Schon seit dem Beschluss des Pariser Klimagipfels 2015, die Welt nicht nur deutlich unter zwei Grad Erhitzung im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten, sondern bei 1,5 Grad, gibt es eine hitzige Debatte darüber, ob das überhaupt noch realistisch ist. Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beispielsweise hält schon das Zwei-Grad-Ziel für unrealistisch. Nun hat eine Forschergruppe um den australischen Wissenschaftler Benjamin Henley eine weitere Projektion vorgenommen, die davon ausgeht, dass das 1,5 Grad-Ziel schon Mitte der 2020er Jahre gerissen werden könnte. In der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ veröffentlichten sie eine Projektion, die davon ausgeht, dass ein pazifisches Klimaphänomen, die Interdecadal Pacific Oscillation (IPO), in den kommenden zehn Jahren nur schwach ausgeprägt sein werde. Das führe zu einer stärkeren Erwärmung, argumentieren Henley und seine Kollegen.
Allerdings ist auch der Welt-Klimarat (IPCC) in seinem jüngsten Report schon davon ausgegangen, dass bei einer Reihe von Emissionsverläufen auch für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels eine zeitweilige Überschreitung wahrscheinlich sein werde. In den meisten Klimapolitik-Szenarien sinken die Kohlendioxid-Emissionen zwar spätestens von 2020 an. Aber nicht schnell genug. Die Überschreitung der Temperaturgrenze müsste dann in den Jahrzehnten bis 2100 dadurch rückgängig gemacht werden, dass über Jahrzehnte mehr CO2 von Pflanzen und den Ozeanen aufgenommen wird, als gleichzeitig über industrielle Prozesse, den Verkehr oder die Energieerzeugung in die Atmosphäre gepumpt wird.
Im kommenden Jahr soll der IPCC einen 1,5-Grad-Report vorlegen. Er soll zum einen die physikalischen und ökonomischen Möglichkeiten beschreiben, die der Welt geblieben sind, dieses anspruchsvollere Ziel zu erreichen. Bill Hare und seine Kollegen von Climate Analytics sind überzeugt davon, dass es dafür technische und wirtschaftliche Möglichkeiten gibt. Allerdings müssten die CO2-Emissionen schnell zu sinken beginnen – und es müssten Verfahren erprobt werden, die der Atmosphäre wieder CO2 entziehen. Als ein mögliches Verfahren gilt das sogenannte Beccs, eine Kombination von Bioenergie in Verbindung mit der unterirdischen Lagerung des bei der Verbrennung eingefangenen CO2 unter der Erde (CCS). Die Umweltwirkungen sowie die sozio-ökonomischen Auswirkungen dieser Technologie können beträchtlich sein. Nach Einschätzung von Bill Hare und seinen Kollegen müssten diese jedoch gegen die womöglich noch dramatischeren Auswirkungen eines schnellen Klimawandels abgewogen werden.