Weniger Quecksilber aus Kohlekraftwerken

Die Debatte über Grenzwerte für Quecksilber nimmt nach der Ratifizierung der Minamata-Konvention an Fahrt auf.

von Dagmar Dehmer

veröffentlicht am 16.02.2017

aktualisiert am 22.11.2018

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Noch vor dem Ende der Legislaturperiode will Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Ratifizierung der Minamata-Konvention über die Bühne bringen. Am Mittwoch hat das Kabinett dem Quecksilber-Verbot von 2020 an zugestimmt. Der UN-Vertrag war 2013 ausgehandelt worden. Auch die Europäische Union und ihre noch 28 Mitgliedsstaaten wollten die Ratifizierung in diesem Jahr abschließen. Dann könnte die Konvention auch in Kraft treten. Dafür müssen 50 Staaten das Abkommen in ihr Recht überführt haben, am Donnerstag waren es 38.


Als die EU vor einem Jahr mit dem Ratifizierungsprozess für die Minamata-Konvention begonnen hat, dachten die Verantwortlichen im Umweltministerium bereits über Grenzwerte für Quecksilber nach.  Denn die EU-Kommission hatte schon im Juni 2015 Bandbreiten für Quecksilberemissionen aus Kraftwerken vorgeschlagen, die allerdings weniger ambitioniert sind als die amerikanischen Grenzwerte. Bandbreiten deshalb, weil die Kraftwerkstechniken in Europa so verschieden sind, dass sie schwer zu vergleichen sind.


Vor einem Jahr sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth dem Tagesspiegel allerdings, dass die Festsetzung von Quecksilber-Grenzwerten aus seiner Sicht kein alternativer Plan zur Stilllegung von Kohlekraftwerken sei. Er schrieb als Reaktion auf eine Tagesspiegel-Recherche im Kurznachrichtendienst Twitter: „Es gibt aber einen solchen Plan B nicht. Wer wie wir einen ernsthaften Dialog zum #Kohleausstieg will, spielt nicht mit den Muskeln.“


Weltweit tragen Kohlekraftwerke zu 24 Prozent zu den Quecksilberemissionen bei. Den größten Anteil mit 37 Prozent hat die nicht industrielle Goldproduktion. Goldschürfer, die in Ghana, Mali, der Mongolei, Papua Neuguinea oder Peru nach dem Edelmetall suchen, verwenden Quecksilber, um das Gold vom Gestein zu trennen. Nach Einschätzung des UN-Umweltprogramms gefährden Millionen von Goldschürfern – viele sind noch Kinder – durch ihre Arbeit ihre Gesundheit. Quecksilber greift das zentrale Nervensystem an, reichert sich im Körper an und kann bei Schwangeren dazu führen, dass sie Kinder mit einer verminderten Intelligenz zur Welt bringen, weil das Gehirn des ungeborenen Kindes angegriffen wird.


Neben dem Goldschürfen und den Emissionen aus Kohlekraftwerken trägt die Produktion von Metallen mit 18 Prozent zu den weltweiten Quecksilberemissionen bei.


Die Europäische Union hat direkt einen Anteil von 4,5 Prozent am globalen Quecksilberausstoß. Das sieht nach wenig aus, wäre aber höher, wenn die Quecksilber-Exporte, beispielsweise für die Goldschürfer, mitgezählt würden. Wie die EU mit diesen Exporten umgehen will, ist noch nicht ganz geklärt. Ein komplettes Exportverbot wird von den Autoren der Studie zur Folgenabschätzung einer Ratifizierung des Minamata-Abkommens jedoch als „unverhältnismäßig“ abgelehnt. Europäer sind derzeit am stärkten durch den Genuss von mit Quecksilber stark belasteten Fischen wie Thunfisch gefährdet.


Der größte Posten in der europäischen Quecksilberbilanz ist Zahn-Amalgam, das verwendet wird, um Löcher in Zähnen zu stopfen. Allerdings ist nach wie vor sehr umstritten, ob und wie schädlich die quecksilberhaltige Zahnfüllung ist. Auch hier sieht die Folgenabschätzung ein Verbot als „unverhältnismäßig“ an, weil die Kosten für Zahnfüllungen stark steigen würden, und das vor allem die Krankenkassen belasten würde.

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