Klarer hätte die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrer Studie „Net Zero by 2050“ gar nicht sein können: Um die globalen Klimaziele zu erreichen und um auf einen 1,5-Grad-Pfad zu kommen, dürfen ab sofort keine weiteren Erdgasfelder entwickelt werden. Im Gebäudebereich dürfen ab 2025 keine fossilen Gasheizungen mehr eingebaut werden.
Mit anderen Worten: Wir stehen kurz vor „Peak Gas“. Aus klimawissenschaftlicher Perspektive ist dies keine Überraschung. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch die energiepolitisch eher konservative IEA nun Erdgas als das behandelt, was es ist: Als fossilen Energieträger, der Teil des Problems ist und dessen Nutzung die Klimakrise weiter anheizt.
Der IEA geht es dabei nicht nur um den Ausstieg aus Erdgas. Es geht ihr auch darum, dass die Branche für die verbleibende Dauer der Erdgasnutzung möglichst schnell die extrem klimaschädlichen Methanemissionen reduziert. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas und ein hochpotentes Klimagas – über 20 Jahre ist es 87 Mal so klimaschädlich wie CO2. Die IEA sagt, dass die direkten Methanemissionen von 2020 bis 2030 um 75 Prozent fallen müssen.
Klar, dass all dies in der betroffenen Branche nicht auf Begeisterung stößt. Sie versucht deshalb, genehme Botschaften aus der IEA-Studie herauszufiltern und wesentliche Ergebnisse umzudeuten. Exemplarisch steht dafür die Behauptung von Zukunft Gas und Timm Kehler, dass die IEA tatsächlich gar keinen Verkaufsstopp von fossilen Gas-Heizungen fordern würde. Schauen wir uns das in der Folge doch einmal genauer an.
Studie lässt wenig Raum für Interpretation
Tatsächlich heißt es in der Zusammenfassung der Studie wörtlich: „In buildings, bans on new fossil fuel boilers need to start being introduced globally in 2025, driving up sales of electric heat pumps.” Das lässt wenig Spielraum für Interpretation. Auch die Deutsche Umwelthilfe fordert bereits seit langem ein Verbot für den Einbau neuer Gasheizungen ab 2025. Mit der Wärmepumpe ist auch eine alternative Technologie verfügbar.
Natürlich steht diese Forderung von IEA und Deutscher Umwelthilfe nicht im luftleeren Raum. Dies macht die Langfassung der IEA-Studie deutlich. Neben der Elektrifizierung über den Einsatz der Wärmepumpe wird als zweite wichtige Strategie die Erhöhung der Energieeffizienz und die Anhebung von Sanierungsraten angesprochen. Hier trifft die IEA den Nagel auf den Kopf, sie entwickelt detaillierte Vorschläge, auf welchem Pfad der Gebäudebestand für den Klimaschutz ertüchtigt werden muss.
In ihrer Langfassung geht die IEA deshalb davon aus, dass die Verkäufe von Gasheizungen bis 2030 um 40 Prozent zurückgehen, bis 2050 sogar um 90 Prozent. Die Wärmepumpe wird nach Prognose der IEA die dominierende Technologie zur Erzeugung von Gebäudewärme.
Richtig ist, dass auch bei diesen dramatischen Verkaufseinbrüchen immer noch Gasheizungen bleiben werden. Aber: Ihr Marktanteil wird immer geringer, 2050 müsste man sie in der Darstellung der IEA regelrecht mit der Lupe suchen (siehe Grafik 3.29 auf Seite 145). Dabei ist dies die globale Perspektive. Für Deutschland liegt der Anspruch dagegen höher, seit Vorlage des neuen Klimaschutzgesetzes ist klar, dass es spätestens 2045 keine Erdgasheizungen geben darf.
Und ja: Für diese dann noch im Markt übrig gebliebenen Gasheizungen geht auch die IEA davon aus, dass sie mit klimaneutralen Gasen betrieben werden. Dabei geht die IEA aber nicht auf die Mengen ein, sondern nur auf den Anteil klimaneutraler Gase für die übrig gebliebenen Gasheizungen. Auf die Art des Gases legt sich die IEA nicht fest, nur darauf, dass der Anteil von Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen und/oder Biogas dann auf 75 Prozent der verbleibenden Gasmengen steigen soll. Selbstverständlich fordert die IEA, dass diese Gasheizungen dann auch „H2-ready“ sind.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die IEA rechnet für 2050 nur noch mit einem verschwindend geringen Anteil von Gasheizungen, und diese wenigen Heizungen werden dann überwiegend mit klimaneutralen Gasen beliefert.
Dies wird in dem Beitrag von Herrn Kehler jedoch nicht deutlich. Dort erweckt der Vorstand von Zukunft Gas vielmehr den Eindruck, als würde die IEA vor allem auf Wasserstoff und Biogas für Gebäudewärme setzen. Zitat: „Gleichzeitig rechnet die Organisation [die IEA] mit einem starken Anstieg bei Geräten, die H2-ready sind oder mit Biogas betrieben werden.“
Verbot neuer Gasheizungen wäre ein Meilenstein
Eine wichtige Schlussfolgerung aus dem Szenario der IEA ist dagegen, dass der Anteil von Gasheizungen sinken wird und für die Klimaziele auch sinken muss. Dafür ist es entscheidend, dass keine weiteren Pfadabhängigkeiten geschaffen werden. Sprich: Es dürfen keine weiteren Gasheizungen eingebaut werden. Das ist die Begründung für die Forderung der IEA, ab 2025 neue Gasheizungen zu verbieten.
Ein Verbot neuer Gasheizungen ist für die Deutsche Umwelthilfe ein entscheidender Meilenstein, um einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Das Versprechen „H2-ready“ beziehungsweise die künftige Lieferung klimaneutraler Gase ist heute nicht mehr als ein leeres Versprechen. Es ist völlig unklar, wie die erforderlichen Mengen gedeckt werden sollen, zudem sind wichtige technische Fragen nicht geklärt. Dagegen dienen diese Heizungen erst einmal einem weiteren Absatz von fossilem Erdgas – und die unklare Perspektive einer Lieferung von klimaneutralem Gas wird von der Wohnungswirtschaft häufig vorgeschoben, um notwendige Sanierungsmaßnahmen hinauszuzögern.
Und auch aus Sicht des Verbraucherschutzes muss der Einbau neuer Gasheizungen gestoppt werden: Werden mit der falschen Perspektive der Verfügbarkeit klimaneutraler Gase Sanierungsmaßnahmen verschleppt, bleiben die Nutzer auf einem hohen Energieverbrauch sitzen. Diesen dann mit grünem Wasserstoff zu decken, für dessen Nutzung auch noch das Erdgasnetz ertüchtigt werden muss, wird für die Verbraucher teuer werden.
Die Schlussfolgerungen der IEA sind deshalb völlig richtig: Energieeffizienz und Wärmepumpen sind im Gebäudesektor die Technologien der Wahl. Sie müssen politisch unterstützt werden und faire Rahmenbedingungen erhalten. Die Förderung von Gasheizungen muss eingestellt, ihr Einbau ab 2025 verboten werden.
Für die Branche ist dies eine schmerzliche Entwicklung, dies muss man anerkennen. Es macht aber keinen Sinn, eine energiewirtschaftlich ungeeignete, klimapolitisch kontraproduktive und verbraucherpolitisch schädliche Option länger als nötig am Leben zu halten. Je früher die Branche dies selber erkennt, desto besser wird sie in der Lage sein umzusteuern und ihre Geschäftsmodelle an die Anforderungen des Klimaschutzes anzupassen.
Der
Standpunkt von Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbandes
Zukunft Gas, kann hier
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