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Standpunkte „EnWG + EEG = EGB“ – Plädoyer für ein vereinigtes Energierecht

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) hat ausgedient als „Grundgesetz des Energierechts“. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist längst nicht mehr nur Juniorpartner. Nach 20 Jahren ist die Zeit reif für ein modernes Energiegesetzbuch (EGB), schreibt Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW in seinem Standpunkt. Das „4. EU-Energiebinnenmarktpaket“ sei eine Steilvorlage für dieses Großprojekt. Deutschland könnte sich damit in der Spitzengruppe der Energiewende-Länder zurückmelden.

von Holger Schneidewindt

veröffentlicht am 13.09.2018

aktualisiert am 14.11.2018

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Holger Schneidewindt, Referent für Energierecht der Verbraucherzentrale NRW

Schön zu lesen war das EnWG selbst für Juristen nie. Der aktuelle Zustand ist bemitleidenswert: zahlreiche Lücken („weggefallen“), noch mehr dazwischengeschobene Paragraphen (zum Beispiel § 13a bis § 13k) und ellenlange Verordnungsermächtigungen (z.B. § 13h: 24!). Auch der Lack des EEG ist ab. Lange Zeit dank weniger, aber schlagkräftiger und verständlicher Paragraphen (Anschlusszwang, Einspeisevorrang, Vergütung) positiv besetzt, hat das EEG durch die letzten großen Novellen enorm an Ansehen verloren („Bürokratiemonster“).


Mitnichten wäre es beim EnWG mit Schönheitsreparaturen getan. Die Bausubstanz und Statik des EnWG ist hinüber. Dafür reicht schon ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis: „§ 2 Aufgaben der EVU“ gehört nicht (mehr) an solch prominente Stelle, ist doch mehr als fraglich, ob Intermediäre wie EVUs in Zeiten von Blockchain und Peer-to-Peer-Handel mittel- und langfristig überhaupt noch auf dem Markt notwendig und überlebensfähig sind. Und „§ 3a Verhältnis zum Eisenbahnrecht“ kann getrost ans Ende des Gesetzes wandern und Platz machen für ein knackiges Statement zu den grundlegenden Zielen des Gesetzes.


Folgenschwer sind inkonsistente Paralleluniversen, die EnWG und EEG zu einzelnen Themen geschaffen haben, zum Beispiel zum Einspeisemanagement (§14 EEG, § 13 EnWG) und zu technischen Vorgaben für die (Ab-)Regelung von Erneuerbare Energien-Anlagen (§ 9 EEG, § 21 EnWG, jetzt MSBG). Erstere sind auch durch 50-seitige (unverbindliche!) Leitfäden der Bundesnetzagentur nicht zu retten.


Baufällig ist das EnWG aber vor allem deswegen, weil fundamentale Pfeiler des (zukünftigen) Energiesystems gänzlich fehlen. Wo werden die neuen Marktrollen wie Prosumer, Energiegemeinschaften und Aggregatoren definiert und geregelt – und gefördert? Wo wird die Sektorkopplung adressiert? Warum gibt es immer noch keine „regulatory sandboxes“, damit deutsche Marktakteure in Zeiten von Digitalisierung und „disruptiver“ Technologien (Blockchain, KI, IoT) nicht den Anschluss verlieren und Pilotprojekte auch mal in Deutschland durchgeführt werden, statt in regulatorisch attraktiveren Ländern?


Renovierung unmöglich: abreißen und neu bauen!


Die Inhalte aus dem EnWG und EEG (und anderen Gesetzen) müssen nicht einfach nur konsistent zusammengeführt werden. Es muss aufgeräumt und ausgemistet, modernisiert und neustrukturiert werden. Ein Blick ins Ausland könnte dabei erkenntnisbringend sein, zum Beispiel nach Kalifornien, das mit einer Reihe von Gesetzen gefühlt die Pole-Position unter den Energiewende-Pionieren übernommen hat, oder New York, das mit der „Reforming the Energy Vision“-Strategie Neuland betreten hat.


Erneuerbare und Energieeffizienz stehen im Zentrum des neuen Energiesystems und damit auch des Energierechts, flankiert von vielfältigen Flexibilitätsoptionen. Neuen Akteuren muss diskriminierungsfreier Zugang zu Märkten (z.B. Regelenergie, Demand Response) ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang kommt dem Grundsatz der Entbürokratisierung von Geschäftsmodellen entscheidende Bedeutung zu. Innovation muss Raum gegeben werden.


Natürlich ist es leichter gesagt als getan, ein einheitiches Energiegesetzbuch (EGB) zu erarbeiten. Aber zum einen enthalten die neue EU-Erneuerbaren-Richtlinie und – hoffentlich – auch die aktuell verhandelte EU-Binnenmarkt-Richtlinie und -Verordnung interessante Denkanstöße. Und zum anderen wird es nicht an spannenden (und sehr unterschiedlichen) Vorschlägen der vielen Think Tanks und Energierechtskanzleien in Deutschland fehlen, sobald die Diskussion „offiziell“ gestartet wird. Darauf darf man sich freuen.


„Geht nicht“ gibt´s nicht!


Natürlich wird es kritische Stimmen zu einer Neugestaltung des Energierechts geben. Die Befürworter und Profiteure der alten Energiewelt werden am EnWG und dessen Ratio festhalten. Dazu gehört auch die große Zahl an Juristen und Rechtsanwälten, die damit Geld verdienen, dass das Energierecht (auch das EEG!) so komplex, intransparent, zersplittert und lückenhaft ist. Ein Argument wird sein, dass das Energierecht hochfrequenten, alles umwerfenden Novellen ausgesetzt sei, sodass das Energiegesetzbuch und die Paragraphen sich zu häufig ändern. Stimmt, die letzten großen EEG-Novellen sind „gute“ Beispiele dafür. Aber ist das relevant? Nein, es ist nur eine Frage des Mindsets. Letztlich gibt es keine wirklich sachlichen Argumente gegen die Vereinigung des Energierechts.


Ein modernes Energiegesetzbuch: Chance für Deutschland


Deutschland würde mit einem umfassenden, modernen und innovativen Energiegesetzbuch viel Beachtung und Anerkennung (zurück-)erlangen. Ein EGB würde wahrscheinlich sogar ein „Exportschlager“ wie das EEG. Es überrascht daher, dass weder die zuständigen Ministerien und gesetzgebenden Kammern Bundestag und Bundesrat eine solche Initiative gestartet, noch die vielen Think Tanks und Energierechtskanzleien eine solche Initiative gefordert haben. Darüber würde sich eine Kommission lohnen.


Die aktuelle und auch die nächste Bundesregierung sollte ein einheitliches Energiegesetzbuch nicht als lästige Zusatzbelastung sehen, so wie die letzten EEG-Novellen, sondern als große Chance für einen Befreiungsschlag. Die vier EU-Richtlinien und vier EU-Verordnungen des „Clean Energy Package“ sollten Anreiz genug sein. Deutschland sollte das geschaffene Momentum und den Rückenwind aus Brüssel nutzen. Also, auf geht´s!

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