Fossiler Diesel und Benzin stellen derzeit rund 95 Prozent der Energie im Straßenverkehr, die verbleibenden fünf Prozent sind fast ausschließlich herkömmliche Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse. Biodiesel und Bioethanol verringern den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen um rund 70 Prozent, je nach eingesetztem Rohstoff. Dieser Wert umfasst den Anbau, die Düngung, die Ernte und den Transport der Ackerrohstoffe wie Raps, Getreide oder Zuckerrüben. Die Landwirte müssen die Rohstoffe für Biodiesel und Bioethanol nachhaltig produzieren. Das bedeutet unter anderem, dass keine Rohstoffe von schützenswerten Flächen wie Torfmooren oder Regenwäldern herangezogen werden dürfen, um daraus Biokraftstoffe zu erzeugen.
Weltweit überprüfen Auditoren, dass diese gesetzlichen Regelungen eingehalten werden. Diese strengen Nachhaltigkeitsregeln gelten nur für Biokraftstoffe. Für die Lebensmittel- und chemische Industrie gibt es keine entsprechenden Vorgaben, was einen effektiven Schutz des Regenwaldes verhindert.
Durch die bisherige europäische Biokraftstoffpolitik konnten Deutschland und Europa den Selbstversorgungsgrad mit Eiweiß stark steigern, so dass rund ein Drittel des Eiweißfuttermittels hierzulande produziert wird. Zum Beispiel werden aus den kleinen schwarzen Rapskörnern zu 40 Prozent Pflanzenöl gewonnen, während 60 Prozent zu Eiweißfuttermittel verarbeitet wird. Dies ersetzt Importe von Sojafuttermittel aus Südamerika, für die es derzeit keine gesetzlichen Nachhaltigkeitskriterien gibt.
Nach den Plänen der neuen Bundesregierung im Koalitionsvertrag soll der Wandel zu einer auf erneuerbaren Ressourcen beruhenden Wirtschaft mit Hilfe der Bioökonomie weiter vorangetrieben werden. Dies geschieht unter anderem durch die Nutzung von Biokraftstoffen. Denn ein weiteres Nebenprodukt von Biodiesel ist Glycerin, das zum Beispiel in Zahnpasta, Waschmitteln, Tabletten und Hautcremes verarbeitet ist. Deutsche Hersteller setzen ausschließlich Glycerin aus der Biodieselproduktion ein – das war bis vor wenigen Jahren anders, als es noch aus Erdölraffinerien stammte.
Trotz dieser Vorteile soll der Anteil von herkömmlichen Biokraftstoffen bis 2030 je nach Verhandlungsposition in Brüssel verschwinden (Position der Kommission), den Mitgliedsstaaten überlassen werden (Ministerrat) oder von seinem jetzigen Anteil auf rund zwei Prozent Anteil am Kraftstoffmarkt halbiert werden. Die Auswirkungen wären verheerend.
In der Landwirtschaft würde der wichtigste Abnehmer für Raps wegbrechen: Die Biodieselindustrie verwendet etwa zwei Drittel des in Deutschland produzierten Rapsöls, um es zu Kraftstoff zu verarbeiten. Die deutschen Rapsbauern müssten in der Folge mit einer Überproduktion und dramatisch sinkenden Preisen rechnen. Auch wenn sie stattdessen Getreide anbauen würden, hätten sie mit niedrigen Preisen zu kämpfen. Zudem fiele Raps als Teil der Fruchtfolge aus.
Die Folge wären Monokulturen und weniger unterschiedliche Pflanzen auf dem Feld, was negative Konsequenzen für die Biodiversität hätte. Ein weiteres Problem: Raps hat einen hohen Vorfruchtwert, das heißt die in der Fruchtfolge nachfolgende Getreideernte ist um etwa zehn Prozent erhöht. Dieser Effekt ginge verloren, wenn Raps nicht mehr wettbewerbsfähig angebaut werden kann.
Die Kritiker von herkömmlichen Biokraftstoffen wenden ein, dass durch die Nutzung von Agrarrohstoffen zur Kraftstoffproduktion angeblich weltweit Hungerkrisen ausgelöst werden. Tatsächlich entwickelte die Europäische Union jedoch ihre Biokraftstoffpolitik ursprünglich, um einen Markt für die deutsche und europäische Agrarüberproduktion zu schaffen. Anstatt europäisches Getreide in Entwicklungsländer zu exportieren, mit dem die dortigen Agrarmärkte nachhaltig zerstört wurden, nutzten die Biokraftstoffhersteller die Agrarprodukte. Gerade hat die Welternährungsorganisation eine neue Studie veröffentlicht, wonach nicht Biokraftstoffe, sondern der Klimawandel und Konflikte die Hungerproblematik anheizen – dies wird von Kritikern geflissentlich übersehen.
Ein weiteres Problem sehen die Gegner von herkömmlichen Biokraftstoffen in der Klimabilanz von Biodiesel und Bioethanol. Insbesondere dass die Produzenten Palmöl als Rohstoff einsetzen kritisieren Nichtregierungsorganisationen. Deshalb will das Europäische Parlament Palmöl als Rohstoff für die Biodieselproduktion ausschließen. Ob dies den Regeln der Welthandelsorganisation entspricht, ist jedoch fraglich. Statt eines Verbotes könnte eine bestimmte Menge an Biokraftstoff aus Palmöl zugelassen werden, während ein zusätzlicher Anteil am Kraftstoffmarkt solchen Biokraftstoffen vorbehalten bleibt, bei denen als Koppelprodukt Proteinfuttermittel anfällt.
Geht man davon aus, dass nur noch eine bestimmte Menge CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen werden kann, wenn das Zwei-Grad-Ziel nicht verfehlt werden soll, dann müssen alle Optionen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes genutzt werden. Dies gilt auch für den Verkehrssektor. Hier lagen die Emissionen im Jahr 2016 nach einer Nahzeitprognose des Umweltbundesamtes um etwa 1,1 Prozent über denen des Jahres 1990. Um den Straßenverkehr zu dekarbonisieren, wird zukünftig die Elektromobilität eine größere Rolle spielen. Wasserstoff kann ebenso als Kraftstoff dienen wie aufbereitetes Biogas. Möglicherweise werden Lastkraftwagen über Oberleitungen betrieben, zudem sollte Lastverkehr von der Straße auf das Schiff und die Bahn verlagert werden.
Allerdings sind diese Alternativen derzeit noch nicht in größeren Mengen verfügbar und können nicht in der jetzt auf den Straßen fahrenden Autos genutzt werden. Um die Antriebsenergie im Fahrzeugbestand zu dekarbonisieren, müssen Biodiesel und Bioethanol auch zukünftig eingesetzt werden. Insbesondere im Schwerlastverkehr auf der Straße können nachhaltige Biokraftstoffe einen wesentlichen Beitrag leisten.
Auf europäischer Ebene sollen nach den Vorstellungen der Politik so genannte fortschrittliche Biokraftstoffe eine größere Rolle spielen. Diskutiert wird ein Anteil von bis zu 10 Prozent am Kraftstoffmarkt im Jahr 2030. Diese „fortschrittlichen Biokraftstoffe“ sollen unter anderem aus Abfall- und Reststoffen hergestellt werden, wie zum Beispiel Restholz, Gülle, Nussschalen, aber auch aus Algen. Auch diese Alternative zu fossilen Kraftstoffen müssen einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Derzeit werden diese Biokraftstoffe allerdings nur im Labormaßstab und in wenigen kleinen Anlagen hergestellt.
Die Europäische Kommission geht davon aus, dass bis 2030 jährlich 900 Millionen Euro von der Privatwirtschaft investiert werden, um „fortschrittlichen Biokraftstoffe“ zu entwickeln und Anlagen im industriellen Maßstab aufzubauen. Nach einer aktuellen Branchenumfrage besteht tatsächlich Interesse an fortschrittlichen Biokraftstoffen. Angesichts der politischen Pläne zur Abschaffung von herkömmlichen Biokraftstoffen wollen Industrie und Investoren jedoch abwarten, ob die Zukunft für Biodiesel und Bioethanol aus Anbaubiomasse tatsächlich so düster aussieht, wie befürchtet.
Klar ist: Wenn die europäische Politik herkömmlichen Biokraftstoffen nach 2020 die Unterstützung entzieht, werden auch „fortschrittliche Biokraftstoffe“ nicht entwickelt werden. Die Bundesregierung könnte die Ziele ihres Klimaschutzplans 2030 nicht erreichen, denn die übrigen Alternativen reichen nicht aus, um den Verkehrssektor zu dekarbonisieren.