Dass die deutsche Krankenhauslandschaft reformbedürftig ist, dürfte in der Zwischenzeit als Binsenweisheit gelten. Neben der immer wieder diskutierten Über- und Unterversorgung einzelner Regionen dürfte insbesondere die finanzielle Schieflage einiger Häuser inzwischen über jedwede politische Grenze hinaus konsensfähig sein. Hierbei stellt die am 6. Dezember 2022 veröffentlichte dritte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission zu einer grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung den wohl ambitioniertesten und auch politisch umstrittensten Teil der Reformbestrebungen des Bundesgesundheitsministeriums dar, der insbesondere von den Bundesländern teilweise scharf kritisiert wurde und wird. Im Zentrum steht dabei wohl die neue einheitliche Definition von Krankenhausversorgungsstufen, um lokale, regionale und überregionale Versorgungsaufträge abzugrenzen. Folgt man der Regierungskommission, sollen die Krankenhäuser zukünftig bundesweit einheitlich in die Level I bis Level III aufgeteilt werden.
Das am 20. April 2023 vorgestellte und durch die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein beauftragte Gutachten zur „Verfassungskonformität der Reform der Krankenhausplanung auf der Basis der dritten Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ dürfte Wasser auf die Mühlen der landesrechtlichen Kritik sein, da entsprechendes Gutachten zu dem (nicht besonders überraschendem) Ergebnis gelangte, dass dem Bund für die Umsetzung der Empfehlungen der Regierungskommission die erforderliche umfassende Gesetzgebungskompetenz fehle. Die anvisierte Reform dürfte also nur unter erheblicher landespolitischer Mitwirkung umgesetzt werden können. Inwieweit dies politisch möglich ist, sei dahingestellt und soll nicht Gegenstand dieses Beitrags sein.
Gesetzt den Fall es findet sich der politische Wille zur Umsetzung einer Reform, dürfte es unabhängig von der konkreten Ausgestaltung dazu kommen, dass eine erhebliche Anzahl an Krankenhäusern bundesweit geschlossen beziehungsweise umstrukturiert werden müssen. Dies dürfte unabhängig davon gelten, ob es zu einer Leveleinteilung (wie im Kommissionsvorschlag vorgesehen), zu einer Anwendung des „NRW-Modells“ oder zu einer aufgrund jeweiligen Landesrechts uneinheitlichen Lösung kommt.
Die öffentliche Diskussion legt dabei bisher das Hauptaugenmerk auf politische und wirtschaftliche Fragen und verkennt dabei, welche immensen rechtlichen Fragen und Konsequenzen die Reformierung der Krankenhauslandschaft haben kann und wird; und zwar unabhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung der Reform. Dabei dürften von „A“ wie Arbeitsecht bis – im schlimmsten Fall – „Z“ wie Zwangsversteigerungsrecht alle Rechtsgebiete betroffen sein.
Strukturelle Veränderungen der Betreibergesellschaften
Naheliegend dürfte es sein, dass Schließungen und/oder Zusammenlegungen von einzelnen Krankenhausstandorten die klassischen zivil-, gesellschaftsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Fragestellungen hervorruft. Neben Rechtsform- und -trägerwechseln, die rechtlich gesehen eher „im Hintergrund“ ablaufen, dürften insbesondere Betriebsübergänge für Arbeitnehmer eine erhebliche Relevanz für diese beinhalten. Sofern beispielsweise zwei Krankenhausgesellschaften zu einer Gesellschaft verschmelzen würden, müsste der übernehmende Rechtsträger die Arbeitnehmer des übertragenden Rechtsträgers weiterbeschäftigen.
Zwar mag dies im Hinblick auf den Fachkräftemangel zumindest im ärztlichen und pflegerischen Bereich weniger problematisch sein. Inwieweit sich der Fachkräftemangel auf Verwaltungsebene bereits durchgeschlagen hat, kann hingegen nicht abgeschätzt werden. Jedenfalls müssten die übergeleiteten Arbeitnehmer im Rahmen eines Betriebsübergangs zumindest kostenseitig Berücksichtigung finden. Zudem dürfte eine Konsolidierung der Krankenhauslandschaft auch Auswirkungen auf die Zusatzversorgungskassen haben, die in ihrem Umfang noch nicht abgeschätzt werden können.
Beachtung des Vergaberechts für Öffentliche Häuser
Insbesondere für Häuser in öffentlicher Trägerschaft dürfte die angedachten einheitlich geltenden Level und gegebenenfalls deren Erreichung erheblichen Umsetzungsaufwand bedeuten. Falls zudem von politischer Seite entschieden werden sollte, Fördermittel im Zusammenhang mit der Reform zu gewähren, könnten sich überdies auch Krankenhäuser in privater Hand mit vergaberechtlichen Vorgaben konfrontiert sehen.
Legt man die durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) beim Forschungsinstitut Institute for Health Care Business (hcb) in Kooperation mit der Vebeto GmbH erstellte Folgeabschätzung der Reform zugrunde, so ist davon auszugehen, dass eine mittlere bis hohe dreistellige Zahl an Krankenhäusern aufgrund ihrer aktuellen Ausstattung die avisierten Leveleinteilungen nicht ohne Weiteres erreichen würden. Damit ein Krankenhaus ausgehend von der Komplexität seines Leistungsspektrums beispielsweise auf Level 2 des Krankenhausplans eingruppiert wird, können je nach vorhandener Ausstattung erhebliche Investitionen in den Bestand anfallen. Damit wird schon jetzt absehbar, dass Häuser in öffentlicher Trägerschaft im Zuge eines etwaigen „Up-Levelings“ tendenziell mit einer noch größeren Anzahl an Vergabeverfahren konfrontiert sein werden als ohnehin schon. Dies wird wohl auch dann gelten, wenn die Leistungsgruppen nicht auf dem Kommissionsvorschlag, sondern anderweitig auf Landesebene angepasst werden.
Mögliche Finanzierungslücken durch Wegfall von Mieteinkünften
Insbesondere im frei-gemeinnützigen und im privaten Bereich findet sich gestalterisch häufig die Situation, dass die Leistungserbringer sich konzernseitig in Besitz- und Betriebsgesellschaften aufteilen. Die Betriebsgesellschaften nutzen die Krankenhausimmobilie lediglich im Rahmen eines Mietvertrags und zahlen an die Besitzgesellschaften einen entsprechenden Mietzins. Die Mieteinnahmen bei den Besitzgesellschaften werden wiederum durch diese benötigt, um einerseits den eigenen Betrieb zu finanzieren und weitere Unternehmenszwecke zu verfolgen. Durch den Wegfall eines Krankenhauses aus dem Krankenhausplan der Besitzgesellschaften dürften diese Mieterträge kurzfristig ausfallen und aufgrund der besonderen Art der Immobilie auch nicht anderweitig zu erzielen sein. Lösung könnte hier freilich sein, dass die wegfallenden Krankenhäuser, die kein Level I erreichen werden, zukünftig als MVZ – also als lokal-ambulante Versorgungszentren weiterbetrieben werden. Auch diese Struktur will aber erst errichtet werden.
Eine Reform der Krankenhauslandschaft ist erforderlich und wird kommen – egal auf welche Rahmenbedingungen man sich politisch einigen wird. Falls nicht, so droht im Zweifel im juristischen Alphabet von A bis Z Buchstabe I wie Insolvenzrecht. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung einer Krankenhausreform dürfte diese zu einer Umstrukturierungswelle der deutschen Krankenhauslandschaft führen, wie sie bisher noch nicht gesehen wurde. Losgelöst von etwaigen rechtstechnischen Umsetzungsfragen dieser Reform dürfte es aber bereits jetzt zur Gestaltung einer zukunftssicheren rechtlichen Gestaltung der Gesundheitsversorgung in Deutschland zu erheblichen anwaltlichen Beratungsbedarf kommen, der sich im Zweifel im Rahmen der Umsetzung dieses Gesetzesvorhabens manifestieren wird. Zumindest sollten die vorgenannten Aspekte auch in der politischen Meinungsfindung Beachtung finden.
Benjamin Knorr ist Rechtsanwalt und Partner bei Advant Beiten.