Es war eher Zufall, dass Manuel Hochenegger 2013 zur Drogenberatung kam. Über ein Praktikum bei den Vereinten Nationen landete der Österreicher schließlich bei der Drogenberatung Z6 in Innsbruck und ist dort heute für Beratung und die Koordination des Drug Checking zuständig.
Dort, in der Hauptstadt des Bundeslandes Tirol, studierte Hochenegger Politikwissenschaft und Jura. Nach dem Abschluss des Politikstudiums bewarb er sich für ein Praktikum bei der UN in Wien. „Der heilige Gral für Politikwissenschaftler und Juristen wie mich damals“, sagt er und lacht. „Damals habe ich einen Anruf gekriegt und es hieß, wenn du möchtest, kannst du nächste Woche bei der UNODC ein Praktikum beginnen“, erinnert sich Hochenegger. UNDOC, das steht für United Nations Office on Drugs and Crime.
Nächtelange Drogenberatung vor Ort
Diese Chance ergriff der heute 33-Jährige und merkte im Wiener Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung schnell, dass er die Thematik sehr spannend findet. Aber für Hochenegger stellte sich auch heraus, dass die Ebene, auf der die UN arbeitet, nicht die richtige für ihn ist, da zu weit weg vom Alltag. „Ich wollte wissen, warum Menschen harte Drogen konsumieren“, erläutert der gebürtige Kitzbüheler. Zurück in Innsbruck arbeitete er bei Mentlvilla, einer Einrichtung der Caritas, die für drogenkonsumierende Obdachlose Anlauf- und Notschlafstellen bietet. Mit diesen Erfahrungen fing er 2013 bei Drogenarbeit Z6 an und verbrachte fünf Jahre lang ganze Nächte und Wochenenden auf Partys, um Drogenberatung direkt vor Ort anzubieten.
Das Drug Checking, also das anonyme Angebot, Drogen auf ihre Inhaltsstoffe testen zu lassen, ist für Hochenegger ein wichtiger und vor allem ergänzender Bestandteil der klassischen Drogenberatung. „Es hat uns als Drogenberater sehr viel glaubwürdiger gemacht, insbesondere bei unseren Klienten“, erklärt er. Hochenegger und seine fünf Kollegen in der Beratung verfolgen einen akzeptierenden Ansatz, urteilen also nicht über den Drogenkonsum, sondern möchten Informationen vermitteln, die Konsumenten zu Reflexionsfähigkeiten anregen und über Risiken aufklären.
Kooperation mit der Gerichtsmedizin Innsbruck
Dass die Drogenarbeit Z6 auf fundierte Testergebnisse zurückgreifen kann, welche Drogen gerade gefährlich gestreckt oder hochdosiert im Umlauf sind, ist sowohl für Behörden und Wissenschaft hilfreich als auch für die Konsumenten selbst. Hochenegger betont, das wichtigste sei, diese Ergebnisse zu nutzen, um schadensminimierende Inhalte zu vermitteln: „So sind wir nah an der Szene dran, unser Angebot wird gut angenommen“. Letztes Jahr wurden über 500 Proben von rund 160 Konsumenten geprüft. „Wir testen nicht selbst, sondern haben eine Kooperationspartnerschaft mit der Gerichtsmedizin Innsbruck, die die Inhaltsstoffe in aufwendigen Verfahren analysiert“, erläutert Hochenegger.
Die Innsbrucker Ergebnisse des Drug Checkings werden in ein europäisches Netzwerk der EMCDDA, der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, eingespeist, um zu beobachten wie sich der internationale Drogenmarkt entwickelt. Allerdings wird diese Datenbank nur von Ländern gefüttert, in denen Drug Checking auch praktiziert wird, also beispielsweise von Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. „Daten aus großen Ländern wie Deutschland fehlen hier“, sagt Hochenegger.
Besuch der deutschen Drogenbeauftragten
Um dies zu ändern, brauche es vor allem einen engagierten Fürsprecher auf politischer Ebene, meint er. Vor allem durch die politische Arbeit des ehemaligen Tiroler Suchtkoordinators Christof Gstrein habe die Drogenarbeit Z6 2014 das Drug Checking einführen können. Zahlreiche Gespräche mit der Polizei und Staatsanwaltschaft waren nötig, um das heutige System mithilfe eines Rechtsgutachtens zu etablieren.
In Deutschland könnte eine solche Fürsprecherin die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig sein. Im November 2019 war Ludwig zu Besuch in Innsbruck und ließ sich von Hochenegger das Drug Checking erklären. Auch der Berliner Senat plant im Rahmen eines Modellprojektes Drug Checking zu ermöglichen. Ob der Startschuss in diesem Jahr aber erfolgen kann, ist aufgrund der Coronakrise noch nicht abzusehen. Charlotte Kurz