Grüne legen Entwurf ihres Wahlprogramms vor

100 Prozent erneuerbare Energien in der Stromversorgung bis 2030 sind die neue Zielmarke.

veröffentlicht am 13.03.2017

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Angelehnt an einen Popsong aus ihrer Gründungsphase geben sich Bündnis 90/Die Grünen im Titel ihres Programmentwurfs zur Bundestagswahl überzeugt: „Zukunft wird aus Mut gemacht“. In Hinblick auf die Energiepolitik bedeutet das für die Grünen, das Tempo der Energiewende zu erhöhen und eine neue Zielmarke auszugeben: Bis 2030 soll die Stromerzeugung in Deutschland komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Bis 2050 soll die Energieversorgung in den Sektoren Wärme, Mobilität und Industrie nachziehen. In der Klimapolitik wollen die Grünen ein Treibhausgasminderungsziel von 95 Prozent bis 2050 national wie auf europäischer Ebene verbindlich festlegen. Dies sei eine logische Konsequenz, wolle man die „Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad“, wie 2015 im Klimaabkommen von Paris vereinbart, begrenzen.


Klimapolitik


Zentrales Instrument der deutschen Klimapolitik soll nach den Grünen ein Bundesklimaschutzgesetz werden. Darin soll der nationale Treibhausgasminderungspfad bis 2050 verbindlich und planbar festgelegt werden. Wie der Klimaschutzplan der Bundesregierung soll das Gesetz Sektorenziele für die Industrie, die Energiewirtschaft, die Landwirtschaft, den Verkehr und den Gebäudesektor enthalten. Diese Ziele sollen wiederum mit „ambitionierten Aktionsplänen“ unterlegt werden.


Den Europäischen Emissionshandel (EHS) wollen die Grünen über die derzeit von EU-Parlament und Rat diskutierten Vorschläge hinaus reformieren. Alle überschüssigen Zertifikate sollen dauerhaft gelöscht und die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten an die Industrie eingestellt werden. Auf nationaler Ebene wollen die Grünen mit einem gesetzlichen CO2-Mindestpreis für Anreize in Klimaschutzinvestitionen sorgen. Über die Einnahmen einer solchen CO2-Steuer soll bspw. die Umstellung auf kohlenstoffarme Prozesse in der Industrie unterstützt werden.


Energiepolitik


Um die Stromversorgung bis 2030 komplett auf erneuerbare Energien umzustellen, wollen die Grünen den Kohleausstieg mit einer unverzüglichen Stilllegung der „20 dreckigsten Kohlekraftwerke“ einleiten. Diese Maßnahme und die Deckelung der CO2-Emissionen der verbleibenden Kohlekraftwerke sei ohnehin notwendig, um das international zugesagte Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, noch einzuhalten. Der vollständige Ausstieg aus der Kohleverstromung soll innerhalb von 20 Jahren erfolgen und sich am Fahrplan Kohleausstieg orientieren, den die Grüne-Bundestagsfraktion im August 2016 vorgelegt hat.


Das Erneuerbar-Energien-Gesetz (EEG) wollen die Grünen reformieren und die jährlichen Ausbauziele „kräftig anheben“. Zur zukünftigen Gestaltung des Förderinstruments oder dessen Finanzierung ist im Programmentwurf jedoch nichts zu finden. Es wird nur nochmals das Ziel bekräftigt, die Strompreisrabatte der Industrie „auf ein Minimum“ zurückzufahren und an die „Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen“ zu knüpfen. Auch zum Thema Netzausbau und dessen Finanzierung ist wenig zu finden. Im Programmentwurf heißt es lediglich, dass der Netzausbau „klug“ und mit „frühzeitiger Bürgerbeteiligung“ geplant und umgesetzt werden soll.


Reformieren wollen die Grünen neben dem EEG auch den Strommarkt, „um Energie flexibel und effektiv […] zu nutzen oder zu speichern“. Zur Förderung der Erneuerbaren und Erschließung von Flexibilitätspotenzialen sollen das Abgabensystem auf Energie umgebaut und ein Marktanreizprogramm für Speicher aufgesetzt werden. Darüber hinaus kündigen die Grünen an, „zügig“ in die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität einsteigen zu wollen.


Im Bereich der Energieeffizienz wollen die Grünen eine gesetzlich verordnete Revolution auslösen. Den Kern des Ganzen soll ein Energiespargesetz bilden, „das ambitionierte, aber realistische Vorgaben macht“. Effizienzpotenziale werden insbesondere bei der Industrie gesehen. Privaten Haushalten wollen die Grünen mit ihrem Programm Faire Wärme, dass sie im Januar dieses Jahres auch als Antrag in den Bundestag eingebracht haben, beim Energiesparen helfen. In diesem Zusammenhang soll die „energetische Gebäudesanierung ganzer Wohnviertel“ in einem Umfang von zwei Mrd. Euro pro Jahr gefördert werden. Städte und Gemeinden wollen die Grünen mit einem 400 Mio. Euro umfassenden Programm zur Förderung von 10.000 Wärmespeichern unterstützen. Die Energieeffizienz von Elektrogeräten soll wiederum durch eine europaweite Verankerung des Toprunner-Prinzips, dass die jeweils energieeffizientesten Geräte zum technischen Standard erhebt, vorangetrieben werden.


Weitere energiepolitische Ziele der Grünen sind die Wiedereinführung der Brennelementesteuer und die Außerbetriebnahme der Urananreicherungsanlage in Gronau sowie der Brennelementefabrik in Lingen. Darüber hinaus will sich die Partei weiterhin für die sofortige Abschaltung veralteter Kernkraftwerke an Deutschlands Grenzen einsetzen. Dazu zählen die Reaktoren in Tihange und Doel (Belgien), Fessenheim und Cattenom (Frankfreich) sowie Beznau (Schweiz) und Temelin (Tschechien).


Verkehrspolitik


Den Verkehrssektor wollen die Grünen über „ambitionierte CO2-Grenzwerte“ von Treibhaus- und Abgasen befreien. Ab 2030 sollen nach den Plänen der Grünen nur noch abgasfreie Autos in Deutschland produziert werden. Dies sei sowohl zur Erreichung der Klimaziele notwendig als auch zur Erhaltung einer starken Automobilindustrie. Konkret wollen die Grünen die Verbreitung der Elektromobilität über verschiedene Fördermaßnahmen vorantreiben. So sollen Kommunen unterstützt werden, die ihren innerstädtischen Logistikverkehr auf elektrisch betriebene Fahrzeuge umstellen wollen. Darüber hinaus sollen Elektrobusse für den Nahverkehr sowie Elektroautos und elektrische Lastenräder für eine begrenzte Zeit finanziell bezuschusst werden. Bei der Kfz-Steuer sollen zukünftig, zur Förderung alternativer Antriebe, Fahrzeuge mit geringem oder gar keinem CO2-Austoß besser gestellt werden.


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