Strom- und Gasnetze sind nicht nur essenziell bei der Versorgung der Verbraucher mit Energie. Sie spielen auch eine zentrale Rolle bei der Energiewende. Ohne leistungsfähige Strom- und Energienetze erreicht kein noch so sauber produzierter Solar- oder Windstrom den empfangsbereiten Endverbraucher. Ohne gut gepflegte Netze kann es in Deutschland schnell dunkel, wahlweise kalt werden. Ohne fortentwickelte Stromnetzstrukturen können wir ein Rollout der Elektromobilität schon im Ansatz vergessen. Die Herausforderungen an die Netzbetreiber sind mit der Energiewende dramatisch gestiegen. Wenn Sie all dies schon wissen, dann haben Sie vielleicht auch eine Antwort auf diese Frage: Warum sollen die Betreiber von Gas- und Stromnetzen ab 2018 beziehungsweise 2019 eine (so stark) absinkende Eigenkapitalverzinsung erhalten? Das passt doch nicht zusammen.
Der Betrieb von Strom- und Gasnetzen ist in Deutschland streng reguliert. Gleich mehrere Rechtsnormen regeln die Pflichten der Netzbetreiber. Diese sind insbesondere „verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist“, § 11 Abs. 1 Satz 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).
Die Bundesnetzagentur und weitere Landesregulierungsbehörden überwachen den Netzbetrieb. Ein zentraler Baustein ihres Tätigwerdens sind die Netzentgelte.
Netzentgelte bedürfen der Prüfung und Genehmigung durch die Regulierungsbehörden, was natürlich richtig ist, um einen effektiven Schutz der regelmäßig alternativlosen Netznutzer zu sichern. Die Behörden setzen für jeden Netzbetreiber eine sogenannte Erlösobergrenze fest. Um sie zu bestimmen, ist die Ermittlung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung notwendig, was unter Anwendung von Eigenkapitalzinssätzen für Alt- und für Neuanlagen erfolgt. Diese Eigenkapitalzinssätze setzt bundeseinheitlich die Bundesnetzagentur fest, und zwar immer vor Beginn einer Regulierungsperiode. Das tat sie im Oktober 2016 für die dritte Regulierungsperiode.
Für die Jahre 2019 bis 2023 im Bereich Strom und die Jahre 2018 bis 2022 im Bereich Gas senkte die Bundesnetzagentur die Eigenkapitalverzinsung. Lag diese bisher bei einem Eigenkapitalzins für Neuanlagen bei 9,05 Prozent, soll sie – geht es nach der Bundesnetzagentur – nun nur noch bei 6,91 Prozent stehen. Für Altanlagen sieht die Regulierungsbehörde nur noch 5,12 Prozent statt wie bisher 7,14 Prozent.
Da ein Prozentpunkt etwa einem Volumen von einer Milliarde Euro pro Jahr entsprechen dürfte, stünden für den Betrieb, den Erhalt und den Ausbau der Netze Milliardenwerte nicht mehr zur Verfügung – bei etwa zwölf Milliarden Netzkosten im Jahr insgesamt geht es hier schon in die Substanz.
Gegen die Absenkung des Eigenkapitalzinses qua Festsetzung wurde rund 1100 Beschwerden bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Rund 600 liegen bei der Kanzlei der Autorin, bei Becker Büttner Held (BBH). Das Gericht wird einige der Verfahren (als quasi Muster) am 17. Januar 2018, 10.00 Uhr, verhandeln.
Die Kritik der Betreiber der deutschen Strom- und Gasnetze liest sich überzeugend. Wenn die Netzbetreiber den im Rahmen der Energiewende dringend benötigten Netzausbau vorantreiben sollen, wenn die Netze weiter instandgehalten und modernisiert werden sollen, dann muss es eine Rendite geben, die das unternehmerische Risiko des Netzbetriebs angemessen würdigt. Das tut die seitens der Bundesnetzagentur festgesetzte Verzinsung nicht. Nicht nur, dass dieses Absenken generell an der am Markt beobachtbaren Rendite vorbei geht. Die Bundesnetzagentur setzt bei der Bildung der Eigenkapitalzinssätze einen Wagniszuschlag an, der die netzbetriebsspezifischen unternehmerischen Wagnisse nicht mehr abbildet. Die Branche spricht von richtigen Eigenkapitalzinssätzen, die um und über acht Prozent liegen müssen.
Anders als beim zweiten Faktor der Eigenkapitalzinsbildung, dem Summand Basiszinssatz, ist eine Berechnungssystematik nicht explizit rechtlich verankert. Es gibt kein bestimmtes wissenschaftliches Modell, keine vorgegebene Ermittlungssystematik. Auch Vorschriften für die verwendeten Parameter und Methoden finden sich in den einschlägigen Verordnungen nicht. Dem freien Spiel unterliegt die Festsetzung der Eigenkapitalzinssätze gleichwohl nicht. Es sind natürlich nur solche Zinssätze angemessen, die auch den finanzwissenschaftlichen Gegebenheiten entsprechen.
Hierzu wurden zahlreiche Gutachten erstellt; auch das Oberlandesgericht Düsseldorf hat ein solches in Auftrag gegeben. Folgt das Gericht diesem, können die Netzbetreiber ein Stück weit aufatmen. Zumal ein geänderter Eigenkapital-Zins auch auf die von der Bundesnetzagentur ebenfalls gerade ambitioniert gehandhabten Formelbestandteile Genereller Sektoraler Produktivitätsfaktor und Kapitalkostenaufschlag durchschlägt, die bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen aus Netzentgelten relevant sind.
Und ja, eine höhere Eigenkapital-Verzinsung bedeutet gewisse Mehrkosten für die Netznutzer, wenngleich die oft gehörte Aussage, dass heute niemand sein Kapital mit 6,91 Prozent oder 5,12 Prozent verzinsen kann, natürlich unzulässig die Eigenkapital- mit der Fremdkapitalverzinsung vermengt. Nicht immer sind die niedrigeren Netzentgelte die richtigen. Die Investition in starke Strom- und Gasnetze ist von volkswirtschaftlicher Bedeutung und auch für den Einzelnen wichtig. Schauen wir, was der Januar den Netzen noch bringt.