Wenn Daniel Pourasghar aus dem Fenster sieht, schaut er auf eine der hübschen Amsterdamer Grachten. Denn wie so viele Menschen arbeitet der 36-Jährige momentan im Homeoffice, und Amsterdam ist das Zuhause für den Deutschland-Chef des Unternehmens Siilo. Seit neun Monaten ist der gebürtige Gießener für den medizinischen Messengerdienst tätig, der 2016 von dem niederländischen Chirurgen Joost Bruggemann gegründet wurde. Siilo soll Ärzten und anderem medizinischen Personal dabei helfen soll, sich besser untereinander abzustimmen.
Eine Art WhatsApp für Mediziner, nur datenschutzkonform. So werden Fotos dank eines Containersystems nur in der App gespeichert und tauchen nicht im Fotoalbum des Nutzers auf. Patienteninformationen in Dokumenten können mit einer entsprechenden Bildbearbeitungsfunktion unkenntlich gemacht werden. Geht das Handy verloren, gibt es die Möglichkeit, Daten aus der Ferne zu löschen.
Die Messenger-App kann kostenlos heruntergeladen werden. Mit dem Ärzteausweis oder einer entsprechenden Urkunde lassen sich Mediziner, Pfleger und weiteres medizinisches Fachpersonal auf der Plattform verifizieren. Für Kliniken oder Organisationen bietet Siilo kostenpflichtige Lösungen an. Noch ist Siilo auf Venture Capital angewiesen und auf striktem Wachstums-, nicht Gewinnkurs. Neben Deutschland sollen bald Österreich, die Schweiz, Großbritannien und Irland als neue Märkte erschlossen werden.
Pandemie steigert Interesse an App
„Im medizinischen Alltag hat die asynchrone Kommunikation über Messengerdienste viele Vorteile gegenüber Telefon oder Fax", sagt Daniel Pourasghar. „So kann der Nachrichtenempfänger selbst entscheiden, wann er eine Nachricht lesen oder darauf antworten möchte.“ Wie groß der Kommunikationsbedarf zwischen medizinischem Personal ist, zeigt sich in der Corona-Krise. Seit Februar wurde die App 700 Mal häufiger heruntergeladen als zu anderen Zeiträumen. Dabei spielt eine besondere Zusatzfunktion eine wichtige Rolle: In mehr als 100 organisationsübergreifenden Expertengruppen können sich Fachärzte mit Kollegen aus anderen Organisationen austauschen.
Ein wenig hört man seinem Akzent noch an, dass Daniel Pourasghar zehn Jahre lang in den USA gelebt hat und Englisch für ihn auch heute noch die wichtigste Umgangssprache ist. Nach seinem BWL-Studium an der European Business School zog es ihn ins Silicon Valley. „Mich reizte der Gründergeist und die Innovationskraft dort“, sagt er.
Erfahrungen bei Airbnb
Als einer der ersten 30 Mitarbeiter arbeitete er bei Airbnb unter anderem am Launch der Airbnb Experiences. Das ist ein Angebot, bei dem Kunden Stadtführungen, Kochkurse oder Surfstunden buchen können. Als Daniel Pourasghar das Unternehmen sechs Jahre später verließ, hatte Airbnb 3.000 Angestellte und die Reisebranche wie auch städtische Mietmärkte nachhaltig verändert.
Disruption, wenn auch ganz anderer Art, strebt Daniel Pourasghar auch mit Siilo an. Er ist überzeugt, dass E-Health-Lösungen das Gesundheitssystem besser machten und den Patienten dienten. Bevor er bei Siilo einstieg, machte er bereits als Gründer Erfahrungen im E-Health-Sektor. Mit der App Campfire ging er 2018 an den Start. Campfire ermöglichte den Austausch von Betroffenen mit psychischen Erkrankungen in virtuellen Selbsthilfegruppen.
Sowohl bei Airbnb als auch bei Campfire erlebte Pourasghar, wie viel Kraft virtuelle Gemeinschaften haben können, also „trusted communities”, in denen sich Menschen gegenseitig unterstützen. Nach dem Scheitern seines Start-ups zog er nach Europa zurück, um näher an seinen Freunden und der Familie zu sein. Den Gründergeist, sagt er, findet er heute bei Siilo, das momentan etwa so viele Mitarbeiter hat wie in seiner Anfangszeit bei Airbnb. „Zusammen mit einem starken, motivierten Team, kann ich viel mitgestalten und bewirken, das treibt mich an.“ Judith Jenner