Die Energiewende ist ein Mammutprojekt, für das es keine Masterplan gibt. Nur schrittweise – so lautet inzwischen der Konsens – können Lösungen entwickelt werden. Um die Energiewende zu einem Erfolg zu machen, hat das Forschungsministerium eine große Forschungsinitiative gestartet. Bis 2025 fördert es vier Kopernikus-Projekte mit insgesamt 400 Millionen Euro.
Das Besondere daran: Die Projektteilnehmer entwickeln einen „Problemkorridor“, wie Robert Schlögl von der Max-Planck-Gesellschaft und Leiter des Steuerungskreises von Kopernikus erklärt. Es würden keine Ziele festgelegt, sondern es gehe darum, einen Möglichkeitsraum auszuloten. Wie in einem Trichter sollen oben viele Optionen hinein kommen und erst in einem Prozess die Lösungen herauskommen. Eins ist aber schon klar: „Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft müssen hart und über Jahrzehnte planbar sein“, fordert Schlögl.
Ausgewählt für die Forschung wurden vier wesentliche Themen, die „no regret“ sind, sagt Schlögl, die also in jedem Fall erforscht werden sollten. Es sind:
„Noch weiß keiner, wie die Netzstruktur aussehen muss,
wenn wir 80 bis 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien
realisieren. Darauf sucht das Projekt ENSURE jetzt Antworten.“
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka
In drei Projektphasen werden fünf Forschungscluster an neuen Netzstrukturen arbeiten. Die Forschungscluster von ENSURE sind:
- Welches Stromnetz will die Gesellschaft
- Zentral oder dezentral?
- Wie kann das Stromsystem auf Veränderungen reagieren?
- Neue Technologie für das Netz der Zukunft
- Der Netzdemonstrator
Am Ende der zehnjährigen Laufzeit von ENSURE soll ein großtechnischer Netzdemonstrator zeigen, wie die im Projekt entwickelten Strukturen und Konzepte eines ganzheitlichen Energieversorgungssystems ineinandergreifen und so eine optimierte Zusammenarbeit von Stromerzeugern und -verbrauchern ermöglichen.
Geleitet wird ENSURE von Holger Hanselka vom Karlsruher Institut für Technologie, der RWTH Aachen, Eon, Tennet, Siemens und ABB. Insgesamt hat das Projekt 23 Partner. Im November 2016 trafen sich die Projektteilnehmer erstmals, besprachen die Details der Zusammenarbeit, die Arbeitspakete der Forschungscluster und gründeten einen Projektausschuss.
Power-to-X
„Wie wollen wir den Strom aus Erneuerbaren Energien
speichern: In Flüssigkeiten, in Gas, oder in chemischen Grundstoffen?
Alles ist möglich, aber welche dieser Optionen ist perspektivisch die
effektivste? Um herauszufinden, welche der Technologien – oder welche
Kombination von Technologien – für die Zukunft am besten geeignet ist,
brauchen wir das Power-to-X-Projekt.“
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka
In den kommenden drei Jahren werden sechs Forschungscluster von Power-to-X die Grundlagen der Elektrolyse und Katalyse bearbeiten. Wie aus den Forschungsergebnissen Technologien entstehen, die die Energiewende besonders braucht, wird parallel in einer Roadmap festgelegt. Die vielversprechendsten Forschungsergebnisse aus der ersten Phase sollen in der zweiten Förderphase in vier Technologieclustern aufgehen. Die dritte Förderphase soll drei Realisierung-Cluster umfassen.
Die sechs Forschungscluster sind:
- Elektrolyse
- Niedertemperatur Co-Elektrolyse
- Co-Elektrolyse bei hohen Temperaturen
- Wasserstoff-Träger
- Methan, Kohlenwasserstoff und längerkettige Alkohole
- Oxymethylenether (OME) und Polyoxymethylenether
- Roadmap
Das Konsortium wird geleitet von Walter Leitner von der RWTH Aachen, dem Forschungszentrum Jülich und die Dechema Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie. Das Konsortium hat 46 Partner. Die Projektteilnehmer trafen sich erstmals im Januar 2017 in Frankfurt am Main.
„Wie kann eine Volkswirtschaft, die sehr stark auf
energieintensive Branchen ausgerichtet ist, die Umstellung auf
Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen schaffen und gleichzeitig
wettbewerbsfähig bleiben? Daran forscht das Kopernikus-Projekt
SynErgie.“
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka
Um Erzeugung und Verbrauch von Wind- und Solarstrom in Einklang zu bringen, kann man Speicher nutzen oder den Verbrauch flexibilisieren. Dieses sogenannte Demand Side Management ist besonders bei energieintensiven Industrieprozessen interessant. Dazu zählen die Aluminium-, die Glas- und die Papierproduktion.
- Schlüsselproduktionsprozesse
- Produktionsinfrastruktur
- Informations- und Kommunikationstechnologie
- Markt- und Stromsystem
- Potenzialanalyse
- Energieflexible Modellregion Augsburg
130 Projektpartner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft trafen sich im November 2016 in Darmstadt zum Kickoff von SynErgie. Geleitet wird es von Eberhard Abele von der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Stuttgart, die ein Konsortium von 83 Partnern anführen.
„Die Systemintegration muss unter ganz anderen Prämissen
als bisher erforscht werden. Nicht nur mit wissenschaftlichen Analysen,
sondern unter Berücksichtigung von politischen und gesellschaftlichen
Anforderungen. Bereitschaft zur Energiewende kann man nicht verordnen,
darüber muss man nachdenken, die Akzeptanz muss man erforschen.“
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka
Werden in Zukunft Elektroautos oder Wasserstoff-Busse über Deutschlands Straßen fahren? Wo kann das Stromnetz ausgebaut werden und wo fehlt dafür die Akzeptanz in der Bevölkerung? Bieten Speichertechnologien für erneuerbare Energien eine Alternative zum Netzausbau? Antworten auf diese Art Fragen sucht ENavi. Es wird die andere drei Kopernikus-Projekte verknüpfen und die gesellschaftlichen Auswirkungen der Energiewende im Auge behalten.
Das wichtigste Produkt wird ein Navigator für die Energiewende sein. Mit ihm wollen die Forscher die Folgen der Energiewende im Voraus abschätzen. So wollen sie erreichen, dass die Elektromobilität effektiv gefördert wird oder die vielen tausend Lieferanten von Solarstrom auf privaten Dächern sinnvoll synchronisiert werden.
Ortwin Renn vom Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) Potsdam leitet das Projekt zur Systemintegration mit 80 Partnern. Die Mitglieder des Konsortiums trafen sich zum ersten Mal im Dezember 2016 in Berlin.