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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Update für den Pflegeberuf

 Co-Gründerin des Healthtech-Startups kenbi
Co-Gründerin des Healthtech-Startups kenbi Foto: privat

Der Pflegenotstand kommt nicht von ungefähr. In keiner Branche werden neue Arbeitsweisen und Führungsinnovationen dringender gebraucht. Der New Work-Ansatz bietet wertvolle Ansätze, um Personal für den Pflegeberuf zurückzugewinnen, sagt Katrin Alberding, Co-Gründerin des Healthtech-Startups kenbi.

von Katrin Alberding

veröffentlicht am 28.06.2022

aktualisiert am 16.01.2023

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Es gibt sie doch, die guten Nachrichten in der Pflege: 60 Prozent der Berufsaussteiger:innen können sich eine Rückkehr in die Pflege vorstellen. Die Studie „Ich pflege wieder, wenn…“ kommt zu dem Schluss: Es könnte 300.000 Vollzeikräfte mehr geben – wenn sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Wie aber durchbricht man den Teufelskreis aus schlechten Rahmenbedingungen und Personalmangel?

Für Pfleger:innen ist die Sache klar: Sie wünschen sich Entlastung und mehr Zeit für die eigentliche Pflege – bedarfsgerechte Personalplanung, weniger Dokumentationsarbeit und respektvolle Vorgesetzte.

Das erfordert völlig neue Arbeitsmodelle und Führungsansätze in der Pflege. Eine unlösbare Herausforderung für eine Branche, die als modernisierungsresistent gilt? Keineswegs. Ansätze dafür liefert der New Work-Ansatz. New Work – die technologische und kulturelle Transformation der Arbeit – umfasst Dimensionen wie Führung, Technologien und Sinnstiftung. Sie alle sind auf die Pflege übertragbar. Mit der Gründung unseres ambulanten, Tech-fokussierten Gesundheitsdienstes kenbi haben wir Erfahrungen gemacht, was Potenziale und Herausforderungen von New Work in der Pflege sind.

Digitale Lösungen entschärfen die Pflegekrise

Technologien haben ein riesiges Potenzial, Pfleger:innen zu entlasten. Damit sind keine Pflegeroboter gemeint, sondern grundlegende Prozesse, die anderswo längst Standard sind. Pflegekräfte wenden heute etwa 40 Prozent ihrer Arbeitszeit für Dokumentation und Aktenpflege auf – weil der bürokratische Aufwand hoch ist, aber auch weil handschriftliche Formulare Standard sind.

Einsatzpläne, Dokumentation, Kommunikation im Team und mit Leistungsträgern: All das bilden Systeme für digitale Pflegedokumentation viel effizienter ab, etwa von Anbietern wie Noventi und Medifox. Wichtig ist, dass die Lösung modular auf die jeweilige Einrichtung zugeschnitten werden kann und für Pfleger:innen intuitiv per Diensthandy oder Tablet bedienbar ist. Bei kenbi haben wir eigene Apps entwickelt, mit der sie die Dokumentation vornehmen, Schichten planen und Ersatz bei Ausfällen organisieren. Außerdem setzen wir auf die kenbi Büro-App für Personalangelegenheiten und eine E-Learning-Plattform.

Aber wie modernisierungswillig eine Einrichtung auch ist: Das Gesundheitssystem gibt enge Schranken vor. 2022 ist bei der Kommunikation mit Ärzten und Krankenkassen das Fax noch Standard – ohne wird kein Dienst zugelassen. Rechnungen an die Kassen müssen ausgedruckt und unterschrieben werden. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, Beschränkungen aufzuheben und größere Anreize für Innovationen zu schaffen, indem beispielsweise der Digitalisierungsgrad von Einrichtungen ein Qualitätskriterium wird.

Pflegeteams brauchen mehr Freiräume

Die zentrale Annahme von New Work ist: Mitarbeiter:innen, die selbstbestimmter entscheiden können, welche Aufgaben sie wann und wie erledigen, sind motivierter und produktiver. Zu den meisten Pflegeeinrichtungen scheint das nicht durchgedrungen zu sein – erfordert dies doch eine komplette Umstrukturierung der Organisation: Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter:innen entsprechend ihren Potenzialen einsetzen, Weiterbildungen ermöglichen und Verantwortung übertragen, statt hierarchisch zu delegieren. Dabei kann die Pflege nur gewinnen, wenn sie starre Strukturen aufbricht. Freiräume ermöglichen es Pfleger:innen, sich weiterzuentwickeln und zu spezialisieren – etwa auf Wundversorgung, Diabetes oder administrative Aufgaben wie Beschaffung.

Bei kenbi orientieren wir uns am Buurtzorg-Ansatz aus den Niederlanden, der auf kleine, autonome Teams setzt. Ein Standort besteht aus sechs bis zwölf Pflegefachkräften. Sie verwalten gemeinsam ihr Büro, betreuen Patienten und bestimmen selbst darüber, wen sie einstellen wollen. Im Team gibt es eine Pflegedienstleitung und Spezialrollen wie für Büro-Organisation. Für neue Mitarbeiter:innen meist eine große Umstellung – Eigenverantwortung bedeutet eben auch, dass man sich mit ganz neuen Problemen auseinandersetzt und nicht „nach oben delegieren” kann.

Dieser Ansatz wird gut aufgenommen: Seit Gründung mit dem ersten Team 2019 haben wir 37 weitere Standorte eröffnet. Klar: All diese Maßnahmen erfordern erhebliche finanzielle Ressourcen. Langfristig zahlen sie sich aber aus – durch motivierte Mitarbeiter:innen, die ihren Beruf als Berufung sehen. Digitale Lösungen und neue Führungsmodelle tragen erheblich dazu bei, Pfleger:innen für den Beruf zu begeistern und zu halten. Was wir uns wirklich nicht leisten können: sie nicht zu etablieren.

Katrin Alberding ist Co-Gründerin und Co-CEO des Healthtech-Startups kenbi.

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