Am 23. Dezember 2016 passierte dann folgendes: Kollatz-Ahnen informierte die drei Berliner Bieter, dass sie doch bitte – sofern vorhanden – Beschwerden am bisherigen Verfahren vorbringen mögen. Denn wenn einst die Vergabeentscheidung gefallen ist, dürfen die Unterlegenen keine Verfahrensfehler mehr geltend machen. Das ist der Sinn der Gesetzesänderung.
Vattenfall hat als einziger Bieter einen Beschwerdekatalog eingereicht. Den haben sich die Experten in der Senatsverwaltung für Finanzen angeschaut und am 29. März per „Nichtabhilfebescheid“ geantwortet: Die von Vattenfall angeführten Rügen seien gegenstandslos. Bis zum 13. April hat Vattenfall nun Zeit, sich per Einstweiliger Verfügung beim Landgericht Berlin dagegen zu wehren.
Damit ist das Stromnetzverfahren da gelandet, wo das Gasverfahren seit Jahren liegt – vor Gericht. Und so wie in der Gaswirtschaft der Alt-Konzessionär, also die Gasag, das Netz bis zu einer endgültigen Entscheidung weiterbetreibt, funktioniert das auch beim Strom. Vattenfall bleibt bis auf Weiteres Betreiber des Stromnetzes. Und Eigentümer auch. Die Eigentumsfrage steht im Kern des Konflikts – und vielleicht der Lösung.
Offenkundig ist Kollatz-Ahnen eine Vergabe des Stromnetzes an die Berlin Energie zu riskant; wenn das anders wäre, dann hätte er sich das Theater mit den Rügen sparen und Berlin Energie den Zuschlag geben können. Klagen von Vattenfall gibt es so oder so.
Vermutlich aber versucht sich der Finanzsenator in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen im Hinblick auf das Kooperationsmodell. Vattenfall hat nämlich zwei Angebote abgegeben. Das eine, wie gehabt, über den ganz normalen Netzbetrieb. Das andere aber bezieht das Land ein, indem es dem Senat eine Beteiligung an der Netzgesellschaft einräumt.
Und damit nicht genug: Als Option, so heißt es in der Branche, offeriere Vattenfall dem Senat nach einer Übergangszeit von fünf Jahren sogar die Mehrheit. Dieses Angebot kann Kollatz-Ahnen eigentlich nicht ausschlagen. Und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat angeblich auch Sympathie für dieses Modell. Ob das indes auch gilt für die Energie- und Umweltpolitiker der drei Regierungsparteien, ist offen.
Auch deshalb spielt Kollatz-Ahnen auf Zeit, indem er den Umweg über das Landgericht eingeschlagen hat. Wenn die Entscheidung der ersten Instanz vorliegt, vielleicht schon Ende dieses Jahres, dann lassen sich daraus Schlussfolgerungen ziehen. Einer von beiden, Vattenfall oder der Finanzsenator, wird dann eine bessere Verhandlungsposition haben, um das Kooperationsmodell mit Leben zu füllen.
Womöglich kommt es irgendwann doch noch zu der großen Lösung, an der Kollatz-Ahnen im vergangenen Jahr vergeblich gearbeitet hat: Der Rechtsstreit bei der Gasag wird beigelegt, indem das Land die Mehrheit an dem Unternehmen übernimmt und Vattenfall seinen Anteil verkauft. Beim Strom landet die Mehrheit mittelfristig beim Land und für das Fernwärmenetz, das Vattenfall auch gehört, findet sich ebenfalls eine Lösung.
Die Manager des schwedischen Staatskonzerns behaupten zwar hartnäckig das Gegenteil, doch womöglich zieht sich Vattenfall vom deutschen Markt zurück. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich Politik, Konzern und Gerichte die ganze Legislaturperiode mit den Konzessionen beschäftigen. Zum Wohle der Anwälte, die dem Vernehmen nach bis heute schon rund acht Millionen Euro allein aus der Staatskasse kassiert haben.
Alfons Frese