Die Energiewende ist eine Mammutaufgabe. Umso wichtiger ist es, dass ihre einzelnen Bestandteile aufeinander einzahlen, statt sich zu blockieren. Betrachtet man drei der veröffentlichten Strategien des Wirtschaftsministeriums – die Systementwicklungsstrategie, die Stromspeicher- sowie die Kraftwerksstrategie, so entsteht der Eindruck, dass diese nicht aufeinander aufbauen, sondern einem Silo-Denken entstammen. Im Ergebnis wird das Potenzial von Großbatteriespeichern nicht hinreichend berücksichtigt.
Dabei spielen Großbatteriespeicher eine tragende Rolle für die Energiewende. Sie gleichen Schwankungen im Netz aus, beugen Überlastungen vor und dienen dazu, volatile Erneuerbare bestmöglich zu nutzen. So können sie insgesamt eine senkende Wirkung auf den Großhandelspreis haben und die Preisvolatilität verringern. Zudem senken sie den Bedarf an steuerbaren Erzeugern wie Gaskraftwerken und tragen zur Versorgungssicherheit bei.
In Deutschland sind derzeit Batteriegroßspeicherkapazitäten von 1,5 Gigawattstunden installiert (Stand Januar 2024). Internationalen Trends nach wird sich das Speichervolumen in den kommenden Jahren vervielfachen. Die Kapazität von Großbatterien soll laut eine Studie von Frontier Economics allein bis 2030 auf 15 GW/57 GWh ansteigen. Bis 2050 können Batteriespeicher einen volkswirtschaftlichen Nutzen von mindestens zwölf Milliarden Euro generieren.´
Stromspeicherstrategie bleibt unkonkret
Grund genug, dass das Wirtschaftsministerium diese in die verschiedenen Strategien besser einbindet. Doch daran hakt es. Es fängt bei der sogenannten Stromspeicherstrategie an, die die Bundesregierung am 19. Dezember 2023 veröffentlichte: Sie erkennt zwar die Relevanz von Großbatteriespeichern an und beschreibt treffend die zentralen Hemmnisse für einen Speicherhochlauf in Deutschland. Mehr als Absichtserklärungen liefert sie jedoch nicht. Um als wirkliche Strategie zu gelten, wären konkrete politische Ausbauziele, Maßnahmen und ein klarer legislativer Zeitplan vonnöten.
Die Systementwicklungsstrategie formuliert eine Vision für ein klimaneutrales Energiesystem und skizziert notwendige Realisierungsmaßnahmen. Sie basiert auf Langfristszenarien, die die Entwicklung des Energiesystems bis ins Jahr 2045 prognostizieren. Entgegen den Erwartungen sind der Zwischenbericht und die im Februar 2024 aktualisierten Langzeitszenarien nicht auf die Speicherstrategie abgestimmt.
Schlimmer noch: Die Realität beim Ausbau von Energiespeichern findet unzureichende Berücksichtigung. Die Modelle sind bereits überholt. Im Referenzszenario der Systementwicklungsstrategie wird kein Ausbau von Speicherkapazitäten berücksichtigt, obwohl die Stromspeicherstrategie deutlich macht, dass Speicher eine Schlüsselrolle im zukünftigen Energiesystem einnehmen müssen.
Langfristszenarien überarbeiten
Es wäre ratsam, die der Systementwicklungsstrategie zugrunde liegenden Langfristszenarien gründlich zu überarbeiten, denn die dort getroffenen Annahmen, vor allem zur Wirtschaftlichkeit von Speichern, sind schlicht unzutreffend. Offenbar sind insbesondere die Annahmen zu Geschäftsmodellen von (Großbatterie-)Speichern am Markt fehlerhaft abgebildet. Bei den Langfristszenarien wird das schon daran deutlich, dass nicht zwischen kleinen Heimspeichersystemen und großtechnischen Batteriespeichern unterschieden wird – trotz fundamental anderer Kostenstrukturen und Anwendungsfelder.
Mit Blick auf Großbatteriespeicher führt dies zu einer systematischen modellseitigen Unterschätzung der Wirtschaftlichkeit. Die Konsequenz – die Annahme, dass sich ein Ausbau von Großbatteriespeichern nicht rechnet – führt dann zu einer Marginalisierung des Effekts der Speicher für das Energiesystem. Dass aktuell trotzdem eine hohe Investitionsbereitschaft in Großbatteriespeicher zu beobachten ist, liegt folglich entweder an grundsätzlich falschen Annahmen der Marktakteure oder gar strukturellen Anreizen zu Fehlallokationen im bestehenden Strommarktdesign – oder die Langfristszenarien und damit die Systementwicklungsstrategie liegen falsch.
Bemerkenswert ist, dass die Systementwicklungsstrategie im Kontrast steht zur Stromspeicherstrategie aus demselben Ministerium. Schließlich wird dort die zentrale Bedeutung von Speichern unterstrichen, und die Handlungsfelder zielen auf den Abbau bestehender regulatorischer Hürden ab.
Rasch Klarheit schaffen über Kapazitätsmechanismus
Die im Februar 2024 vorgestellte Kraftwerksstrategie fokussiert sich dagegen primär auf die Entwicklung gesicherter Leistungskapazitäten durch wasserstofffähige Gaskraftwerke. Sie zielt vor allem darauf ab, die Wasserstoffwirtschaft durch die kurzfristige Ausschreibung von insgesamt zehn GW Kapazität an wasserstofffähigen Gaskraftwerken anzukurbeln. Die Strategie umfasst die Förderung sowohl der Investitions- als auch der Betriebskosten dieser Anlagen. Zusätzlich wurde die Einführung eines „Kapazitätsmechanismus“ ab 2028 bekannt gegeben, dessen Details jedoch noch ausstehen.
Allein die Ankündigung eines zukünftigen Kapazitätsmechanismus hat erhebliche Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft sowohl in konventionelle, erneuerbare, H2-ready-Energieerzeugung als auch in Speicherlösungen. Daher muss schnell Klarheit über die Ausgestaltung des Mechanismus geschaffen werden, um zu verhindern, dass notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Investitionen aufgrund von Unsicherheiten ausbleiben.
Dafür sollte dringend sichergestellt werden, dass ein zukünftiger Mechanismus die Preissignale am Energy-Only-Markt (EOM) nicht in einer Weise beeinträchtigt, die zu einer übermäßigen Dämpfung der Preisvolatilität führt. Dies würde dafür sorgen, dass Investitionen, die auf den Preisen am EOM basieren, unwirtschaftlich werden. Zudem ist zu würdigen, dass eine Kapazität von wenigen Stunden, wie neue Großbatteriespeicher (oder Pumpspeicher) sie aufweisen, für das System sehr wertvoll sind – ganz im Einklang mit der Stromspeicherstrategie.
Schluss mit dem Silo-Denken
Die Bundesregierung strebt zweifellos an, die Energiewende zu beschleunigen. Auch Speichertechnologien und ihre Rolle im Energiesystem gewinnen an Bedeutung und rücken in den Fokus der politischen Agenda. Dennoch gibt es Uneinigkeiten hinsichtlich der Kohärenz und Klarheit. Die Vielfalt der Strategien, die auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen und teilweise widersprüchlich sind, erschwert eine konsistente Umsetzung.
Es ist wichtig, trotz dieser Herausforderungen ein sicheres Speicher-Investitionsklima in Deutschland zu bewahren. Dafür wäre es ratsam, das Silo-Denken abzulegen und Synergien zu schaffen, sodass sich die Strategien einander unterstützen, statt sich zu konterkarieren.