Deutschland, Automobilnation: Um diesen Ruf steht es derzeit nicht allzu gut. Während etwa in den USA und China Fahrzeuginnovationen immer schneller aufeinander folgen, dominiert in den deutschen Autofabriken noch immer Schema F. Und selbst als dieses Schema nicht mehr mit den Gesetzen übereinstimmte, ließ man nicht davon ab. Statt Energie und Innovationsgeist in eine tatsächliche Verbesserung der Abgaswerte zu investieren – oder sogar in alternative Antriebe – flossen sie in Manipulationen und Absprachen, um visionslos am grundsätzlichen Muster festhalten zu können.
Damit haben Automobilkonzerne bewusst geltendes Recht gebrochen, die Gesundheit der Menschen wissentlich gefährdet und die eigene Zukunftsfähigkeit aufs Spiel gesetzt – die Zukunftsfähigkeit einer Industrie, die als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gilt. Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgen für unser Klima, wenn der CO2-Ausstoß im Verkehr unverändert hoch bleibt. Aber warum sperrt sich die deutsche Autoindustrie gegen den nötigen Wandel und überlässt die Entwicklung von Zukunftstechnologien anderen?
Wir kommen nicht umher, für die Antwort auf diese Frage die Politik in den Fokus zu rücken. Das entlastet in keiner Weise die Verantwortlichen in den entsprechenden Unternehmen. Sie werden sich nicht zuletzt vor ihren Belegschaften, deren Zukunft sie verspielen, rechtfertigen müssen. Aber die aktuelle Situation geht nicht allein auf sie zurück. Unsere Lage ist auch desaströser Governance zuzuschreiben.
Die Bundesregierung hat mit den Unterschriften unter das Pariser Klimaschutzabkommen und die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung die Richtung vorgegeben, aber für die Autoindustrie keine Konsequenzen abgeleitet. Im Klimaschutzplan 2050 hat sie zwar benannt, wieviel CO2 der Verkehrssektor deshalb einsparen muss – aber auch hier fehlen die Maßnahmen. Gleichzeitig hat sie sich in der EU den meisten Initiativen zur Senkung des CO2-Ausstoßes in den Weg gestellt.
Die Regierung hat bei der deutschen Autoindustrie falschen Protektionismus walten lassen. Beim Katalysator, beim Dieselrußfilter, beim Hybridantrieb: Immer wieder versucht sie, die heimischen Hersteller vor ökologischem Innovationsdruck zu schützen – und schadet ihnen damit.
China und Kalifornien unterstützen derweil mit einer Quote die heimischen Hersteller. Sie schafft einen Markt für Elektromobilität und ermöglicht ihnen den Einstieg in die Massenproduktion von E-Fahrzeugen. Das ist der marktwirtschaftliche Weg, Innovationen auf die Straße zu bringen. Auch klimapolitisch ist die Quote sinnvoll, denn die stetige Effizienzsteigerung der Verbrennungsmotoren führt nicht zur Klimaneutralität. Stattdessen geht es darum, den Anteil von Null-Emissionsfahrzeugen passend zum 2-Grad-Ziel immer weiter zu erhöhen. Ab 2030 dürfen keine Neufahrzeuge mehr zugelassen werden, die einen reinen Benzin- oder Dieselantrieb haben.
Zu einem verbindlichen und ganzheitlichen Verkehrskonzept, das ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Kriterien Rechnung trägt, gehört aber nicht nur eine Quote für E-Autos und ein konkretes Ausstiegsdatum für Verbrennungsmotoren. Dazu gehören auch Überlegungen, wie sich etwa mit Power-to-X-Kraftstoffen insbesondere der Straßengüter-, Schiffs- und Flugverkehr zukunftsfähig machen kann. Doch es wäre zu kurz gegriffen, nur auf Antriebe zu blicken: Ein Masterplan für einen zukunftsfähigen Verkehr muss auch Mobilitätskonzepte enthalten, um etwa die Abhängigkeit vom Pkw zu reduzieren.
Die Regierung muss mit einem ganzheitlichen Plan für den Verkehrssektor ihre Fehler wieder gutmachen. Sie muss endlich begreifen: Kurzfristige Wirtschaftsinteressen dürfen nicht über demokratischen Beschlüssen und der Gesundheit der Bürger stehen. Nur die Gestalter der ökologischen Transformation werden letztlich auch ökonomisch profitieren.
Zum Autor: Eberhard Brandes ist Geschäftsführender Vorstand beim WWF Deutschland.