In vielen Regionen der Erde, und seit 2022 auch in Europa, leiden Menschen täglich unter Waffengewalt, Unsicherheit und Bedrohung. Das Heidelberg Institute for International Conflict Research zählte allein 2021 mehr als 200 gewaltsame Konflikte, darunter 40 hoch gewaltsame Konflikte, also Kriege und sogenannte begrenzte Kriege.
Kriege aber verringern die Chancen einer nachhaltigen Entwicklung. Die Präambel der Agenda 2030 der Vereinten Nationen weist explizit auf eine wechselseitige Abhängigkeit hin: Ohne Frieden kann es keine nachhaltige Entwicklung geben, und ohne nachhaltige Entwicklung keinen Frieden.
Klimawandel führt zu gewaltsamen Konflikten
Konkret sieht das so aus: Immer mehr Menschen müssen flüchten, wie Statistiken zeigen – etwa aufgrund gewaltsamer Konflikte oder Naturkatastrophen. Beides kann sich gegenseitig verstärken und zu neuen Konflikten führen. Der Klimawandel ist ein Risikofaktor für bewaffnete Konflikte, denn knappe Ressourcen wie mangelndes Süßwasser führen zu Auseinandersetzungen und zwingen Menschen in die Migration – in Gebiete, wo andere Menschen leben und nicht immer zu teilen gewillt sind.
Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele wollen hier gegensteuern und friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften fördern: Das 16. Ziel heißt ausdrücklich Frieden und Gerechtigkeit. Frieden ist eine beständige Aufgabe, ein Prozess und somit etwas, das es fortwährend neu zu stiften gilt. Welche Rolle können hierbei Investoren spielen? Welche Handlungsoptionen gibt es?
Handlungsoptionen für Investoren
In der ethisch-nachhaltigen Geldanlagen hat der Ausschluss von Rüstung lange Tradition. Diese Praxis ist anlässlich des russischen Angriffskriegs und des außer Frage stehenden Rechts der Ukraine auf Selbstverteidigung neu diskutiert worden – mit bekannten Argumenten.
Eine Zunahme an Kriegen und Konflikten geht häufig mit steigenden Börsenkursen von Rüstungsunternehmen einher. Dies war auch 2022 zu beobachten. Die bewusste Entscheidung, hiervon finanziell aber nicht profitieren zu wollen, bleibt nicht nur gerechtfertigt, sondern ist zu begrüßen. Es kann nicht Aufgabe des Einzelnen sein, der Aggression durch die Finanzierung von Rüstung entgegenzutreten. Auch im Lichte des Angriffskriegs bleibt die Gewissensentscheidung pro Frieden und kontra Waffen richtig. Denn Investitionen in Rüstung bedeuten Profite für Einzelne, während der Schaden meist gesellschaftlich getragen werden muss.
Rüstungsinvestitionen können nicht so zielgerichtet sein, dass sie ausschließlich legitimen Interessen von Demokratien dienen. Gerade bei privatwirtschaftlichen Rüstungslieferungen ist kaum zu verhindern, dass Waffen in die falschen Hände geraten – etwa in diejenigen der Drogenmafia oder eben von repressiven Regimen wie Russland. Die Ausübung von Gewalt als Mittel der Selbstverteidigung muss staatliches Monopol bleiben. Die finanziellen Mittel hierfür bereitzustellen, ist jedoch nicht Aufgabe ethisch-nachhaltiger Investoren.
Systemische Risiken bedenken
Bei Massenvernichtungswaffen kommt der Aspekt des systemischen Risikos hinzu. Allein die Nachricht über einen möglichen Einsatz, etwa von Atomwaffen, kann sofortige negative Auswirkungen auf Finanzmärkte, die Wirtschaft und damit alle Anlageklassen hervorrufen. Daher engagieren sich 37 Investoren rund um die Initiative Shareholders for Change seit Mitte 2022 auch aus finanziellen Erwägungen gegen Atomwaffen und für ein Finanzierungsverbot. Allein: Mit wachsender Zahl an Atomwaffen und beteiligten Parteien steigt das Risiko eines verheerenden atomaren Konflikts.
Ein besonders dunkles Kapitel sind geächtete Waffen. In mehreren Ländern ist beispielsweise die Finanzierung von Antipersonenminen verboten. Schätzungen zufolge werden dennoch jedes Jahr über 5000 Menschen durch Minen und andere explosive Überreste getötet oder verletzt. Hunderttausende Quadratkilometer an Land bleiben aufgrund von Minen unbrauchbar. Und genau das passiert gerade in der Ukraine.
Lösungen mitfinanzieren
Der Bedarf an Finanzmitteln für die Minenräumung ist groß. Maßnahmen und Methoden, hierfür privates Kapital zu mobilisieren, stecken in den Kinderschuhen. Die britische gemeinnützige Organisation Social Finance setzt hier an und wird 2023 mit einem Impact Bond zur Minenräumung und landwirtschaftlichen Entwicklung in Kambodscha an den Start gehen. Derartige direkte Investitionsmöglichkeiten zur Beseitigung von Kriegsschäden und für den Wiederaufbau bleiben jedoch die Ausnahme.
Weitaus mehr Optionen bieten indirekte Wege. So dienen erneuerbare Energien der Friedenssicherung, weil die fossilen Energieträger Krisen befördern. Zudem gibt es vielfache indirekte Zusammenhänge zwischen Frieden und sozialen Belangen, etwa dem Zugang zu Grundleistungen wie Trinkwasser oder Bildung. Eine soziale Taxonomie könnte als Orientierungsrahmen für friedensstiftende Investitionen dienen.
Gemeinsam nach internationalen Standards handeln
Zentral in sozialer Hinsicht ist die weltweit zunehmende ökonomische Ungleichheit. Diese ruft Unzufriedenheit und Perspektivlosigkeit hervor, kann Polarisierung, Konflikte, Extremismus und Gewalt begünstigen und das Zustandekommen demokratischer Mehrheiten für die ökologisch notwendige Transformation verunmöglichen.
Mit der Task Force on Inequality-related Financial Disclosures (TIFD) gibt es hierzu eine Initiative aus dem Finanzbereich. Sie entwickelt in einem inklusiven und partizipativen Prozess den Rahmen für ein systemisches Risikomanagement, der die vom Privatsektor geschaffene Ungleichheit verringern helfen soll und Messgrößen, Zielvorgaben und Leitlinien zur Verfügung stellt. 2024 soll die Pilotphase der Beta-Version starten.
Investoren sollten derartige Angebote stärker nutzen. Denn sie haben die Wahl: Sie können sich tatsächlich dafür entscheiden, Rendite sozial-ökologisch integriert zu denken. Sie können mit ihren Investitionen einen Beitrag leisten, aus Negativspiralen auszusteigen, und stattdessen einen Pfad für Nachhaltigkeit, Kooperation und Frieden einschlagen und positive Ereignisketten in Gang setzen helfen. Investoren fällt also mit Blick auf die fortwährende Aufgabe der Friedensstiftung eine wichtige Rolle zu. Sie können und sollten heute tätig werden und einen Beitrag leisten, um in mittel- und langfristiger Perspektive die Grundlagen für eine friedliche und nachhaltige Entwicklung zu schaffen.