinkohle. Allein die Treibhausgas-Emissionen aus der Braunkohleverstromung entsprechen etwa denen des gesamten Verkehrssektors.

Aus diesen Fakten lassen sich zwei Dinge schließen: Erstens ist es nahezu ausgeschlossen, dass wir mit dem derzeitigen Niveau an Kohlestromerzeugung die Klimaziele erreichen, trotz des stetigen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Zweitens muss die Energiewirtschaft ihren Beitrag leisten, denn die Minderungspotenziale im Strombereich sind relativ einfach umzusetzen.

Wie kann also ein Kohleausstieg effektiv organisiert werden? 

Derzeit verhandelt die Kohlekommission darüber, in welcher Reihenfolge die Kohlekraftwerke vom Netz gehen, was erhebliches politisches Risiko birgt. Ich frage mich, warum wir bei der Frage, wie wir unsere Klimaschutzziele erreichen, nicht stärker unserer wirtschaftlichen Grundordnung vertrauen, der Marktwirtschaft. Wir haben eigentlich ein kluges Marktinstrument, mit dem eine gewünschte CO2-Minderung zu den niedrigsten Kosten erreicht werden kann: den europäischen Emissionshandel (ETS). Der ETS leidet allerdings an den Überschüssen an Zertifikaten und wird zumindest kurz- und mittelfristig keinen spürbaren Effekt haben. Der CO2-Preis bleibt aller Voraussicht nach mindestens bis Mitte der 2020er Jahre zu niedrig, um einen wirklichen Anreiz zur CO2-Minderung zu bieten. Kurzzeitige Ausschläge des ETS-Preises nach oben haben keine ausreichende Wirkung, da der Energiesektor verlässliche und belastbare Planungsgrundlagen braucht. Der europäische Emissionshandel in seiner jetzigen Form wird uns also mittelfristig noch nicht helfen.

Wir brauchen deshalb als Ergänzung zum ETS eine Koalition der Willigen für einen zumindest regional vereinbarten CO2-Mindestpreis im Stromsektor. Die Vermeidung des klimaschädlichen CO2 würde einen wirtschaftlichen Wert erhalten und wir hätten ein sinnvolles Instrument, um den Kohleausstieg zu unterstützen. Zugleich würden Anreize für den sparsameren Umgang mit Energie geschaffen. 

Schon ein CO2-Preis von 20 bis 25 Euro würde zu einer deutlichen Reduktion der Emissionen führen. Kombiniert mit der Stilllegung von einigen älteren Braunkohlekraftwerken wäre das ein signifikanter Schritt, um die Klimaziele zu erreichen. Damit die schmutzigsten, aber auch billigen Braunkohlekraftwerke unwirtschaftlich werden, wäre ein CO2-Preis von etwa 35 Euro nötig. Im Zeitverlauf könnte der CO2-Preis – ähnlich wie in den Niederlanden geplant –  jährlich um zwei Euro pro Tonne weiter steigen.

Beim Strom liegt der implizite CO2-Preis bei 180 Euro je Tonne

Ein Blick nach Großbritannien zeigt, dass ein Mindestpreis funktioniert. Der beträgt etwa 20 Euro pro Tonne CO2 mit der Folge, dass Gas anstelle von Kohle stärker in den Markt gekommen ist. Idealerweise wird der Mindestpreis aufgrund von Knappheit im ETS mittel- bis langfristig nicht mehr benötigt. Gleichzeitig muss kontinuierlich geprüft werden, inwieweit durch die Abschaltung von gesicherter Leistung zum Beispiel die Reserven aufgestockt werden müssen. Schließlich wollen wir keine Abstriche bei der Versorgungssicherheit machen. Das alles lässt sich organisieren und vor allem über einen CO2-Preis finanzieren.

Neben dem ETS-Bereich sind wir Verpflichtungen in Sektoren eingegangen, die nicht dem europäischen Emissionshandel unterliegen. Die Bundesrepublik Deutschland hat der sogenannten „Effort-Sharing Regulation“ der EU zugestimmt. Die verpflichtet uns, insbesondere in den Bereichen Verkehr und Wärme gravierende Emissionseinsparungen zu erzielen. Bislang ist schmutzige Energie auch in diesen Sektoren im Vorteil. 

Derzeit beträgt der Ökosteueranteil bei Benzin und Diesel rund 60 Euro pro Tonne CO2, bei Heizöl liegt der Anteil bei nicht einmal zehn Euro pro Tonne CO2. Der implizite CO2-Preis, der sich beim Strom durch Stromsteuer, EEG-Umlage, KWKG-Umlage und ETS ergibt, beträgt derzeit pro Tonne etwa 180 Euro. Dass wir eine deutliche Entlastung des Strompreises um die staatlich induzierten Preisbestandteile wie EEG-Umlage und Stromsteuer brauchen, ist offensichtlich. Durch eine geeignete CO2-Bepreisung kann diese Entlastung finanziert werden. So schaffen wir das erforderliche level playing field, also das Spiel nach gleichen Regeln. 

Sozialer Ausgleich durch eine umfassende Steuerreform

Eine Umverteilung der Kosten hin zu schmutzigen alten Technologien bei einer Entlastung von sauberen Anwendungen hat allerdings auch eine soziale Komponente. Nicht jeder kann sich beim derzeitigen Preisniveau die Elektromobilität, eine sparsame Heizung oder eine umfassende Gebäudedämmung leisten – dennoch führt aus Klimaschutzsicht kein Weg daran vorbei. Diese Komponente muss mitdiskutiert werden – die Reform der Energiepreise, die eine Reform der Steuern und Abgaben auf Energie sein wird, muss eingebettet sein in eine umfassende Steuerreform, die sozialen Härten entgegenwirkt. Den Anstoß für eine ernsthafte und vor allem zielgerichtete Debatte um einen umfassenden CO2-Preis müssen wir aber zügig setzen. Instrumente für die Abbildung der CO2-Intensität im Strompreis gibt es verschiedene. So könnte die Stromsteuer abhängig vom CO2-Gehalt des eingesetzten Primärenergieträgers festgelegt werden. 

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat mehrfach betont, gemeinsam mit Deutschland zusammenarbeiten zu wollen, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Die Niederlande, Schweden, Großbritannien und kürzlich auch Österreich unterstützen diese Initiative. Der Bundestag und die französische Nationalversammlung wiederum haben die Bundesregierung und die französische Regierung aufgefordert, beim Klimaschutz zusammenzuarbeiten und insbesondere einen CO2-Preis vorzuschlagen. Wir haben also viele Partner für eine Initiative für einen effektiven CO2-Preis – und hätten dann ein marktwirtschaftliches Instrument, um den Kohleausstieg zu organisieren und die Emissionen bei der Nutzung von Energie mit einem einfach nachvollziehbaren Ansatz in relevantem Maßstab zu senken.

Die Tonne braucht einen Preis.

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