Standpunkte Wer Klimaschutz will, muss verstehen wie Menschen handeln

Carel Carlowitz Mohn schreibt in seinem Standpunkt, warum einfache Lösungen in der Klimakommunikation nicht wirken und warum nur erfolgreich kommunizieren kann, wer selbst ständig dazulernt.

von Carel Carlowitz Mohn

veröffentlicht am 28.09.2017

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Trotz dieser klaren Befunde aus den Feldern der Psychologie und der Kognitionsforschung erstaunt, wie sehr viele Akteure bei Umwelt-NGOs, in der Klimapolitik aber auch der naturwissenschaftlich orientierten Klimaforschung noch immer einem völlig untauglichen, überholten Kommunikationsmodell anhängen.


Dieser Vorstellung zufolge müsste die Öffentlichkeit, aber auch die an Klimaschutz offenkundig wenig interessierten Verkehrs-, Wirtschafts- oder Landwirtschaftspolitiker eben nur noch besser und noch intensiver über den Klimawandel und seine Folgen aufgeklärt werden. Beseitige man nur das „Informations-Defizit“, dann steigere man die Motivation und Bereitschaft, endlich wirksam zu handeln.


Die Fahrradklingel neben dem Presslufthammer


Dieser Ansatz indes ist zum Scheitern verurteilt. Er gleicht dem Versuch, sich neben einem Presslufthammer mit einer Fahrradklingel Gehör zu verschaffen – und wenn niemand reagiert, eben einfach heftiger und wütender zu klingeln. Verständlich, dass das Ausbleiben einer Reaktion in einen Kreislauf von Appellen und Frustration führt. Gut zu beobachten ist auch in Teilen der Klima-Community, in der man weiter darauf setzt, Öffentlichkeit und Politik wachzurütteln.


Die positive Nachricht lautet: dieser Appell-Aufklärungs-Frustrations-Kreislauf lässt sich wirksam durchbrechen. Zugleich stellen sich viele Klimaschutzakteure selbstkritisch und mutig der fehlenden Wirksamkeit der eigenen Strategien für die klimapolitische Debatte. Und es ist wiederum die Sozialforschung, die einer empirisch fundierten Klimakommunikation eine Fülle hilfreicher Ansätze zur Verfügung stellt, für klimapolitisches Handeln gesellschaftliche Zustimmung zu gewinnen. Sie zeigt beispielsweise, wie wichtig es in der öffentlichen Kommunikation ist, die Werte und politischen Grundhaltungen derjenigen zu adressieren, deren Zustimmung man gewinnen will. Und wie sehr es dabei darauf ankommt, dass diese Werte-Botschaft stimmig sind und zum Absender passen müssen.


Sich selbst als Zuhörer und Lernender begreifen


Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wer im Sinne des Klimaschutzes grünes Wachstum propagiert und damit hofft, diejenigen zu erreichen, für die materielle Vorsorge, Leistungsorientierung und die Freude an technischen Innovationen wichtig sind, entwertet und untergräbt seine Botschaft, wenn er oder sie selbst ganz andere Werte in den Vordergrund stellt.


Das Beispiel zeigt: Unter-komplexe Strategien, um an Wirtschaftswachstum oder schlicht an unverstellt-hedonistischer Lebensfreude Interessierten Klimaschutz zu verkaufen, funktionieren nicht nur nicht. Sie können am Ende sogar kontraproduktiv wirken. Hilft dann aber vielleicht eine intensivere Auseinandersetzung mit der Fülle faszinierender sozialwissenschaftlicher Befunde dazu, was in Hirnen und Herzen passiert, wenn sich Menschen über Klimathemen austauschen? Ja unbedingt, lautet die Antwort. Nur wird auch dies leider keine allumfassende Strategie-Blaupause liefern können, wie Klimaschutz endlich zum Mega-Konsensthema wird. Einfache Lösungen („kein Katastrophismus! Lösungen aufzeigen!“), die immer wirken, gibt es also nicht.


Aber zwei Dinge sind möglich, nötig und machbar:


  1. Wer Klimathemen kommunizieren will, sollte sich als Zuhörender und stetig Lernender begreifen – so wie das gerade 250 Klimaschutzexperten aus Unternehmen und Verwaltungen, Wissenschaft und NGOs getan haben, die sich beim K3-Kongress in Salzburg zwei Tage lang mit zentralen Fragen der Klimakommunikation wie Bildsprache, Framings, Narrativen, Werte-Sets oder Sinus-Milieus befasst haben.
  2. Er oder sie sollte bereit sein, neue Erkenntnisse gezielt auszuprobieren und bewusst anzuwenden. Und vor allem damit aufhören, weiter eine Klimakommunikation zu betreiben, von der wir wissen, dass sie nicht funktioniert.


Carel Carlowitz Mohn ist Leiter von klimafakten.de, einer Online-Plattform, die dazu beitragen will, dass aus Klimawissen Handeln werden kann.

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