In den vergangenen Tagen haben die Verhandler von CDU/CSU und SPD ihre wichtigsten Positionen zu Papier gebracht und damit die Grundlage des Koalitionsvertrages gelegt. Im Gegensatz zu den Jamaika-Sondierern konnten sie sich bei der Energiewende zumindest grundsätzlich einigen. Was in den Papieren zu lesen ist, macht Hoffnung: Ein neues Energieeffizienzgesetz und ein Gebäudeenergiegesetz sollen die Energiewende weiter voranbringen. Energieeffizienz soll also bei der Energiewende in den Vordergrund rücken – und zwar im Gebäude. Die Mietpreise sollen dennoch nicht weiter steigen, Bürokratie soll abgebaut werden. Darüber hinaus will der Bund seiner energetischen Vorbildfunktion gerecht werden und staatliche Liegenschaften schneller sanieren.
Das alles ist wichtig und richtig. Sollte es tatsächlich zu einer Großen Koalition kommen, müssen diese guten Ansätze aber auch konsequent und zügig angegangen werden und vor allem bezahlbar sein. Denn mit der Attitüde der vergangenen Legislaturperiode werden die neuen alten Partner von Union und SPD nicht erfolgreich sein. Zur Erinnerung: Auch in der letzten Regierungszeit gab es den Entwurf eines Gebäudeenergiegesetz, welches aber kurz vor der Verabschiedung an Koalitionsquerelen scheiterte. Den einen war es zu teuer, den anderen nicht fortschrittlich genug.
Umso dringender müssen CDU/CSU und SPD nun Nägel mit Köpfen machen. Die Zeichen dafür stehen gar nicht schlecht, denn sowohl die Unionsparteien als auch die Sozialdemokraten können von einem gemeinsamen Update der Energiewende nur profitieren.
Für die CDU/CSU ist die Energiewende eines der prägenden Themen der Kanzlerschaft Merkel. Nach dem Atomausstieg steht nun die Herausforderung an, die Energiewende endlich wirtschaftlich zu machen. Davon hängt in den kommenden vier Jahren nicht weniger als Merkels Ruf als erfolgreiche „Klimakanzlerin“ und damit die Bilanz ihrer Regierungszeit ab. Aber nicht nur das. Die Energiewende ist auch eines der wesentlichen Themen, welches die Industrienation Deutschland für die nächsten Jahrzehnte wirtschaftlich prägen wird.
Werden die Skeptiker, die vor dem Exodus der deutschen Industrie warnen, Recht behalten? Oder werden innovative Technologien für Klimaschutz unser neuer Exportschlager? Der BDI hat in seiner Studie zu den Klimapfaden bereits klargemacht: Die Energiewende kann gelingen, wenn sie mit Augenmaß durchgeführt wird. Oder mit anderen Worten: Wenn das bisherige Durcheinander aus hohen Kosten und Ordnungs- und Kompetenzchaos endlich aufhört. Die deutsche Industrie wäre also sehr wahrscheinlich dabei, wenn die Große Koalition das Weiter-So beendet und Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit endlich in einem verlässlichen Ordnungsrahmen zusammenführt.
Und auch aus SPD-Sicht bietet die Energiewende großes Potenzial: Die Energiewende ist für die meisten Verbraucher bis heute vor allem ein Kostentreiber. Die Strompreise haben sich auf einem Plateau eingenistet und wollen nicht mehr hinunter. Vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen leiden darunter. Martin Schulz und seine Mitstreiter sollten dies im weiteren Verlauf der Koalitionsgespräche nutzen und ihre Vision einer gerechteren Gesellschaft auf die Energiewende übertragen.
Wir brauchen eine sozial verträgliche Energiewende, mit günstigeren Preisen und mehr Transparenz für die Verbraucher und vor allem mit weniger Bürden für die Mieter. Denn gerade im Gebäude wird die nächste Stufe dieser Politik die größten Auswirkungen haben. Die Energiewende darf denen, die sie heute größtenteils bezahlen, nicht über den Kopf wachsen.
Das neue Gebäudeenergiegesetz sollte daher ganz klar die Verbraucher ins Zentrum rücken und dafür sorgen, dass sie die Kontrolle über Verbrauch und Kosten behalten und die Möglichkeit haben, als selbständige Akteure der Energie- und Wärmewende ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen Wenn es der SPD gelingt, diesen Perspektivwechsel hin zum Verbraucher und zur sozialen Verträglichkeit in die Energiewende zu integrieren, wäre das größte gesellschaftspolitische Projekt seit der Wende auch ein sozialdemokratisches.
Was muss eine Große Koalition also konkret tun? Das Gebäudeenergiegesetz ist sicherlich der richtige Start. Es macht aus drei Gesetzen und Verordnungen eins und wäre der Beginn des Bürokratieabbaus. Anstatt Energiepolitik nur aus Systemsicht zu sehen, sollte die Verbrauchperspektive ins Zentrum gerückt werden, dazu gehört Verbraucherbeteiligung, Transparenz und Messbarkeit. Im Gebäudebereich bedeutet Transparenz zu allererst Bewusstsein bei den Bewohnern für ihre Verbräuche zu schaffen. Das Gebäudeenergiegesetz sollte daher die Themen der Verbrauchstransparenz und des Gebäudeenergieausweises neu angehen. Eigentümer und Bewohner müssen regelmäßig und umfassend darüber informiert sein, wieviel Wärme, Strom und Wasser sie verbrauchen und welcher CO2-Ausstoß damit verbunden ist.
Genauso müssen die Immobilienverwalter besser wissen, wie das gesamte Gebäude in Sachen Energieeffizienz und CO2 performt. Wie sonst soll man den Nutzen von neuen Effizienz-Technologien und Baustoffen messen und auch im Ausland vermarkten können? Das Wichtigste ist aber: All dies muss bezahlbar bleiben. Was manchen wie die Quadratur des Kreises erscheinen mag, kann dadurch gewährleistet werden, dass anstelle von Ge- und Verboten die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Technologieoffenheit fest in der Umsetzung der Energiewende verankert werden. Zudem sollten niedriginvestive Maßnahmen, die nachweislich zu höherer Energieeffizienz führen, Vorrang vor teuren und zum Teil nur schwer messbaren Effizienzmaßnahmen haben. Zahlreiche Verbände haben hierzu, neben dem BDI, tragfähige Vorschläge gemacht. Die Politik ist nun am Zuge, diese zu bewerten und mit passenden Rahmenbedingungen zu antworten.
Vor diesem Hintergrund bleibt festzuhalten: Die Groko-Verhandler sind auf dem richtigen Weg, wenn sie den Leitsatz „Efficiency First“ der Energiewende gesetzlich verankern wollen. Damit sind sie bereits heute einen großen Schritt weiter als die „Jamaika“-Sondierer es je waren. Sollten CDU/CSU und SPD gemeinsam den Schritt zur Umsetzung einer bezahlbaren Energiewende wagen, wäre dies ein Meilenstein für die Gesellschaft. Bleibt es allerdings bei einem Lippenbekenntnis, würde erneut wertvolle Zeit verstreichen.