Klimaneutralität erst im Jahre 2045 ist viel zu spät. Dass das nichts Neues ist, hat sogar das Bundesverfassungsgericht unterstrichen. Deshalb muss die nächste Bundesregierung dringend nicht nur lang-, sondern auch kurzfristig planen und Energieträger fördern, die sofort einen effektiven Klimabeitrag leisten können. Neben den Hoffnungsträgern erneuerbarer Strom und grüner Wasserstoff muss in einem Dreiklang der Energiewende eine dritte Säule mehr Beachtung finden: grünes Methan wie zum Beispiel Biomethan.
Der Ausbau erneuerbaren Stroms muss erst noch weiter voranschreiten und vor allem grüner Wasserstoff befindet sich noch im Anfangsstadium. Das aus biogenen Stoffen gewonnene Biomethan hingegen findet schon seit Jahren unter anderem als Erdgasersatz im Pkw- oder Lkw-Bereich als Bio-CNG und in flüssiger Form als Bio-LNG Einsatz. So kann es den Verkehr in den Bereichen dekarbonisieren, in denen Wasserstoff noch nicht vorhanden oder nicht wirtschaftlich ist oder die Elektromobilität nicht zum Einsatz kommen kann. Gleichzeitig vermeidet Biomethan klimaschädliche Methanemissionen und kann in Verbindung mit der Abscheidung und Lagerung von CO2 (CCS) dringend benötigte Negativemissionen erzielen.
In der deutschen Verwaltungspraxis gibt es aber Hürden, die solche praxistauglichen Lösungen erschweren und damit den gemeinsamen europäischen Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele im Wege stehen – im Übrigen entgegen bestehender Beschlüsse des EuGH. Um die Potenziale heben zu können, braucht es also einen verlässlichen politischen Rahmen und kurzfristige Anpassungen auf Verwaltungsebene.
Biomethan als dringend notwendige Lösung für Negativemissionen
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, reichen Emissionsreduktion und Klimaneutralität nicht aus. Es braucht Technologien, die aktiv CO2 aus der Atmosphäre nehmen. Die Erzeugung von Biomethan kann dies leisten, denn CO2-Abscheidung ist bereits heute Teil der Biomethanproduktion. Mittels CCS oder CCU (Carbon Capture and Usage) kann das CO2 gelagert oder unter anderem in der Industrie weiterverwendet werden. Unsere Berechnungen zeigen: Negativemissionen in Höhe von 150 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr in der EU sind mit Biomethan möglich. Hierfür muss langfristig eine CCS-Wirtschaft etabliert werden, die sich vor allem auf Negativemissionen in Verbindung mit Bioenergie oder CO2-Abscheidung direkt aus der Luft fokussiert, weniger auf Emissionsreduzierung der konventionellen Energiewirtschaft. Erste europäische Projekte laufen hierzu bereits an. Biomethan vermeidet nicht nur Emissionen, indem es fossiles Erdgas ersetzt. Vielmehr hilft es auch bei der Lösung des Methanproblems. Das grüne Gas entsteht durch die Vergärung von organischen Stoffen wie Pflanzenreste, Bioabfall oder Gülle. Das ist reale Kreislaufwirtschaft. Würde das Methan aus der Gülle hingegen auf dem Feld freigesetzt, wäre es mindestens 25-mal klimaschädlicher als CO2. Die Weiterverarbeitung des Methans zu Biomethan verhindert das.
Um also Methanemissionen effektiv zu reduzieren, sollten alle verfügbaren Abfall- und Reststoffströme genutzt, eine Vergärungspflicht als Teil der Abfallhierarchie eingeführt und damit die Produktion von Biomethan gesteigert werden. Denn Vergärung ist der einfachste Weg, um Methanemissionen sowohl in der Land- als auch in der Abfallwirtschaft zu reduzieren – und zwar in ganz Europa. Ein Boom von Biomethan, wie er für Wasserstoff geplant ist, muss her. Bei 10.000 Biomethananlagen in Europa können in Verbindung mit CCS und unter Berücksichtigung der vermiedenen Emissionen aus Erdgas 15 Prozent der europäischen Gesamtemissionen gesenkt werden. Deshalb ist auch ein europäischer Markt so wichtig.
Schnelle Lösung für den Schwerlastverkehr
Für Biomethan als Kraftstoff wird ein europäischer Markt bislang erschwert. Dabei könnte es zum Beispiel als Bio-LNG dem schwer zu elektrifizierenden Schwerlastverkehr zu mehr Klimaschutz verhelfen. 100 Prozent Bio-LNG wäre mit den richtigen Rahmenbedingungen schon im kommenden Jahr problemlos möglich. Während Biomethan in Deutschland noch kaum verflüssigt wird, sind unsere europäischen Nachbarn bereits einen Schritt weiter. So könnte das hierzulande ausreichend vorhandene Biomethan zum Beispiel an den Terminals in Belgien, den Niederlanden oder Norwegen verflüssigt werden. Zudem könnte weiteres Biomethan aus der EU aktiviert und im stark wachsenden deutschen CNG- und LNG-Markt eingesetzt werden.
Endlich das Potenzial für den Klimaschutz nutzen
Im deutschen Verwaltungsapparat ist man allerdings von
europäischen Lösungen weit entfernt. Trotz EuGH-Urteil im Jahre 2017
wird innereuropäischer Grenzübertritt weiter nicht zugelassen. Die
Importbeschränkung gelte aber nur für Biomethan, das über das Gasnetz
transportiert wird. Beim Import in Tanks oder Gasflaschen über den Landweg wäre
der Einsatz als Kraftstoff möglich. Der Transport von Biomethan erfolgt
allerdings, wie auch für das fossile Pendant Erdgas, ausschließlich über das
Gasnetz. Das ist also so, als würde man den Strom für Elektrofahrzeuge statt
über das Stromnetz nur in Batterien importieren dürfen.
Während Deutschland stetig neue Partnerschaften mit Ländern wie Saudi-Arabien und Australien für die Erzeugung und potenzielle Einfuhr von grünem Wasserstoff beschließt, mit dessen Klimabeitrag frühestens in Jahrzehnten gerechnet werden kann, bleibt der innereuropäische Markt für andere grüne Gase wie Biomethan verschlossen. Diese antiquierten Zollschranken müssen geöffnet werden, um eine europäische Zusammenarbeit beim Klimaschutz und schnelle Emissionsminderungen zu ermöglichen. Angefangen in Deutschland. Den EU-Markt für Kraftstoffbiomethan zu öffnen, ebnet übrigens auch den Weg für Power-to-Gas oder eben grünen Wasserstoff.
Biomethan kann also nicht nur sofortigen Klimaschutz leisten. Es kann gleichzeitig klimaschädliche Methanemissionen vermeiden und durch CCS oder CCU Negativemissionen erzielen. Damit es aber sein volles Potenzial im Dreiklang der Energiewende entfalten kann, muss europäisch gedacht werden und die neue Bundesregierung einen verlässlichen Rahmen schaffen.