„Klimaschutz könnte für uns ein Aushängeschild werden“

Großbritannien dreht seine Ehrenrunde in der Europäischen Union. Adrian Gault ist amtierender Vorsitzender des Committee on Climate Change (CCC) in London, das die Klimaschutzziele für Großbritannien erarbeitet. Im Interview erklärt er die Folgen des Brexits für die britischen Emissionsziele

veröffentlicht am 13.02.2018

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Herr Gault, Umweltschützer sorgen sich, dass die Vorreiterrolle des Königreichs beim Klimaschutz mit dem Brexit endet. Teilen Sie die Sorge?


Nein, ich bin da zuversichtlich. Natürlich ist die Situation gerade unübersichtlich und es gibt viele offene Fragen. Eine der wichtigsten ist, ob und wie Großbritannien künftig in den EU-Emissionshandel eingebunden sein wird. Aber das grundsätzliche Bekenntnis zum Klimaschutz ist in der britischen Politik so fest verankert, dass ich mir keine großen Sorgen mache.


Was stimmt Sie so optimistisch?


Die Grundlage unserer Arbeit – der Climate Change Act von 2008 – ist eine nationale Gesetzgebung. Der wird vom Brexit gar nicht tangiert, was für uns sehr bedeutsam ist, denn darin sind die maßgeblichen Ziele langfristig verankert. So sollen die Emission bis 2050 um 80 Prozent sinken im Vergleich zu 1990.


Es gilt als das erste Klimaschutzgesetz dieser Art weltweit mit weitreichenden Folgen für die konkrete Politik.


Damals war das in dieser Form sicher einmalig. Sie müssen wissen: Es gab damals nur fünf Gegenstimmen im Parlament. An diesem Rückhalt hat sich bis heute aus meiner Sicht nicht viel verändert. Eine der ersten Amtshandlungen von Premierministerin Theresa May nach dem Brexit-Votum war es, unsere recht ehrgeizigen Emissionsziele für die Jahre 2028-2032 anzunehmen. Gerade der Klimaschutz könnte ein Aushängeschild für das Großbritannien außerhalb der EU werden.


Das Committee Climate on Climate Change (CCC) wurde als Teil des Klimaschutzgesetzes etabliert. Sie schlagen der Regierung Ziele für Emissionsreduktionen vor und kontrollieren die Fortschritte. Muss die Regierung machen, was Sie sagen?


(lacht). Das nicht, formell beraten wir als Expertengremium die Regierung und machen Vorschläge. Bei den Emissionszielen sind bislang aber alle Regierungen unseren Vorschlägen gefolgt, die nun Gesetzeskraft haben. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch Reibungspunkte gibt.


Welche?


Wir haben in der Vergangenheit große Fortschritte gemacht, etwa bei der Emissionsreduktion im Energiesektor durch das Abschalten von Kohlekraftwerken. Von 1990 bis 2016 gingen die Emissionen um 42 Prozent zurück, das ist deutlich stärker als im Schnitt der wirtschaftsstarken G7-Länder. In der Gegenwart erfüllt das Land auch in anderen Bereichen seine selbst gesteckten Ziele. Für die Zukunft haben wir aber die Sorge, dass wir dahinter zurückfallen. Ein Beispiel: Die Regierung hat angekündigt, ab 2040 keine neuen Verbrennungsautos mehr zuzulassen. Das ist aus unserer Sicht etwas zu langsam, da der wachsende Verkehr zusammen mit dem Wärmemarkt aktuell die größte Herausforderung ist.


Was würden Sie vorschlagen?


Um unsere Ziele zu erreichen, müssten wir 2030 einen Niedrig-Emissions-Anteil von 60 Prozent bei Neuwagen haben und 2035 dann 100 Prozent. Alte Autos sind dann ja auch noch länger auf den Straßen unterwegs.


Aktuell kritisieren Sie auch die Clean Growth Strategy der Regierung.


Aus ähnlichen Gründen: Sie geht uns nicht weit genug, wenn wir die gesetzlich verankerten Ziele über das Jahr 2030 hinaus erreichen wollen. Ziele müssen ja mit konkreten Maßnahmen untermauert werden und je weiter wir in die Zukunft schauen, desto unkonkreter ist die Strategie. Im Wärmemarkt, etwa bei der Energieeffizienz von Gebäuden, steht uns ein Kraftakt bevor – da geht es uns wie Deutschland.


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