Die G20 wissen, was sie tun müssen. Soll die Erderhitzung bei deutlich unter zwei Grad gestoppt werden, darf es kein Weiter so geben. Heute und morgen haben die G20-Länder in Hamburg die Chance, weitreichende Veränderungen einzuleiten und das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben auf langfristig gesunde Füße zu stellen. In den vergangenen Tagen sind einige Studien erschienen, die zeigen, dass es gehen kann.
Wir, das sind wir alle. Wenn es um eine klimaschützende und umwelterhaltende Wirtschaft geht, bedeutet wir aber vor allem: die stärksten Industrie- und Schwellenländer, die größten Emittenten von Treibhausgasen und Kohlendioxid. Wir sind am stärksten gefragt, mit sauberen Technologien eine nachhaltige Wirtschaftsweise vorzuleben und damit uns und allen Nachahmern zu zeigen: Ein modernes Wirtschaftsmodell vereint Wachstum und Klimaschutz und wird auch unserem heutigen Lebensstil gerecht. Unsere alten ökonomischen und ja, auch gesellschaftlichen Modelle passen nicht mehr in die heutige Zeit. Öl und Kohle hatten ihre Zeit und sie haben, das soll nicht vergessen werden, ihre Verdienste: Sie haben die Industrialisierung in die Wege geleitet und vor allem ab der Mitte des 20. Jahrhunderts den Wohlstand sehr breit in die Bevölkerung getragen.
Heute verhält es sich genau andersherum: Wer heute auf die alten fossilen Brennstoffe setzt, riskiert, exakt die alten Errungenschaften aufs Spiel zu setzen. Um eine saubere Luft und intakte Landschaften zu erhalten, in denen wir gesund und in Sicherheit leben können, sind neue, zeitgemäße Konzepte gefragt. Wir benötigen bessere Ideen und neue Modelle, um die Wirtschaft im 21. Jahrhundert zu stärken. Die alten Ideen und die alten Modelle taugen nicht mehr. Viel gravierender: Sie zerstören unsere Lebensgrundlage.
Wer anders, wenn nicht die mächtigsten Staatschefs der Welt, könnte also das Ruder herumreißen? Niemand. In Hamburg sollten die G20 deshalb zeigen, dass sie verstanden haben und den Kurs korrigieren. Denn eigentlich ist es ja längst beschlossene Sache. Schon 2009 haben sich die G20 die Abkehr von den Subventionen auf fossile Brennstoffe auf die Fahnen geschrieben. Vor zwei Jahren haben die G7 beim Gipfel in Elmau die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft beschlossen und im November des gleichen Jahres wurde das Klimaschutzabkommen in Paris unterschrieben.
So weit, so gut die Theorie – doch sie muss nun in konkretes Handeln umgesetzt werden. Als erster Schritt sollte sofort die Subventionierung der schmutzigen Energie gestoppt werden. Noch immer fließen jedes Jahr rund 550 Milliarden Dollar in Öl, Kohle und Gas. Das wird von so manchem Gegner der Energiewende nur zu gerne verschwiegen: Fossile Energien erhalten weltweit fünf Mal so viel Geld wie die Erneuerbaren Energien. Für die mächtigen Industrien und ihrer Lobby hinter Öl, Kohle und Atom bringt jeder Tag mehr bares Geld. Mit jedem Tag steigen deshalb aber auch die Folgekosten, die die schmutzige Energieversorgung an Mensch, Klima und Umwelt hinterlässt, und es steigen die Kosten für Anpassungsmaßnahmen in der Geschichte.
Solange fossile Energieträger weltweit und jährlich mit Milliarden Euro direkt und indirekt gefördert werden, wird der Umstieg auf eine saubere und sichere Energieversorgung künstlich verzögert. Wenn Geld fließt, dann ist es in grünen Investments besser aufgehoben, weil mit ihnen neues Know-how entstehen kann und bessere Technologien entwickelt werden. Mit grünen Investments wird Zukunft gestaltet; fossile Investments sind der Schritt in die Vergangenheit. Sie bergen ein hohes Risiko für Fehlinvestitionen. Im besseren Falle wird nur der Stillstand verwaltet. Klimaschutz aber darf nicht länger ein Versprechen auf dem Papier sein, während real das Geld in überkommene, Schmutz produzierende Töpfe fließt.
Zweitens ist es wichtig, zügig Pläne für den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorzulegen. Eine saubere und nachhaltige Energieversorgung kann nur mit Erneuerbaren Energien gelingen. Dafür muss die Kohle auch tatsächlich im Boden verbleiben. Windenergie und Photovoltaik sind schon heute wirtschaftlicher als neue Kohlekraftwerke. Würden die Schäden eingerechnet, die schmutzige Energie an Klima, Umwelt und unserer Gesundheit anrichtet, wären die Erneuerbaren noch stärker im Vorteil. Die Hälfte aller Kohlekraftwerke in Deutschland ist heute älter als 25, ein Viertel sogar älter als 40 Jahre. Die alten Kohlemeiler haben niedrige Wirkungsgrade, hohe Emissionen und mangelnde Flexibilität. Mit ihnen können wir das Energiesystem der Zukunft nicht gestalten. Das Ende der Atomenergie ist zumindest in Deutschland absehbar, in anderen Ländern wie zum Beispiel in Großbritannien mit Hinkley Point C entwickelt sich die Planung zu einem finanziellen Fiasko.
Um den Klimaschutz mit marktwirtschaftlichen Instrumenten zu stärken, plädiert der Bundesverband Erneuerbare Energie deshalb für eine CO2-Steuer für Strom und Wärme. Im Gegenzug sollte die Stromsteuer weitgehend abgeschafft und die Einnahmen im Wärmebereich an Unternehmen und Haushalte zurückverteilt werden. Das würde zu einem faireren Wettbewerb führen und die EEG-Umlage senken. Wenn man die Industrieprivilegien, welche die stromintensive Industrie von der EEG-Umlage befreit, über den Bundeshaushalt finanziert, würde das die EEG-Umlage um weitere 1,5 Cent pro Kilowattstunde senken.Nur mit einem Preis auf den Ausstoß umwelt- und klimaschädlicher Emissionen lässt sich ein fairerer Wettbewerb zwischen CO2-emitierenden Kohlekraftwerken und sauberen Erneuerbaren Energien erreichen. Die CO2-Bepreisung muss sehr deutlich über der des Emissionshandels liegen, damit die Klimaziele erreicht werden können. Der Bundesverband Erneuerbare Energie hat bereits im vergangenen Jahr Vorschläge für eine CO2-Bepreisung, die mit dem europäischen Emissionshandel kombiniert werden kann, vorgelegt.
Der Abbau von Subventionen und ein Preis auf Kohlendioxid sind zwei sehr gangbare Wege, auf die sich die G20 begeben sollten. Farbe bekennen kann dabei auch die Bundeskanzlerin und klar benennen, wie Deutschland in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität Emissionen einsparen will. Ohne einen deutlich ambitionierteren Ausbau Erneuerbarer Energien wird das nicht gelingen. Für Deutschland und die anderen starken Industrieländer birgt das die große Chance, einen Modernisierungsschub in Gang zu setzen. Ausgeklügelte Konzepte und Technik sowie hohe Effizienz sollen das Merkmal der Wirtschaft der Zukunft sein.
Für Angela Merkel ist das eine Chance, sich mit dem G20-Gipfel in Hamburg wieder als starke Fürsprecherin für den Klimaschutz aufs internationale Parkett zurückzubringen. Deutschland galt über Jahrzehnte als Vorreiter in der Energiewende und auch wenn diese Rolle durch die restriktive Energiepolitik der vergangenen Jahre bröckelt – es ist nie zu spät, wieder zu den Spitzenreitern aufzuholen. Deutschland hat mit der Energiewende viel geleistet: Dank des EEG ist bereits ein Drittel unseres Stroms sauber.
Auch international setzen Länder wie China oder Indien seit einigen Jahren sehr stark auf Erneuerbare Energien. Die immensen technologischen Entwicklungen der vergangenen Jahre bei den Erneuerbaren Technologien, vor allem bei der Photovoltaik und Windenergie, befördern weltweit den rasanten Ausbau. Gleichermaßen ziehen Fortschritt und Preisrutsch bei Speichertechnologien nach, was zu viel mehr Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Unabhängigkeit führen wird. Eine dieser Tage veröffentlichte Studie von Greenpeace kommt zu dem Ergebnis, dass Erneuerbare Energien bis 2030 in allen G20-Staaten die kostengünstigste Lösung sein werden; Wind- und Solarenergie möglicherweise schon ab 2020.
Die saubere Energieerzeugung spielt eine Schlüsselrolle für den Klimaschutz. Einzelne Staaten können viel dafür tun, gewiss. Die internationale Gemeinschaft aber kann noch viel mehr tun. Das Treffen in Hamburg sollte starke Koalitionen hervorbringen. Starke Koalitionen können gezielt starke Impulse zur Dekarbonisierung setzen. Hier ist einiges denkbar.