„Deutschland soll zu einem Zentrum für Forschung, Fertigung und Recycling von Batteriezellen werden“, heißt es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Bis heute verfügt Deutschland über keine großindustrielle Produktion von Batteriezellen, die für Elektromobilität und stationäre Energiespeicher erforderlich sind. Wesentliche Basis für die technologische Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in dieser Schlüsseltechnologie ist, neben der Fähigkeit, Batteriezellen in hoher Stückzahl zu produzieren, die Fähigkeit, Batterien kontinuierlich weiterzuentwickeln und neue Systeme zur Marktreife zu führen. Die Kappung der Batterieforschung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist daher vollkommen unverständlich.
Mit der Kommerzialisierung der Lithium-Ionen-Batterietechnologie (LIB) durch Sony 1991 hielt eine Batterietechnologie Einzug, die eine Basis für den Erfolg einer Vielzahl von Produkten ist. Smartphones, Power/Garden-Tools, Gabelstaplern, E-Bikes, stationären Speichern, Lkw, Drohnen, E-Fahrzeugen, militärischen Anwendungen und vielem mehr eröffnet erst die LIB-Technologie den Marktzugang und -erfolg.
Funktionalität und Betriebsdauer (oder Reichweite) und damit die Wettbewerbsfähigkeit werden wesentlich von den eingesetzten Batterien bestimmt. Leistungsfähige Batterien sind die Basis für wettbewerbsfähige Produkte mit hohem Kundennutzen! Es ist daher nicht verwunderlich, dass aktuell mit hoher Dynamik ein globaler Wettbewerb um leistungsfähigere und preiswertere Batteriesysteme stattfindet.
Situation des deutschen Ökosystems Batterien
In Asien hat sich ein vollständiges Ökosystem Batterien etabliert, das über 30-jährige Erfahrung in der Großserienfertigung von LIB verfügt. Obwohl sich in China LIB-Zellfertigungen erst später etablierten, erfolgte mit der Elektromobilität, stark unterstützt durch die chinesische Regierung, ein rasanter Aufbau des gesamten Ökosystems Batterie. CATL hat sich seit der Gründung 2011 zum heute weltweit führenden Produzenten großformatiger LIB-Zellen entwickelt. Nennenswerte europäische Anstrengungen zum Einstieg in die Produktion großformatiger LIB-Zellen erfolgten 2016 durch Northvolt. Das aktuell erst im Aufbau befindliche europäische Ökosystem Batterien steht also im Wettbewerb mit einem vollständigen, erfahrenen, kompetenten und finanzkräftigen asiatischen.
Der Bedarf an Batteriezellen deutscher Autohersteller (OEM) wird heute ausschließlich durch die führenden asiatischen Unternehmen gedeckt, die in den vergangenen Jahren große Produktionskapazitäten auch in Europa aufgebaut haben. Bei den Fabriken handelt es sich häufig um Blaupausen der Produktionen in den jeweiligen Mutterländern. Produktionstechnologie, Anlagen und eingesetzte Materialien stammen nahezu ausschließlich von Unternehmen des asiatischen Ökosystems Batterien. Einen Beitrag zum Aufbau des deutschen Ökosystems liefern diese Produktionen, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt.
Diese bereits herausfordernde Wettbewerbssituation, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen im Vergleich zu asiatischen Unternehmen, wird durch eine Vielzahl weiterer Effekte verschärft. Die einzelnen Effekte wirken nicht notwendigerweise auf alle an der Wertschöpfungskette beteiligten Industrien in gleichem Maße, beeinträchtigen aber gesamtheitlich die Entwicklung des Ökosystems Batterien.
Fehlende Referenzprojekte, fehlende Abnahmegarantien, Standortnachteile (Energiepreise, Genehmigungs- und Bewilligungsverfahren, fehlende gesamtheitliche Strategie) sowie die Verlagerung von Investitionen aufgrund des US-IRA verhindern das Engagement von Investoren. Diskussionen im politischen Umfeld zur Verschiebung der von der EU geplanten Zulassung von CO2-emissionsfreien Verbrennern ab 2035, ein mögliches generelles und kurzfristiges Verbot von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS-Verbot) und die neuen Vorschläge zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks von EV-Batterien verunsichern Unternehmen und Investoren, in die Batterietechnologie zu investieren.
Große Förderprogramme wie die Important Projects of Common European Interest (IPCEI) und Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF), sind zwar wichtige Instrumente, um Keime des Ökosystems zu bilden, können aber nicht die amerikanischen oder chinesischen staatlichen Maßnahmen kompensieren und ein ausgeglichenes „level playing field“ schaffen. Obwohl Deutschland und die EU Batteriethemen unterstützen, folgen die Maßnahmen nur einer singulären, nicht einer zielorientierten, holistischen Strategie zum Aufbau eines wettbewerbsfähigen Ökosystems Batterien.
Der Innovationsmotor soll 2025 abgestellt werden
Konsequent hat das BMBF seit etwa 2007 den Aufbau einer international wettbewerbsfähigen Batterieforschung in Deutschland vorangetrieben. Bereits im frühen Stadium beeinflusste die holistische Betrachtung des Ökosystems die Gestaltung von Forschungsprogrammen. Qualität und Preis von Batterien werden in nahezu gleichem Maße von den eingesetzten Materialien und deren Verarbeitung zu Batteriezellen beeinflusst. Forschungsprogramme, die beide Forschungsrichtungen verfolgten, boten Unternehmen, die sich in diesem neuen Industriesegment engagieren wollten, kompetente akademische Unterstützung und Beurteilungsfähigkeit neuer Entwicklungen.
Im heutigen BMBF-Dachkonzept Batterieforschung werden die geförderten Batterievorhaben zusammengeführt. Das Dachkonzept bildet forschungsseitig die gesamte Batteriewertschöpfungskette ab. In dieser international einmaligen Struktur sind Kompetenzcluster, in denen bundesweite Kompetenzen zu Schwerpunktthemen zusammengeführt werden, und Verbundvorhaben mit Unternehmen, die gerade die kleine und mittelständische Industrie bei neuen Forschungsthemen unterstützen, wesentliche Elemente. Cluster und Verbundprojekte sind die unverzichtbaren Ausgangspunkte für Forschungs- und Innovationspipelines, die Bildung von Start-ups und den Transfer in die industrielle Umsetzung.
Kooperationen mit den USA, Japan, Taiwan und Frankreich unterstreichen die internationale Sichtbarkeit der deutschen Batterieforschung. Der mit dem Abbau der Batterieforschung einhergehende Reputationsverlust führt zu einem Verlust der Attraktivität des Forschungsstandortes Deutschland und in Folge zum Verlust an Fachkräften und damit der exzellenten Forschung „vor Ort“, zudem verliert Deutschland die Attraktivität eines Hightech-Standortes für Investoren.
Batterieforschung ist ein Marathonlauf, kein Sprint
An den ohnehin starken globalen Forschungsstandorten wird die Forschung im Batteriebereich aktuell weiter verstärkt. China hat angekündigt, umgerechnet 750 Millionen Euro in die Forschung und Entwicklung von Festkörperbatterien zu investieren. Die USA fördern zwei neue Forschungsteams mit umgerechnet 113 Millionen Euro zur Entwicklung neuer Batteriesysteme. Südkorea verstärkt seine bereits starke Batterieindustrie mit sechs Milliarden Euro.
Neue Materialien und Kombinationen, neue Zellproduktionen und ein tiefergehendes Verständnis der Produktionstechnologie haben zu immer leistungsfähigeren Batterien geführt. Der internationale Wettbewerb um die Entwicklung neuer, nachhaltigerer, preiswerterer und weiterentwickelter Batteriesysteme, die neue Applikationen eröffnen oder ohne kritische Rohstoffe auskommen, ist gewaltig.
Beispiele dafür sind Natrium-Ionen-Batterien, Lithium-Schwefel-Batterien, Festkörperbatterien, die Weiterentwicklung von aktuellen Materialien, aber auch Systeme in einem frühen Stadium, zum Beispiel basierend auf Aluminium oder Magnesium. So wird beispielsweise erwartet, dass Natrium-Ionen-Batterien in preislicher Hinsicht und aufgrund ihrer Freiheit von kritischen Rohstoffen insbesondere für die Speicherung regenerativer Energien vorteilhaft sind.
Verträge von Forschern werden nicht verlängert
Die Wettbewerbsfähigkeit von globalen Wirtschaftsstandorten wird sich zukünftig auch daran messen, Batterien neu und kontinuierlich weiterzuentwickeln und in hohen Stückzahlen zu produzieren. Langfristige und verlässliche Batterieforschung in all ihrer Breite ist dafür eine Grundvoraussetzung.
Der Abbau der Batterieforschung in Deutschland beginnt jetzt. Aktuell erfolgende Absagen durch das BMBF von Rahmenplänen zu neuen Kompetenzclustern und Absagen von Forschungsvorhaben führen zu Verunsicherungen und Ungewissheiten, die auch Vertragsverlängerungen von Mitarbeitenden nicht mehr erlauben. Dringend erforderlich, um den Abbau und die Abwanderung von Fachkräften noch zu stoppen, sind jetzt Signale der Politik, die Batterieforschung in ihrer Stärke aufrechtzuerhalten.
Der vom BMBF geplante Ausstieg aus der Batterieforschung ist gleichbedeutend mit der Aufgabe der technologischen Souveränität und der Wettbewerbsfähigkeit des Hightech-Standortes Deutschland, nicht nur in diesem jungen Industriesegment. Es ist aber jetzt an der Zeit, die Batterieforschung nicht zu kappen, sondern massiv auszubauen.