Speicher gelten vielen als der Heilige Gral zur Vollendung der Energiewende. Die Logik dahinter erscheint unmittelbar nachvollziehbar: In Zeiten, in denen die umfangreich vorhandenen erneuerbaren Energien mehr einspeisen, als gerade gebraucht wird, werden Speicher gefüllt. In Zeiten knapperer Erneuerbaren-Produktion wird ausgespeichert. Aber: ist es wirklich so einfach? Wir haben uns bei EnBW einmal näher mit der Zukunft von Speichern beschäftigt. Das Bild, das sich ergeben hat, ist sehr differenziert.
Speicher haben viele Einsatzmöglichkeiten: Von der klassischen Arbitrage – dem „günstig einkaufen und teurer wieder verkaufen“ an der Strombörse – über das Angebot von Systemdienstleistungen für Stromnetzbetreiber, um die Versorgung stabil zu halten, bis hin zur Eigenverbrauchsmaximierung in privaten Eigenheimen oder dem Antrieb von Elektrofahrzeugen. Saisonale Speicherung über längere Zeiträume („im Sommer den Sonnenstrom für den Winter sammeln“) wird ebenso diskutiert wie die Nutzung von Speichern zur Überbrückung von Dunkelflauten, wenn vor allem im Winter die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, aber viel Strom nicht nur für die Weihnachtsbeleuchtung verbraucht wird.
Die gute Nachricht: Speicher sind sehr flexibel bei der Aufnahme und Abgabe von Strom und diese Flexibilität wird in Zukunft in größerem Umfang benötigt. Der Grund ist offensichtlich: um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen und den Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen um mindestens 80 Prozent zu verringern, müssen bis 2050 in Deutschland etwa 250 Gigawatt Solar- und Windkraftanlagen aufgestellt werden. Dies ist das Zweieinhalbfache der heute installierten Erneuerbaren-Kapazität.
Wenn der Wind kräftig weht und die Sonne brennt, ergibt das drei-bis viermal so viel Strom wie im Durchschnitt gebraucht wird. Und wenn nicht, dann eben auch einmal gar nichts. Oder sehr wenig. Da wäre es praktisch, möglichst viel Strom aufzubewahren. Der Bedarf dafür wird also deutlich ansteigen.
Wer also wird diese Speicher alle bauen und bezahlen? Und wie muss man sich das praktisch vorstellen? Die Antwort auf die erste Frage lautet: vermutlich werden Sie es sein, und Ihr Nachbar und die Autoren dieses Textes. Viele von uns werden in den kommenden Jahren nämlich zum Beispiel ein Elektroauto kaufen. Oder eines im Carsharing nutzen. Oder als Eigenheimbesitzer einen Heimspeicher in den Keller stellen. Es werden hunderttausende kleine Batteriespeicher in Gebäuden und Fahrzeugen im ganzen Land verteilt sein.
Wir stellen uns vor, dass diese Speicher miteinander vernetzt sind und dem Strommarkt zur Verfügung stehen. Das Besondere: Diese Speicher sind „eh da“. Sie werden gekauft, weil die Menschen selbsterzeugten Strom verbrauchen wollen oder eben von A nach B fahren wollen. Diese Batteriespeicher sind damit schon bezahlt, ihre Besitzer werden sie für ein vergleichsweise geringes Entgelt dem Strommarkt zur Verfügung stellen. Einfach, weil sie damit mit wenig Aufwand noch ein wenig Geld verdienen können.
Damit sind sie sind am Markt außerordentlich wettbewerbsfähig und können kurzfristig (maximal für wenige Stunden) diejenige Flexibilität bereitstellen, die zum Beispiel der Betreiber einer Windkraftanlage an einem windigen Tag händeringend sucht. Auch wenn das konkrete Potenzial heute noch schwer abzuschätzen ist: Wir werden im Jahr 2050 bis zu 28 Millionen Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen haben, die vermutlich künftig vollautomatisch be- und entladen werden. Dann wird es vollkommen normal sein und keine Komforteinbuße bedeuten, wenn die Batterien dieser Autos auch im Strommarkt genutzt werden.
Sind damit alle Probleme gelöst? Nein, denn das Stromsystem der Zukunft stellt Anforderungen, die über die Leistungsfähigkeit von Speichern weit hinausgehen. Eine Dunkelflaute kann leicht zu einem Strombedarf von 20 Terawattstunden führen. Alle Speicher in Deutschland werden zusammen aber nur 0,1 Terawattstunden Strom speichern können.
Das reicht für die oben beschriebenen, alltäglichen Schwankungen. Aber eben nicht, um tagelang alle deutschen Kraftwerke zu ersetzen. Für diese Wetterlagen werden wir auch zukünftig ganz klassisch Kraftwerke benötigen. Ab etwa Mitte der 2020er Jahre wird es voraussichtlich deshalb wieder einen Neubaubedarf für Kraftwerke in Deutschland geben, wobei Zeitpunkt und Umfang natürlich davon abhängen, was die Bundesregierung in Sachen „Kohleausstieg“ beschließt.
Die neuen Kraftwerke werden im Wesentlichen Gasturbinen sein, da diese relativ günstig zu errichten sind und sich auch mit synthetischen Kraftstoffen betreiben lassen. Letztere werden aber nur erforderlich, wenn man über die 80 Prozent hinaus dekarbonisiert, denn der begrenzte Einsatz von Gaskraftwerken in einer 80-Prozent-Welt ist auch innerhalb des dann herrschenden CO2-Restbudgets mit fossilem Erdgas möglich.
Auch für die saisonale Speicherung wird es voraussichtlich keine Lösung geben – zumindest nicht in einer Welt mit einer 80-Prozent-Dekarbonisierung. Wir erwarten eher, dass „Überschuss-Strommengen“ in die Wärmeproduktion gehen (in Form von Wärmepumpen oder auch Elektrokesseln) und zur Dekarbonisierung des Wärmesektors beitragen, während längere Phasen der Unterdeckung durch klassische Kraftwerke bedient werden.
Kommen dann synthetische Kraftstoffe auf Erneuerbaren-Basis (Power-to-Gas, Power-to-Liquid)? Das hängt davon ab, welchen Sektor man betrachtet und wie ambitioniert das Dekarbonisierungsziel ist. Synthetische Kraftstoffe werden gegenüber ihren fossilen Alternativen absehbar kostenseitig nicht wettbewerbsfähig, daher hängt es vom politischen Willen und unserer Ambition beim Klimaschutz ab, in welchem Umfang sie eingesetzt werden.
Im Kraftwerkssektor wird die Nutzung von synthetischem Gas erst jenseits eines 80-Prozent-Zieles notwendig. Anders sieht es im Verkehrssektor aus: Wir glauben, dass sich bei den Pkw Elektroautos durchsetzen werden, vermutlich autonom fahrend und ladend, in großer Zahl in Carsharing-Flotten. Sie haben die beste Energiebilanz. Bei den Lastwagen und generell im Lastentransport ist das technologische „Rennen“ weiter offen. In Betracht kommen Oberleitungshybride für den Fernverkehr oder auch synthetische Kraftstoffe für LKW, Busse, Schiffe und Bahnen.
Was heißt das in Summe? Speicher spiegeln in ihrer Vielfalt (aber auch ihren Grenzen) die Zukunft der Energiewende insgesamt. Sie sind einer von vielen Bausteinen, die uns zu einer klimaschonenden Energieversorgung verhelfen werden. Wir werden eine gewisse Offenheit benötigen für neue, passende Geschäftsmodelle, pragmatische politische Lösungen und für den Umgang mit der einen oder anderen überraschenden Wendung. Denn ganz nach Masterplan wird die Energiewende nicht gelingen. Die Technologien jedenfalls sind vorhanden, der Weg zum Ziel lässt sich beschreiben. Jetzt müssen wir nur mit offenen Augen weiterlaufen.