Falsche Anreize behindern Integration erneuerbarer Energien

veröffentlicht am 11.04.2017

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Um langfristig eine CO2-freie Stromerzeugung zu erreichen und die Integration der erneuerbaren Energien voranzutreiben, muss auch die Menge der Mindesterzeugung aus konventionellen Kraftwerken, die derzeit noch notwendig ist, um das Stromsystem zu stabilisieren, schrittweise reduziert werden. Im Strommarktgesetz von 2016 hat die Bundesregierung daher die Bundesnetzagentur (BNetzA) damit beauftragt, „die Faktoren, die die Mindesterzeugung in den letzten zwei Jahren maßgeblich beeinflusst haben“ zu untersuchen. Das Ergebnis hat die Behörde nun in einem Bericht vorgelegt. Vor der Mindesterzeugung gelt es vor allem den „konventionellen Erzeugungssockel“ zu verringern.


Mindesterzeugung und Erzeugungssockel


Die BNetzA hat dazu die Einspeisung in Stunden mit „negativen Strompreisen“ im zweiten Halbjahr 2015 analysiert. Von den 54 bis 63,5 Gigawatt, die in diesen Stunden erzeugt wurden, waren 23 bis 28 Gigawatt konventionelle Erzeugung. 3,5 bis 4,5 Gigwatt Mindesterzeugung wären für einen sicheren Netzbetrieb erforderlich gewesen, so die Behörde. Der Überschuss von 19 bis 24 Gigawatt wird als konventioneller Erzeugungssockel bezeichnet. Warum diese Erzeugungskapazität trotz negativer Strompreise am Netz belassen wurde, liegt laut Bericht maßgeblich an zwei Faktoren:


  • Zum einen seien das technische Gründe, insbesondere bei Braunkohle- und Kernkraftwerken, die für rund 70 Prozent des Erzeugungssockels stehen. Viele Kraftwerke sind nicht flexibel genug, um auf kurzfristig negative Strompreise reagieren zu können.
  • Zum anderen liege dies an wärmebedingter Einspeisung. Die KWK-Förderung im Zusammenspiel mit vermiedenen Netzentgelten, Erlösen aus dem Verkauf der Wärme oder der Produktion für den Eigenverbrauch hebeln die Anreizwirkung negativer Strompreise aus.


Abbau des konventionellen Erzeugungssockels


Einen zentralen Beitrag zum Abbau des konventionellen Erzeugungssockels könnten, laut BNetzA, Investitionen in die Flexibilisierung von Kraftwerken leisten. Darüber hinaus sollte weitergehender untersucht werden, welches Absenkungspotenzial in einer Anpassung der ökonomischen Anreize liegt. Konkret genannt werden die KWK-Förderung, Eigenverbrauchsanreize, die vermiedenen Netzentgelte und die Bilanzkreiabsicherung. Man könne durchaus die Frage stellen, ob diese zwingend durch konventionelle Kraftwerke erfolgen muss, so die BNetzA.


Verringerung der Mindesterzeugung


Die Spielräume, die Mindesterzeugung zu reduzieren, fallen, laut BNetzA, wesentlich geringer aus. Windkraftanlagenpools könnten zukünftig eine größere Rolle bei der Bereitstellung von negativer Regelleistung spielen, die einen wesentlichen Anteil an der Mindesterzeugung hat. Die Behörde weist darauf hin, dass seit Anfang 2016 erste Windkraftanlagen probehalber an der Minutenreserve teilnehmen. Auf Basis der Erkenntnisse dieses Piloten sollen die Teilnahmebedingungen für Windkraftanlagen an der Regelenergiebereitstellung überarbeitet werden. Welchen Einfluss die Öffnung des Regelenergiemarktes genau auf die Mindesterzeugung haben wird, sei jedoch noch nicht absehbar.


Auch mit Blick auf die Spannungshaltung gäbe es Alternativen zu konventionellen Kraftwerken. So verfolgen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bereits die Strategie deren Wegfall durch Ersatzinvestitionen in Drosselspulen, Kondensatoren und rotierende Phasenschieber auszugleichen, berichtet die BNetzA. Durch einen zügigen Netzausbau könne außerdem der Bedarf konventioneller Kraftwerke für den Redispatch verringert werden.


In ihrem nächsten Bericht zur Mindesterzeugung, der gemäß Strommarktgesetz Ende 2019 vorzulegen ist, will die BNetzA ihre Untersuchungen zur Mindesterzeugung auf eine breitere Datenbasis stellen und die Gründe für den großen Überschuss konventionellen Strom im System genauer analysieren.

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