Gute Kontakte, Beharrlichkeit und das spezielle Wissen haben Wolfgang Schmutz den Weg frei gemacht zum größten Salzsee der Welt und dessen Lithiumsole. Nach dreijähriger Vorbereitung konnte der baden-württembergische Wissenschaftler und Unternehmer Mitte Dezember in Berlin die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmen feiern, dessen Bedeutung für die deutsche Industrie enorm ist: Lithium gehört zu den wichtigsten Rohstoffen der Batterie und damit für die Elektromobilität. Zusammen mit dem bolivianischen Staatsunternehmen YLB will die Schmutz-Firma ACISA Lithium aus dem Salar de Uyuni gewinnen.
300 Millionen Euro werden in eine Anlage investiert, die dann von 2022 an bis zu 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid jährlich produzieren soll. Diese Menge würde für 800.000 E-Autobatterien reichen. Das ist viel, doch allein in den Fabriken des Volkswagen- Konzerns sollen 2025 rund 2,5 Millionen Elektroautos gebaut werden. Deshalb sind weitere Anlagen auch in Bolivien im nächsten Jahrzehnt wahrscheinlich. Allein im Salar de Uyuni gibt es rund zehn Millionen Tonnen Lithium.
Der weltweite Bedarf an Batteriekapazität wird sich voraussichtlich dramatisch erhöhen: Von 70 Gigawattstunden (GWh) 2015 auf 250 GWh 2020 und 535 im Jahr 2025. Bislang werden die Batteriezellen von einer Handvoll asiatischer Unternehmen produziert, die derzeit ihre Kapazitäten schnell hochfahren: BYD und CATL aus China bauen auf dem heimischen Markt, aber auch in der Nähe von Erfurt (CATL) neue Fabriken. In Polen und Ungarn investieren Samsung, SKI sowie LG Chem in Fertigungsanlagen, in Schweden arbeitet bereits ein Konsortium namens Northvolt an einer Fabrik, in Deutschland lockt die Politik mit einer Milliardenförderung und in Frankreich könnte eine Gruppe rund um Total/SAFT eine Zellfertigung in Angriff nehmen. Die Wirtschaftspolitiker der EU forcieren das Thema und versprechen große Förderspielräume.
Doch wo kommen die Schlüsselrohstoffe der Elektromobilität her, also Lithium, Kobalt und Nickel?
Lithium gibt es reichlich in der Salar de Atacama in Chile, in Australien und Bolivien. Kobalt stammt vor allem aus dem Kongo, Nickel zunehmend aus Russland, aber auch aus Skandinavien. Problematisch ist vor allem die Verfügbarkeit von Kobalt, zumal der Weltmarktanteil des im Kongo gewonnenen Kobalts von heute 60 auf voraussichtlich 80 Prozent Mitte der 2020er Jahr steigen wird. Eine strategische Abhängigkeit vom Kongo, wo zudem China die Hand auf der Kobaltförderung beziehungsweise der Weiterverarbeitung hat, sollte vermieden werden. Hier kommt Professor Schmutz mit seinem bolivianisch-deutschen Joint-Venture ins Spiel.
Das neue Unternehmen am Salar de Uyuni gewinnt vor allem Lithiumhydroxid, das nach Schmutz’ Einschätzung das heute überwiegende Lithiumcarbonat mit der Zeit verdrängen wird. Grund dafür sind immer leistungsstärkere Kathoden mit hohem Nickelgehalt. Diese wiederum können nur mit Lithiumhydroxid hergestellt werden. „Darüber hinaus sind diese Kathoden kostengünstiger, da das knappe und teure Kobalt zu einem erheblichen Teil durch reichlich verfügbares Nickel ersetzt wird“, heißt es bei der Schmutz-Firma ACISA.
Ganz ähnlich argumentiert Siyamend Ingo Al Barazi von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA). „Der Kathodenmechanismus ist entscheidend für die Gesamtkobaltnachfrage“, meint der Geologe der DERA, die 2010 bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe eingerichtet wurde. Womöglich hat der absehbare Trend weg vom Kobalt auch schon Einfluss auf die Rohstoffbörse gehabt: „Der Preis für eine Tonne Kobalt hat sich in den vergangenen Monaten fast halbiert“, sagt Al Barazi. Obwohl die Nachfrage steigen wird: von aktuell 117.000 auf 225.000 Tonnen 2026.
2017 war der Geologe im Kongo. Gut vier Fünftel des Kobalts wird in „ganz normalen Industriekomplexen“ von internationalen Bergbaukonzernen gewonnen. Ein Fünftel entfalle auf den mehr oder weniger legalen Abbau mit Hacke und Schaufel, der häufig von den Behörden geduldet werde. Bis zu 200.000 Menschen arbeiten seiner Schätzung nach und nicht selten unter schäbigen Bedingungen in diesem Kleinbergbau. Minderjährige – Amnesty und African Ressources Watch weisen immer wieder auf den Einsatz von Zehntausenden Kindern hin – hat Al Barazi in den vom ihm besichtigten Minen nicht gesehen. Doch dass sich ganze Familien der Kobaltgewinnung widmen, ist unstrittig und nachvollziehbar, wie Al Barazi vorrechnet: Eine Tonne Erz enthält zwei Prozent Kobalt. Bei einem Kobaltpreis von gut 50 000 Dollar wie im Jahr 2016 bleiben also gut 500 Dollar hängen. Indes ist dieses Preisniveau wie erwähnt nun erstmal vorbei.
Bemerkenswert ist die Dominanz chinesischer Unternehmen in der Weiterverarbeitung des Kobalts, der Raffinadeproduktion. Außer der finnischen Freeport Cobalt mit einem Anteil von 15 Prozent, der belgischen Umicore (drei Prozent) und des russischen BASF-Partners Nornickel (zwei Prozent) ist der Weltmarkt in chinesischen Händen. „Wir müssen deshalb nicht grundsätzlich Angst haben“, meint der Rohstoffmarktkenner Al Barazi. Die Chinesen hätten ein Eigeninteresse an stabilen Lieferbeziehungen. Und wenn es mal Ängste gegeben habe, so seien die inzwischen aus dem Markt verschwunden – wie an der Preisentwicklung für Seltene Erden in den vergangenen Jahren abzulesen sei. Einige Jahre schossen die Preise nach oben, China hatte Zugriff auf die wichtigsten Minen. Doch die Lage hat sich stabilisiert.
Bei Kobalt ist es ähnlich. Von 2020 an erwartet Al Barazi einen zunehmenden Anteil von Batterien mit einem Kathodenmaterial im Verhältnis 8:1:1 – 80 Prozent Nickel und jeweils zehn Prozent Mangan und Kobalt. Heute haben die gebräuchlichsten Batterien ein Verhältnis von 5:3:2 – der Anteil von Mangan und Kobalt würde sich also halbieren, sofern sich die Technologie durchsetzt.
BASF setzt darauf. Der weltweit größte Chemiekonzern will Milliarden in die Herstellung von Kathodenmaterial investieren und bezieht das Nickel dafür vorrangig aus Russland. Um die erforderlichen Mittel zu generieren, verkauft BASF in diesem Jahr seine Öl-und Gas-Tochter Wintershall/DEA. Ein neuer Rohstoff ersetzt einen alten. Alfons Frese