Klimaschutz ist eine langfristige Aufgabe. Um das Bild eines Zehnkampfs heranzuziehen, sind Deutschland und Europa sicherlich noch nicht über die ersten drei Disziplinen hinaus. Aber wir sind fit für diesen Wettkampf. Der Weg zur Nutzung der erneuerbaren Energien (EE) zum Beispiel war steinig und kostenintensiv. Aber er war ein Schlüssel zum weltweiten Klimaschutz. Das Pariser Klimaabkommen wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Deutschland und einige andere Länder den Lernprozess übernommen hätten und EE so günstig gemacht hätten, dass sich mittlerweile viele Volkswirtschaften vorstellen können, sie sinnvoll zu nutzen. Man kann zu Recht behaupten, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz eine Investition in Zukunftsmärkte war, immer mehr Volkswirtschaften nutzen diese Technologien und eröffnen uns damit Exportchancen.
Mittlerweile sind zahlreiche Nationen in den Wettkampf eingestiegen. Tatsächlich haben sie bei uns einiges abgeschaut, entwickeln nun aber ihre eigenen Technologien und streben in die Weltmärkte. Es sind nicht nur Dänen, mit denen unsere Industrie eng verwoben ist, es sind eben auch Chinesen, Amerikaner und Inder. Noch sind wir – außer bei der Photovoltaik – in der Spitzengruppe für Energietechnologien. Das kann auch so bleiben, wenn wir nun aus dem ersten Schritt einer Stromwende in die vielfältigeren Disziplinen einer breiteren Energiewende mit nötigen Emissionsminderungen in allen Bereichen kommen. Die ersten 30 Prozent EE-Strom wurden in Deutschland noch weitgehend mit der alten Netzinfrastruktur bewältigt.
Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele 2020/2030
Wie es mit Energiewende und Klimaschutz geht, hängt davon ab, wie gut wir als Gesellschaft und Industrie unser Können in den Einzeldisziplinen – von Verkehrswende über Infrastrukturnutzung bis zur Versorgungssicherheit – voranbringen und aufeinander abstimmen. Ein Teil unseres Trainings und des Wettkampfs wird vom politischen Rahmen vorgegeben. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD leistet einiges, wenn er auch sicher kein umfassendes Fitness-Programm ist. Er macht zunächst klar, dass Deutschland einen Rückstand zum 2020-Klimaschutzziel hat. Dieser soll aufgeholt werden, wobei die realistische Zielerreichung zeitliche Flexibilität erfordert. Der VDMA hat bereits im November 2017 darauf aufmerksam gemacht, dass die tonnen- und tagesgenaue Zielerreichung nicht sinnvoll ist, wenn nur um des Zeitpunktes willen ineffiziente Maßnahmen ergriffen würden.
Es ist aber entscheidend und richtig, dass Deutschland wieder auf den Zielpfad zurückkommen will. Dies unter anderem mit dem ambitionierten Ziel, bis zu Jahr 2030 65 Prozent Erneuerbare Energien im Stromverbrauch zu erreichen und direkt zusätzliche Ausschreibungen zu organisieren sowie den Netzausbau voran zu bringen. Ebenso ist es bedeutend, nun das Jahr 2030 mit höherer Verbindlichkeit anzustreben. Entscheidend werden aber nicht tonnenscharfe Sektorziele sein, sondern die drei Disziplinen:
- Effizienz,
- Infrastruktur und
- stringenter Ausbau erneuerbare Energien.
Die kürzlich veröffentlichte Klimapfade-Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) zeigt klar auf, dass hier konsequente Maßnahmen notwendig sind. Im Gebäude- und Industriebereich bestehen erhebliche Potentiale, die Effizienz zu erhöhen. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist ebenso wie das Voranbringen von Effizienz in der Industrie extrem wichtig. Dies kann unter anderem mit Hilfe von Effizienznetzwerken oder durch die Nutzung der degressiven Abschreibung erfolgen.
Bei den Energieinfrastrukturen und damit bei allem, was man unter dem Begriff Sektorkopplung verstehen kann, ist ein wirklich systemisches Planen und Handeln notwendig. In einigen Bereichen wird Sektorkopplung schon heute erfolgreich umgesetzt.
Hier ein paar Beispiele: Es bestehen derzeit schon erhebliche Kapazitäten von Kraftwärmekopplung, aber auch von elektrischen Wärmespeichern im System, die den Übergang von Strom zu Wärme sehr flexibel gestalten können. Auch Power-to-Gas Anlagen werden heute schon erfolgreich betrieben, beispielsweise in Frankfurt im Energiepark Mainz. Zudem wird mit dem Bahnverkehr heute schon ein erheblicher Teil des Verkehrs mit EE betrieben. Auf einer Autobahn-Teststrecke südlich von Frankfurt werden LKWs künftig mit Strom aus Oberleitungen versorgt. Aus diesen Beispielen wir erkenntlich, dass mit der Energiewende Innovationen angestoßen werden.
Die Energiewende löst eine Innovationswelle aus
Richtig ist es daher, für „Reallabore“ – einzeln und in größeren Verbünden Freiräume zu schaffen, wie beispielsweise bei dem Förderprogramm des Wirtschaftsministeriums „Schaufenster intelligente Energie“ (SINTEG). Natürlich muss es eine innovationsfreundliche Gesellschaft schaffen, in zeitlich und volumenseitig begrenztem Rahmen Umlagenbefreiungen, Einspeisevorrang oder vereinfachte Genehmigungen zu organisieren. Der Koalitionsvertrag sagt dies und wir sollten das in Zukunft klar einfordern.
Es muss allerdings immer klar sein, dass die Projekt-Bedingungen noch keinen Marktrahmen für das gesamte Energiesystem darstellen. Ein Irrtum wäre es, auf diese längerfristigen Geschäftsmodelle aufzubauen, genau wie auf der Annahme, dass es dauerhaft „Überschussstrom“ geben wird.
Bei der Gestaltung des Marktrahmens greift der Koalitionsvertrag leider zu kurz. Wo in den Verhandlungen offenbar der Mut war, an das Abgaben- und Umlagensystem heran zu gehen und damit Barrieren zwischen den Sektoren und den Energieträgern abzubauen, klafft nun eine inhaltliche Lücke. Man kann der neuen Regierung nur wünschen, dass sich die zuständigen Ministerien dieser Aufgabe schnell annehmen und dann auch an einem Strang ziehen.
Auch muss das Monitoring der Versorgungssicherheit sehr sachgerecht ausgestaltet werden. Voraussichtlich mit Ende des Atomausstiegs 2022 wird auch die Zeit von Überkapazitäten vorbei sein. Sollte die Marktperspektive im flexibilisierten Strommarkt nun keine Investitionen auslösen, muss dieser Markt gegebenenfalls um eine Leistungskomponente erweitert werden.
Königsdisziplin CO2-Bepreisung
Gleiches gilt auch für die Frage, wie die Steuerung des Klimaschutzes zukünftig organisiert werden soll. Der große Diskussionspunkt heißt hier Emissionsbepreisung. Dieses Thema scheint sich zur Königsdisziplin der Klimapolitik zu entwickeln. Hier die richtige Strategie zu finden scheint politisch schwierig zu sein, den französische Präsidenten Macron ausgenommen, der bei diesem Thema – emissionsarmer Kernkraftwerke geschuldet – einen recht leichten Stand hat.
Bei einem Verweis auf die G20 drängt sich das Bild auf, dass das Thema in eine Umlaufbahn geschossen wird, aus der es so schnell nicht wieder herauskommt. Die Frage, wie wir es aber mit den nicht vom Emissionshandel (ETS) abgedeckten Bereichen halten und ob die ETS-Reform die notwendigen Preissignale für die rechtzeitige Marktreife und Nachfrage nach wichtigen Technologien bringt, klärt sich aber so nicht!
Vielleicht hilft hier ein Perspektivwechsel. Sind wir nicht bereits von einigen Ländern mit Mindestpreis umgeben? Haben wir nicht ein funktionierendes System zum Carbon-Leakage-Schutz? Sollte man anstelle einer zusätzlichen Bepreisung nicht intensiver die Modelle einer emissionsbezogenen aufkommensneutralen Umgestaltung der nationalen Energiesteuern diskutieren? Aus unserer Sicht gibt es hier genügend Stellschrauben, um eine wirkungsvolle, europäisch sinnvoll eingebettete Lösung zu finden.
Forschung und internationale Vernetzung als wichtige Disziplinen
Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine exportorientierte Industrie. Wir haben Übung darin, in anspruchsvolle und wettbewerbsintensive Weltmärkte zu verkaufen und kennen auch die Mittel, mit denen Wettbewerber aus anderen Ländern agieren.
Der Ansatz im Koalitionsvertrag, eine umfassende, stringente Energieaußenpolitik zu betreiben, ist daher extrem wichtig. Sie ist die Basis, dass die positiven volkswirtschaftlichen Effekte, die die BDI-Klimapfade-Studie in Aussicht stellt, tatsächlich eintreten und vielleicht noch übertroffen werden. Die Phantasie muss hier aber noch über die wichtigen Energiepartnerschaften und internationalen Institutionen hinausgehen. Extrem günstigen Finanzierungsbedingungen von internationalen Wettbewerbern gilt es mehr entgegenzusetzen, hierbei brauchen wir übrigens auch die Flexibilität, Energiewende-Wege von Märkten mitzugehen, die nicht 1:1 unserem Beispiel folgen.
Gleiches gilt für die Fortschreibung des Energieforschungsprogramms. Bisherige Programme hatten immer auch den Anspruch, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und alternative Technologiepfade offen zu halten. Der Koalitionsvertrag ist hier nicht eindeutig, lässt aber eine sehr verengte Ausrichtung auf die deutsche Energiewende, die es ja isoliert kaum geben kann, befürchten. In der Dynamik von Technologien, Politikentwicklungen weltweit und Zusammenwachsen von Märkten und Systemen, wäre dies fahrlässig.
(Zu) heterogene Aufstellung des Regierungsteams?
Eine der spannenden Fragen in Bezug auf die nächste Legislaturperiode ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag: Werden wir eine stringente Klima- und Energiepolitik bekommen? Neben dem Umweltministerium, dem Energie- (und Wirtschafts-) Ministerium und jenem für Verkehr wird die Runde um das Innenministerium erweitert, das ja nun auch für den Bau zuständig sein wird. Zurück zum Sportbeispiel klingt das zunächst etwa so, als ob der FC-Bayern Tuchel, Heynkes Daum und Kahn zusammenspannt und eine geschlossene Aufstellung erwartet.
Eine der groß geschriebenen Voraussetzungen für volkswirtschaftlich sinnvollen Klimaschutz in der BDI-Klimapfade-Studie ist eine effiziente Gestaltung von Strategie und Rahmen. Dies sollte zum Leitfaden für die Zusammenarbeit der Fachleute in den Ministerien werden, nur dann kann unser Team beim globalen Wettkampf erfolgreich bleiben.