Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien wird von der Bundesregierung derzeit bedauerlicher Weise unter den Vorbehalt verfügbarer Netzkapazitäten gestellt. Der Sinn dieses Vorbehaltes kann trefflich diskutiert werden: Netze sind kein Selbstzweck, sie sollten dem Bedarf (Last und Erzeugung) folgen, nicht umgekehrt. Unabhängig von der Bewertung dieser Frage – Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier macht Netze (richtigerweise) zum Chefthema, initiiert Aktionspläne zum Stromnetz und hält Stromnetz-Gipfel mit den Ländern ab. Dabei werden auch weniger sichtbare, aber hoch effektive Maßnahmen diskutiert, die in der Berichterstattung oft wenig in Erscheinung treten. Eine dieser Maßnahmen ist die Einführung einer regionalen Steuerung für den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Zuschlagsverteilung verschärft Netzsituation
Im Wind-Onshore Segment erleben wir seit der Umstellung auf Ausschreibungen 2017 die Situation, dass sich gegenüber der historischen regionalen Zubauverteilung – die aus Netzgesichtspunkten bereits nicht ideal war – eine substanzielle Verschlechterung einstellt. So verteilt sich die bezuschlagte Wind-Onshore Kapazität in den ersten sechs Ausschreibungsrunden in Höhe von 4.800 Megawatt zu 90 Prozent nördlich der Mainlinie, während nur 10 Prozent auf den Süden entfallen. In den Jahren vor 2017 lag die Zubauverteilung zwischen diesen beiden Regionen noch bei einem Verhältnis von etwa 75:25. Während der für Energiefragen zuständige Minister Altmaier seinen Fokus auf die Ertüchtigung und den schnelleren Bau der Netze legt, verschärft sich parallel mit jeder neuen Ausschreibungsrunde die Situation in einem Maße, wie es nicht nötig wäre.
Verständigung auf regionale Steuerung besteht
Das Problem ist bekannt. Mehr noch, ein Lösungsansatz ist zwischen den Koalitionären im Koalitionsvertrag bereits vereinbart: „Wir werden eine bessere regionale Steuerung des Ausbaus der erneuerbaren Energien einführen und für die Ausschreibungen südlich des Netzengpasses einen Mindestanteil über alle Erzeugungsarten festlegen.“ Ähnliches ist in den Ergebnissen des Stromnetzgipfels zwischen Bund und Ländern nachzulesen: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien südlich des Netzengpasses muss durch eine geeignete Regionalisierung auf eine solide Basis gestellt werden.“ Der Aktionsplan Stromnetze führt zum Thema „Engpassmanagement optimieren und Kosten senken“ eine bessere regionale Steuerung des EE-Ausbaus als Maßnahme zur Senkung des Redispatchbedarfs auf.
Positive Effekte jenseits der Netzfrage
Eine regionale Steuerung des Wind-Onshore Ausbaus hat neben der Verbesserung der Netzsituation weitere positive Effekte, die für die Energiewende gebraucht werden. Sie erschließt neue Projektpotenziale im Süden durch Herstellung von Planungssicherheit und steigert die Akzeptanz durch einen ausgewogeneren Zubau über ganz Deutschland. Davon werden insbesondere auch kleinere Akteure wie Genossenschaften und Bürgerenergiegesellschaften im Süden profitieren, die entscheidend zur Akzeptanz der Energiewende beitragen.
Klimaziele erfordern Flächennutzung in ganz Deutschland
Nimmt man die Zielsetzung 65 Prozent EE-Stromanteil im Jahr 2030 ernst, dann folgt daraus sowohl nach verschiedenen Studien (u.a. BDI, Dena, Agora) als auch nach dem neu aufgesetzten Szenariorahmen der Bundesnetzagentur ein nachhaltig darzustellender Wind-Onshore Zubau in Höhe von ca. 4.000 bis 5.000 Megawatt pro Jahr bis 2030 (Die Erreichung der Klimaziele von Paris ist bei diesen Zielen noch nicht berücksichtigt). Um diese Mengen nachhaltig bereitzustellen, werden Flächen in ganz Deutschland benötigt. Auch aus dieser Erkenntnis heraus erfolgt die Notwendigkeit, die Windenergie-Nutzung im Süden durch eine regionale Steuerung (wieder)zu beleben. Nicht zuletzt sollte der oben dargestellte Zubau bis 2030 so systemverträglich wie möglich organisiert werden. Denn bei allen Netzvorbehalten – es gibt eine Region in Deutschland, in der es kein Problem mit der Aufnahmefähigkeit der Netze gibt – und diese liegt südlich der Mainlinie.
Kosten sind weitgehend vernachlässigbar
Und die Kosten? Faktisch war der Wind-Onshore Ausbau nie der wesentliche Treiber der EEG-Umlage. Mit deutlichem Absinken der Förderung über die letzten Jahre ist der Effekt weiter gesunken. Die Auswirkungen einer sachgerechten regionalen Steuerung auf die EEG-Umlage bewegt sich in einer Größenordnung von 0,00X ct/kWh (3. Stelle hinter dem Komma). Jeder, der den Zusammenhang zwischen EEG-Umlage und Strompreisentwicklung versteht, weiß, dass selbst das kleinste Auf- und Ab bei den Strompreisen deutlich größere Effekte hat. Demzufolge entbehrt ein Kostenvorbehalt bei der Einführung einer regionalen Steuerung jeglicher Sachgrundlage. Zudem sind dem dargestellten Effekt auf die EEG-Umlage die zu erwarteten Einsparungen für das Netzmanagement (v.a. Redispatch, EinsMan) gegenüberzustellen.
Einfache Umsetzung möglich
Bleibt die Frage der Umsetzung. Das BMWi hat in weiser Voraussicht seit geraumer Zeit mehrere geeignete, von verschiedenen Forschungseinrichtungen entwickelte Modelle für eine regionale Steuerung in der Schublade. Im Kern stellt sich die Frage einer Mengen- und/oder Preissteuerung. Welches Modell konkret zum Tragen kommt, ist aus Sicht der Netzentlastung zweitrangig. Wichtig ist die Wirkung, und die kann durch geeignete Parametrierung in allen Modellen leicht erreicht werden.
Was bleibt zu tun? Handeln!
Die aktuelle Netzsituation erfordert schnelles Handeln. Die im Koalitionsvertrag und auf dem Stromnetzgipfel mit den Ländern vereinbarte regionale Steuerung kann unmittelbar und effektiv im anstehenden EEG-Änderungsgesetz („Energiebündelungsgesetz“) bis Ende des Jahres umgesetzt werden. Die Idee ist auch nicht neu. Es ist ein im energiepolitischen Berlin wohlgehütetes Geheimnis, dass erste Arbeitsentwürfe für das bereits vor der Sommerpause geplante 100-Tage-Gesetz eine regionale Steuerung für den Wind-Onshore Ausbau beinhalteten. Welche Überlegungen dazu geführt haben, dass diese sinnvolle und einfach umzusetzende Maßnahme in späteren Entwürfen nicht mehr aufzufinden war, bleibt ein Rätsel, das nur die Beteiligten auflösen können. Neben der juwi-Gruppe unterstützt eine Initiative bestehend aus Herstellern, Zulieferern, Projektentwicklern, Betreibern, Genossenschaften, Bürgerenergiegesellschaften sowie Verbänden einen Appell zur Einführung einer regionalen Steuerung für den Wind-Onshore Ausbau. Es bleibt zu hoffen, dass die regionale Steuerung im anstehenden „Energiebündelungsgesetz“ wieder auftaucht.