„Bitte keinen Schnellschuss beim Verbrennungsmotor“, so hat Ernst Ulrich von Weizsäcker die Jamaika-Koalitionäre gewarnt. Als Gründe dafür nennt er den heutigen Strommix, mit dem das E-Auto eher klimaschädlicher fahre als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Und er verweist auf die Möglichkeit, Verbrennungsmotoren mit klimaneutralem Kraftstoff zu füttern. Was halten Sie von den Äußerungen Weizsäckers?
Von dem, was Herr von Weizsäcker sagt, ist nichts richtig. Das ist auch deshalb so problematisch, weil er zu einem der renommiertesten Wissenschaftler Deutschlands gehört und obendrein noch Co-Präsident des Club of Rome ist. In dieser Rolle hat er eine Verantwortung, der er nun nicht gerecht geworden ist. Das war ja kein durchdachtes Papier, wie wir das von ihm gewohnt sind. Sondern einfach ein paar schnell geschriebene Spiegelstriche. So geht man nicht mit ernsthaften Sachverhalten um.
Warum genau sind seine Äußerungen aus Ihrer Sicht falsch?
Zu seinem Argument, dass das E-Auto von der Klimabilanz her schlechter ausfällt, ist klar zu sagen, dass das so nicht stimmt. Es ist durch Studien belegt, dass das E-Auto deutliche Vorteile gegenüber dem Verbrenner hat, auch schon beim heutigen Strommix. Klar ist auch, dass der Strommix sich immer weiter Richtung erneuerbare Energien verschieben wird.
Zudem führt Weizsäcker ja die Power-to-Gas-Technologien (PTG) an. Es ist sehr sinnvoll, Überschussstrom aus Windkraft zu nutzen, wenn er denn vorhanden ist. Aber es ist nicht sinnvoll, darauf eine Strategie für Pkw aufzubauen. Der Grund für diese Überschüsse sind Netzengpasssituationen. Die gesamte Energiepolitik wird jetzt allerdings darauf ausgerichtet, solche Situationen mehr und mehr zu vermeiden.
Auch wenn man nun nicht Überschüsse benutzen würde, sondern den regulären Strom aus erneuerbaren Energien, schneidet die PtG-Lösung sehr viel schlechter ab. Das Verhältnis ist hier eins zu sechs: Wenn man batterieelektrisch fährt, braucht es ein Windrad. Wenn man methanisiert fährt, braucht es sechs Windräder. Das macht doch sehr deutlich, dass PTG oder Power-to-Liquid keine sinnvollen Lösungen für den Pkw-Sektor sind. Bei Flugzeugkraftstoffen sieht das natürlich anders auch. Da sind synthetische Kraftstoffe sicher eine wichtige Zukunftstechnologie.
Sind Sie der Meinung, es brauche ein staatliches Verbot des Verbrennungsmotors, weil der Verkehrssektor anders seinen Beitrag zum Klimaschutz nicht leisten wird?
Die Frage, ob man das jetzt über ein Verbot regelt wie sich das beispielsweise in Frankreich andeutet, steht gar nicht an erster Stelle. Die vorrangigste Aufgabe ist, jetzt sehr offensiv in die Elektromobilität einzusteigen. Dafür braucht es meiner Meinung nach kein explizites Verbot.
Und was braucht es dann, damit mehr E-Autos auf die Straße kommen und der Verbrennungsmotor verschwindet?
In der letzten Legislaturperiode haben wir als Bundesumweltministerium den Vorschlag gemacht, das über eine E-Quote beim Neukauf von Pkw zu regeln. Sie würde neben den anderen Förderinstrumenten gelten. Eine solche Quote stellt sicher, dass im gesamten Anteil verkaufter Pkw ein Mindestanteil von E-Autos vorhanden sein muss.
Sowohl E-Quote wie Verbot sind staatliche Eingriffe, wo liegt genau der Unterschied?
Die Quote beschreibt den Einstieg und sorgt dafür, dass unsere Automobilindustrie den Anschluss nicht verpasst. Sie schreibt einen Mindestanteil vor und kann dann weiter ansteigen und tatsächlich auf 100 Prozent gehen, was dann eigentlich einem Verbot gleich kommt. Ich glaube aber gar nicht, dass es so weit kommen wird. Wenn wir jetzt einen guten Einstieg in die Elektromobilität schaffen, also E-Quote plus Förderinstrumente, dann wird die Marktentwicklung ganz automatisch die 100 Prozent erreichen und der Verbrenner verschwindet.
Unsere ganze Infrastruktur ist auf den Verbrennungsmotor angelegt. Wie ressourceneffizient ist es denn, diese ganzen Fahrzeuge nach und nach auszumustern?
Es geht überhaupt nicht um den vorhandenen Wagenpark. Es geht ausschließlich darum, was sich im Neuwagenpark tut. Es geht darum, zu regeln, wie der E-Auto-Anteil im Verhältnis zum konventionellen Angebot steht. Die Verbrenner, die es jetzt gibt, werden erst gehen, wenn ihre Zeit gekommen ist.
Was ist eigentlich aus dem Ziel der Bundesregierung „Eine Million E-Fahrzeuge“ bis 2020 geworden? Das gibt es seit vielen Jahren und dann ist es 2017 einfach unter den Tisch gefallen.
Wir haben das Ziel nicht beerdigt. Denn das Ziel bleibt richtig, auch wenn wir erkennbar hinterher hinken. Es fehlten lange Anreize von den Automobilherstellern und genügend attraktive Modelle für den Verbraucher. Das hat sich aber nun geändert, im Markt tut sich was. Die Zahlen sind zwar immer noch relativ klein, aber sie steigen.
Würden Sie den Grünen jetzt raten, von Ihrer Forderung nach einem staatlichen Verbot des Verbrennungsmotors bis 2030 abzusehen?
Als scheidender Staatssekretär möchte ich keine Ratschläge an die Grünen oder die anderen Parteien aussprechen. Jeder, der die Materie kennt, weiß, was dringend notwendig ist: Ein offensiver Einstieg in die Elektromobilität und den bekommt man – wie gesagt – über die E-Quote in Ergänzung der Förderinstrumente hin. Auch die Hersteller steigen nun ein und bieten zudem Ladeinfrastruktur an. Das in der Summe wird eine Dynamik auslösen. So wird der Verkehr endlich seinen Anteil an der Minderung der Treibhausgasemissionen leisten.
Es ist seit zehn Jahren klar, dass Deutschland seine Klimaziele 2020 verfehlen wird und dass der Verkehrssektor seinen Beitrag nicht geleistet hat. Warum hat man nicht schon viel früher über ein Auslaufen des Verbrennungsmotors diskutiert?
Wir haben es den jeweiligen Ministerien überlassen, für ihren jeweiligen Bereich die Instrumente zu entwickeln. Das hat der Verkehrsminister nicht ausreichend getan. Aber auch der Stromsektor hat nicht ausreichend geliefert. Es gibt zu viele Kohlekapazitäten im Markt. Das sind die beiden großen Baustellen und für den Klimaschutz braucht es Fortschritte in beiden Bereichen.