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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Ohne Kaufprämie für gewerbliche E-Flotten wird es schwierig

Francine Gervazio, CEO von Shiftmove
Francine Gervazio, CEO von Shiftmove Foto: Shiftmove

Bis 2030 sollen 15 Millionen E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen fahren, so das Ziel der Bundesregierung. Doch die Realisierung stockt. Nun wird die Kaufprämie für E-Fahrzeuge bis mindestens Ende des Jahres fortgesetzt und um 400 Millionen Euro aufgestockt. Doch Unternehmen bleiben außen vor. Damit wird ein falsches Signal gesetzt.

von Francine Gervazio

veröffentlicht am 01.08.2023

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Von März bis Juni sind die Antragszahlen für die Kaufprämie von 29.000 auf 47.000 deutlich gestiegen. Der Absatz von E-Autos erfährt also einen Aufschwung. Diese Entwicklung gäbe eigentlich Anlass zur Freude, wäre da nicht ein wesentliches Detail: Nur Privatpersonen dürfen bis mindestens Ende des Jahres den sogenannten Umweltbonus beanspruchen. Für Unternehmen läuft die Kaufprämie bereits zum 1. September aus.

Im ersten Halbjahr wurden laut dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) für rund 147.000 Fahrzeuge Anträge gestellt, wobei weniger als die Hälfte von Privatpersonen ausgingen. Der größere Anteil der Anträge fiel auf Unternehmen zurück. Das deckt sich mit der Tatsache, dass gewerbliche Neuzulassungen gut zwei Drittel der Gesamtzulassungen ausmachen. Mobilität ist für Unternehmen ein wichtiger Hebel, um zur Erreichung der Klimaziele beizutragen.

Nun spielt der hohe Kaufpreis von E-Fahrzeugen einer Befragung von Fuhrparkleiter*innen zufolge eine wichtige Rolle im Diskurs über die Flottenelektrifizierung. Zu hohe E-Fahrzeug-Preise wirken sich negativ auf die Kaufentscheidung von Unternehmen aus. Fällt die Kaufprämie obendrein weg, schrumpft das Budget von Unternehmen für Fahrzeugkäufe weiter.

Das Dilemma: Hohe Kosten oder hohe Emissionen?

Die Unternehmen befinden sich durch den fehlenden Zuschuss zunehmend in einem Dilemma: Sparen sie bei der Fahrzeugauswahl, indem sie sich für Verbrenner und Dieselfahrzeuge entscheiden, laufen sie Gefahr, hohe Emissionswerte zu verursachen. Sanktionen sind dann programmiert, sofern sie keine andere Möglichkeit finden, die Gesamtemissionen zu senken. Entscheiden sie sich jedoch für E-Autos, müssen sie aktuell nicht nur mit höheren Kosten beim Autokauf rechnen. Auch im laufenden Betrieb fallen neben Werkstatt- und TÜV-Kosten Ausgaben für den Ausbau und die Nutzung entsprechender Ladeinfrastruktur an.

Entscheidungen bei der Fahrzeugauswahl von Unternehmen beeinflussen damit nicht nur den Absatz von E-Fahrzeugen. Diese gewerblichen Fahrzeuge werden nach und nach in den Gebrauchtwagenmarkt übergehen und diesen so maßgeblich mitgestalten. Kaufen weniger Unternehmen Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb, werden emissionsstarke Autos den Gebrauchtwagenmarkt auch zukünftig dominieren.

Zusätzlich wirkt sich das Ende der Kaufprämie für Unternehmen nicht nur auf die Erfüllung europäischer Umweltziele aus. Sie laufen auch Gefahr, CSR-Berichtspflichten und Umweltauflagen nicht einhalten zu können. Vor allem kleine Unternehmen werden dann marginale oder gar fehlende Subventionierungen besonders spüren. Das fordert sie künftig noch stärker heraus, mit nur wenigen Mitteln ehrgeizige Nachhaltigkeitsauflagen zu erfüllen.

Nicht nur die Regierung ist verantwortlich

Mobilitätsentscheidungen in Unternehmen sind von vielen Faktoren abhängig und darum komplex. Noch steht die Leistungs- und Kosteneffizienz bei Fahrzeugen im Vordergrund. Deshalb ist in Unternehmensflotten der Dieselmotor noch vorherrschend. Doch Flottenfahrzeuge mit alternativen Antrieben sind mittlerweile gleichauf mit Benzinern.

Digitale Anwendungen besitzen das Potenzial, diese Entwicklung zukünftig voranzutreiben. SaaS-Plattformen etwa zeigen Unternehmen, wo sie Fahrtwege sparen können und welche Routen ohne einen weiteren Ladevorgang fahrbar sind. Anhand dieser Erkenntnisse können Fuhrpark-Verantwortliche die Kosten des Flottenbetriebs einerseits besser steuern, andererseits erleichtert es ihnen Entscheidungen über (klimafreundliche) Maßnahmen. Trotzdem: Die Politik sitzt am größeren Hebel, indem sie gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen schafft und Prioritäten setzt.

Gewiss trägt nicht allein die Regierung die Verantwortung, E-Fahrzeuge erschwinglicher zu machen. Automobilhersteller, Banken und Leasinggesellschaften müssen ebenfalls in diesen Dialog einbezogen werden. Schließlich ist der Verkehrssektor einer der größten Hebel für eine bessere Klimabilanz und die Unternehmensmobilität ein großer Potenzialträger für nachhaltige Veränderungen. Für den Anfang sollte eine Maßnahme sein, den Umweltbonus auch an gewerbliche E-Auto-Käufer*innen weiterhin auszuzahlen. Werden Unternehmen wieder mit einbezogen, rückt das Ziel von 15 Millionen E-Autos im kommenden Jahrzehnt doch wieder in erreichbare Nähe.

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