Zur Schiffstaufe reiste der Star-DJ David Guetta zur Meyer Werft ins niedersächsische Papenburg. 25.000 Menschen bestaunten zu den Elektroklängen des Franzosen eine Weltneuheit: das erste Kreuzfahrtschiff, das mit Flüssiggas (LNG) fährt und so deutlich weniger Emissionen ausstößt als seine stinkenden Schwesterschiffe. Nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern ab sofort.
Diese Woche wurde die „Aidanova“ in Bremerhaven an die Kreuzfahrtreederei übergeben, noch vor Weihnachten startet die erste Kanaren-Rundfahrt mit Passagieren an Bord, von denen die meisten das Kürzel LNG dann wohl zum ersten Mal hören werden. Aktuell ist der schwimmende Palast auf dem Weg nach Teneriffa.
Ein Anfang ist gemacht. Doch der Weg zu einer emissionsarmen Schifffahrt ist noch weit, und die Zeit ist knapp. Zur Eile drängten am gestrigen Donnerstag auch die Redner der Statustagung Maritime Technologien in Berlin, die vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Forschungszentrum Jülich organisiert wurde.
Das im Frühjahr verabschiedete historische Klimaabkommen für die Schifffahrt sieht eine Halbierung der Emissionen bis 2050 vor – bei wachsendem Welthandel. Da Schiffe oft rund 25 Jahre im Einsatz sind, fallen schon in den kommenden Jahren die Investitionsentscheidungen, von denen abhängt, ob das Ziel erreicht wird.
Wissenschafts- und Wirtschaftsgemeinde müssten „schnell bewerten, was aus dem großen Blumenstrauß an denkbaren Kraftstoffen – das sind Dutzende – wirklich möglich ist“, appellierte Bert Buchholz, Professor für Schiffsmotoren an der Universität Rostock an die knapp 300 Forscher, Manager und Lobbyisten im Saal. LNG, LPG, Wasserstoff, Methanol, synthetische Gase, Biofuels – und, und, und. Letztlich werden sich höchstens drei Kraftstoffe durchsetzen, so die Prognosen.
Um den Ausleseprozess zu beschleunigen und die maritime Technologieindustrie in Deutschland zu stützen, brachte der seit April amtierende neue Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann (CDU), einen Scheck für die Entwickler mit: 45 Millionen Euro fließen in den nächsten vier Jahren zusätzlich als Fördermittel in die Forschung, um die maritime Energiewende zu beschleunigen.
„Es herrscht unter den maritimen Motorenbauern eine regelrechte Aufbruchstimmung. Die Branche will saubere Technologien für saubere Schiffe“, sagte Brackmann. „Hierzu bedarf es wirksamer Förderinstrumente zur Forcierung der Technologieentwicklungen und Planungssicherheit für Unternehmen.“ Er wolle den Forschungsstandort Deutschland international positionieren, so Brackmann, dessen Posten direkt bei Energieminister Peter Altmaier (CDU) angesiedelt ist.
Das Ziel, das die Politik den Ingenieuren auf den Weg gibt, sind Null-Emissionen-Schiffe. Die UN-Schifffahrtsorganisation IMO strebt eine komplett emissionsfreie Weltschifffahrt zwar erst gegen Ende des Jahrhunderts an, aber auch um die Zwischenziele zu erreichen, müssten viele Schiffe schon in nicht allzu ferner Zukunft ohne klimaschädliche Abgase auskommen. Da die Weltflotte je nach Rechnung zwischen 70.000 und 100.000 Schiffen groß ist, jährlich aber nur etwa 2500 Frachter in Dienst gestellt werden, rücken auch die bereits fahrenden Schiffe in den Klimablick.
Umrüstungen und Umstellungen alter Schiffe auf neue Kraftstoffe müssten deshalb genauso erforscht werden wie neuartige Motoren, so Schiffbauexperte Buchholz: „Das Thema Retrofit wird uns die nächsten Jahrzehnte durchgängig begleiten, weshalb es als eigenes Forschungsfeld beachtet werden sollte.“ Hohe Hürden gibt es etwa bei Binnenschiffen, die im Schnitt noch deutlich älter sind als die Ozeanriesen: Viele Frachter auf Elbe und Rhein sind uralt. Das Alter liegt im Durchschnitt (!) bei mehr als 60 Jahren. Da sind die technischen Möglichkeiten für eine Modernisierung begrenzt. Dafür könnte auf den Kurzstrecken künftig eine Technologie zum Einsatz kommen, die auf den Ozeanen nach heutigem Stand ausgeschlossen ist: Elektroantriebe mit Batterien an Bord.
Während die Aidanova gerade in die Sonne unterwegs ist
und sich die Crew mit der neuen Technik vertraut macht, laufen in der Meyer
Werft in Papenburg übrigens bereits die Vorbereitungen für den Bau der nächsten
beiden Kreuzfahrtpaläste mit Gasantrieb. Die neuen Schwesterschiffe sollen 2021
und 2023 an die Reederei übergeben werden. Bis dahin dürften viele Passagiere auch
wissen, was sich hinter dem komischen Kürzel LNG verbirgt.