Standpunkte Mehr Einkommen gleich mehr Wohlstand?

Investitionen in den Umwelt- und Klimaschutz sind keine konventionellen Wohlstandsvermehrer, stellt Andreas Troge in seinem Standpunkt klar. Das ist Investitionen in den Erhalt des Naturkapitals.

von Dr. Andreas Troge

veröffentlicht am 06.08.2017

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Wer heute Parteiprogramme; Presse-Informationen der Bundesregierung, Verlautbarungen von Umweltverbänden oder einzelner Wirtschaftsverbände wahrnimmt, kann schnell dem Eindruck verfallen: Prima, die „ökologische Modernisierung“ oder gar eine „ökologische Industriepolitik“, schaffen mehr Arbeitsplätze, damit Einkommen, damit Wohlstand (oder zumindest eine wichtigen Komponente desselben). Immerhin meldete das Statistische Bundesamt kürzlich: Im Jahr. 2015 erwirtschafteten in Deutschland rund 250.000 Beschäftigte einen Umsatz in Höhe von rund 66 Milliarden Euro mit Gütern, die dem Umweltschutz dienen. Und – so das Umweltbundesamt – die „grünen Zukunftsmärkte“ dürften global von zwei Billionen Euro im Jahr 2011 auf 4,4 Billionen Euro im Jahr 2025 wachsen. Deutschland kann hoffen, hiervon mit mehr Arbeitsplätzen und mehr Einkommen zu profitieren, liegen seine Weltmarktanteile – je nach Produktgruppe – derzeit zwischen zehn und 23 Prozent.


Also, machen wir das doch, so dass „unser“ gewohnter Wohlstand weiter wachsen möge! Diese Schlussfolgerung wäre voreilig: Denn mehr in den Umweltschutz, insbesondere in den Klimaschutz zu investieren, bedeutet gerade nicht, dass das Wirtschaftswachstum unseren bisherigen Konsum oder die gewohnten Investitionen für die üblichen Produkte steigert. Schließlich fließen die Einkommen aus der „ökologischen Modernisierung“ in die Stabilisierung und Verbesserung des Naturhaushalts, für dessen Substanzerhaltung  wir bisher nicht genug taten. Und bei erfolgreichen Investitionen zugunsten des Naturhaushalts, speziell in den weltweiten Klimaschutz, gilt: Als Ergebnis dürfte sich das Verlustrisiko für unser menschengemachtes Vermögen vermindern. Mehr Umweltschutzarbeitsplätze helfen uns also wirklich, aber nicht bei der Einkommenssteigerung, sondern bei der Vermögenssicherung!


Deutschland steht in der Umwelttechnik gut da


Sicher: Die weltweit positive Entwicklung umweltschonender Techniken in den vergangenen Jahren zeigt, dass sich Innovationen für und Investitionen in  den Umweltschutz auch wirtschaftlich lohnen. Für Deutschland – einem der technisch führenden und exportintensiven Industrieländer – ergeben sich hier zahlreiche Chancen. Deutschland ist und kann ein wichtiger Impulsgeber auf den globalen Märkten für umweltschonende Güter bleiben, indem es Innovationen zugunsten des Umwelt-, speziell des Klimaschutzes, stimuliert, die auch international zunehmend gefragt sind.


Klar, damit gehen gerade in Deutschland (zumindest anfänglich – Vergleich Photovoltaik-Module) positive Beschäftigungsimpulse, steigende heimische Einkommen und damit Wirtschaftswachstum einher. Das heißt jedoch nicht, dass unserer privaten Konsum- und unsere Investitionen real in den seit Jahrzehnten gewohnten Bahnen fließen: Mehr Beschäftigung in der Herstellung und damit mehr Einkommen aus umweltschützenden Gütern bedeutet nun einmal, das Güter zur Entlastung des Naturhaushaltes produziert werden und nicht für die hergebrachten Konsum- sowie Investitionsgüter. Was wir lange gewohnt waren, macht nicht diesen Teil des Wirtschaftswachstums aus. Mehr Arbeitsplätze zugunsten des Klimaschutzes oder der biologischen Vielfalt, sind Einkommen zugunsten des Naturhaushalts und nicht mehr Güter für den angestammten (privaten und öffentlichen) Konsum sowie üblicher Investitionen.


Investitionen in die Stabilisierung des Naturhaushalts


Sicher ist richtig: Es ist wirklich für unseren und den weltweiten Wohlstand unsinnig, mit konventionellen Produktions- und Konsumweisen und deren fortgesetztem Wachstum das Naturvermögen und das von uns Menschen geschaffene Vermögen zusätzlich mittels hergebrachtem Wirtschaftswachstums aufs Spiel zu setzen. Denn dieses bedeutete, dass auf der einen Seite immer mehr Einkommen entstehen, auf der anderen Seite aber das angesammelte Vermögen an Naturgütern und am menschengemachten Vermögen (etwa wegen der Klimaänderungsfolgen) weiter abnähme. Und ich bin überzeugt: Global, in der EU und in Deutschland sind allein die Investitionen in den Umweltschutz bei weitem nicht einmal eine ausreichende Re-Investition für die (nirgendwo wirklich belastbar gerechneten) Abschreibungen, die wir – insbesondere in den alt-industriellen Ländern – auf den Naturhaushalt zu verantworten haben.


Auf absehbare Zeit können wir uns mit „ökologischer Modernisierung“ nur besser als ohne diese Stellen. Aber – ganz wichtig – liebe Politiker, Politikerinnen, Parteien, Umwelt und Wirtschaftsverbände, Journalistinnen und Journalisten: Sagen Sie den Menschen, dass Wirtschaftswachstum zukünftig weniger der hergebrachten Güterversorgung dient, sondern dem Wiederaufbau des Naturvermögens sowie dazu, die Bedrohung unseres selbst geschaffenen Vermögens durch die Naturgewalten zu verringern.


Weiter so bedeutet Vermögensverluste


Der Kernbotschaft meiner Sichtweise, die nicht nur auf Wirtschaftswachstum als Quelle der Wohlstandssteigerung schaut, sondern auch auf die Vermögensverluste, die bei fortgesetzter konventioneller Wachstumspolitik drohen, ist: Die gesellschaftliche, insbesondere im politischen Raum verbreitete  Myoptie (Kurzsichtigkeit) ist zu überwinden, die gar nicht danach fragt, wieviel Naturvermögen und menschengeschaffenes Vermögen wir den nachfolgenden Generationen als Grundlage ihrer eigenen Entwicklung überlassen dürften.


Die Hauptursache der gesellschaftlichen Kurzsichtigkeit scheint mir darin zu liegen, dass die Anreize wenig ausgeprägt sind, wenigstens das, was wir halbwegs auch für die zeitlich ferner liegenden Folgen unseres Tuns gegenwärtig wissen, in unsere heutigen Entscheidungen einzubeziehen. Angesichts der vorherrschenden Verhaltensregeln gewöhnten wir uns als Unternehmen, private Haushalte, Staat, supranationale Organisationen schlicht daran, auf die längerfristige Perspektive weitgehend zu verzichten oder die fernere Zukunft in unseren Entscheidungen mit niedrigem Stellenwert einfließen zu lassen.  Die Vordringlichkeit des Befristeten wird von einer pragmatischen Regel, das zeitlich Drängende schnell zu erledigen zu einem normativen Postulat, welches die Bedeutung des zu entscheidenden Inhalts bloß noch auf eine Zeitdimension reduziert, den materiellen Gehalt der Entscheidung jedoch vernachlässigt.


Aber das ist ein neues Thema!


Andreas Troge war von 1995 bis 2009 Präsident des Umweltbundesamtes (UBA).

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