„Der Anschluss vieler kleiner, dezentraler Erzeugungsanlagen könnte technisch sehr aufwändig sein“, sagt der Fachanwalt Stefan Wollschläger von der Kanzlei Becker Büttner Held. Schließlich sind Wärmenetze heute durch hohe Drücke und Temperaturen darauf ausgelegt, nur von wenigen oder sogar nur von einem Wärmeproduzenten gespeist zu werden. „Erzeuger der Wärme müssten sich außerdem in der Nähe des Wärmenetzes befinden“, sagt Wollschläger.
Trotzdem sieht der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein, Bernd Voß, große Potentiale für die Einspeisung von erneuerbarer Wärme durch ein Netzzugansgrecht. Er denkt dabei an Gewerbe- und Industriebetriebe oder Biogasanlagen, die ihre Abwärme einspeisen könnten, statt sie in die Umgebung zu entlassen.
„Fernwärme hat einen Anteil am Wärmemarkt bei Wohnungen von 14 Prozent“, relativiert der Wärmeexperte Christian Maaß vom Hamburg Institut. „Es ist also nichts, was allein die Wärmewende reißen könnte.“ Auch die technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen, die sich beim Netzzugang durch Dritte ergeben, seien ein „wirklich dickes Brett“.
Die Integration Erneuerbarer Energien mit niedrigen Temperaturen sei grundsätzlich aber möglich, etwa indem Wasser nachgeheizt werde. So schlägt das Hamburg Institut vor, die Abwärme aus dem Klärwerk der Hansestadt mit einer großen Wärmepumpe zu nutzen und in einer benachbarten Müllverbrennungsanlage auf die nötige Temperatur für das Fernwärmenetz zu bringen.
Vor allem bei großen Wärmenetzen hält Maaß das Einspeisen erneuerbarer Wärme für sinnvoll, weil so auf einen Schlag tausende Wohnungen umgestellt werden könnten. In Wien hat man längst erkannt, wie wichtig ein Wärmenetz für nachhaltiges Heizen ist. Dort werden Neubaugebiete nur genehmigt, wenn sie an ein solches Netz angeschlossen werden können.
Das Grundproblem bei Wärmenetzen sieht Maaß übrigens in der Kontrolle ihrer monopolartigen Struktur: Die zuständigen Kartellämter seien damit aufgrund ihrer schwachen gesetzlichen Befugnisse und wegen mangelndem Personal überfordert. Verbraucher könnten nicht überall sicher sein, dass sie effizient und zu angemessenen Preisen beliefert werden. Dem könnte man abhelfen mit einer „guten Regulierung“ oder, wie jetzt von Schleswig-Holstein angestrebt, durch mehr Markt.
„Es darf aber nicht so sein, dass die Fernwärme dadurch weniger wettbewerbsfähig wird“, sagt Maaß. Das könnte passieren, weil die Wärme aus einer Erzeugungsanlage des Netzeigentümers durch die Wärme eines neuen Einspeisers verdrängt würde. Dann wäre die Erzeugungsanlage des Netzeigentümers eventuell nicht mehr rentierlich.
Ähnliche Bedenken hegt der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Am Vorstoß von Schleswig-Holstein sieht Harald Uphoff, kommissarischer Geschäftsführer des BEE, folgendes Problem: „Die Einnahmen aus dem Wärmeabsatz über die Netze sind über einen langen Zeitraum kalkuliert. Speisen nun neue Akteure mit innovativen CO2-freien Geschäftsmodellen in die Netze ein, ohne dass sich der Wärmebedarf erhöht, bringt das die Kostenkalkulation des Wärmenetzbetreibers durcheinander.“
Die Eigentümer der Netze müssten also eine faire Kompensation dafür bekommen, dass sie neuen Akteuren einen Zugang gewähren, sagt Christian Maaß. Genau diese Akteure aber könnten auf dem Wärmemarkt tatsächlich etwas bewegen. Fernwärme in Deutschland stamme nämlich meist aus Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK), die mit Steinkohle, Erdgas oder Braunkohle betrieben würden. Die große Solarthermieanlage in Senftenberg oder die Geothermie in München seien große Ausnahmen für die Einspeisung erneuerbarer Wärme.
„Wenn nun die fossilen KWK den ganzen Winter durchlaufen, weil die Wärme benötigt wird, verstopft der dabei erzeugte Strom die Netze und Windkraft muss abgeregelt werden“, sagt Maaß. Er fordert: „KWK müssen sich dem Strommarkt unterordnen. Und Wärme muss gespeichert werden, wenn Strom gebraucht wird. Dafür brauchen wir große Wärmespeicher, sogar saisonale wie in Dänemark.“ Solche Strategien für eine zukunftsorientierte Fernwärmepolitik hat das Hamburg Institut in einer Studie für die Grünen zusammengetragen.
Den Ausbau von Wärmespeichern fordert die grüne Bundestagsfraktion ihrem Aktionsplan Faire Wärme, der am Donnerstag in zweiter Lesung im Bundestag behandelt wird. Mit einem Förderprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für 10.000 Wärmespeicher sollen Gemeinden oder Stadtteile mit Wärmenetzen mindestens einen großen Wärmespeicher errichten können. Das soll die Flexibilität im Wärme- und Stromversorgungssystem erhöhen.
Im Antrag steht außerdem wie im Koalitionsvertrag von Schleswig-Holstein, dass Wärmenetze durch gesetzliche Regelungen für die Einspeisung von erneuerbarer Wärme sowie industrieller und gewerblicher Abwärme geöffnet werden sollten, um die Nah- und Fernwärmeversorgung schrittweise zu dekarbonisieren. „Das ist wichtig, denn nur so können Wärmenetze einen sinnvollen Beitrag zum klimaverträglichen Umbau der Wärmeversorgung leisten“, sagt die Wärmeexpertin der Grünen im Bundestag, Julia Verlinden.
„Wir sehen vielerorts die Tendenz, neue Wärmequellen in die Systeme einzubinden, schon um möglichst klimafreundliche Wärme zu integrieren. Diese Ansätze müssen unterstützt werden“, sagt sogar der VKU. Nur eine pauschale Öffnung sei der falsche Weg.