Mit seinen 70 Jahren gehört Ulrich Weigeldt zur Gruppe der Risikopatienten, für die eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus tödlich enden könnte. Daher hat der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands die meiste Arbeit in der Coronakrise ins Homeoffice verlegt und Gespräche mit seinen Enkeln finden zumeist über Skype statt. Der Verbandschef sorgt sich darum, dass die Hausärzte in der Coronakrise in Vergessenheit geraten. Im schlimmsten Fall könne sich das Personal in Hausarztpraxen nicht vor der Ansteckung mit dem Coronavirus schützen, sagt Weigeldt. Zu Beginn der Krise hätten kaum Hausarztpraxen Seuchenschutzanzüge oder FFP3-Masken vorrätig gehabt. Das sei bisher einfach nicht notwendig gewesen.
Entsprechende Schutzausrüstung sei gerade zu Beginn der Krise schwer zu beschaffen gewesen, sagt Weigeldt. „Sie ist entweder vergriffen oder wird überteuert verkauft. In der Krise gibt es leider immer Menschen, denen das Geld wichtiger ist als die Moral.“ Dabei gehe es für die Hausärzte und das medizinische Personal um mehr als „nur“ um den Eigenschutz. Denn gesund bleiben heißt im Fall der Hausärzte auch: offen bleiben. „Nur wegen der Coronakrise hören die Menschen ja nicht auf, krank zu sein. Auch gegenüber Patienten mit Erkrankungen wie Diabetes, Demenz oder Bluthochdruck haben wir eine Verantwortung. Wir müssen und wollen sie behandeln und dabei auch vor Ansteckung schützen.“
Konflikt mit dem System
Ulrich Weigeldt wuchs in Bremen auf. Schon früh kam er mit der Medizin in Berührung. Sein Vater arbeitete als Neurophysiologe, die Mutter war Psychotherapeutin. Für Weigeldt war klar: Er wollte Arzt werden. In Kiel studiert Weigeldt nach dem Zivildienst Medizin, macht später die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. 1983 eröffnete er seine eigene Hausarztpraxis in Bremen. Sein berufspolitisches Engagement entsprang einem Konflikt mit der Kassenärztlichen Vereinigung, erinnert sich Weigeldt. „Ich habe als Arzt angeblich zu viele Ultraschall-Untersuchungen durchgeführt. Damit stand ich oft im Clinch mit dem System. Aber schließlich hat man mich gefragt, ob ich mich nicht in der KV engagieren wolle.“
Neben seiner ärztlichen Tätigkeit setzt Weigeldt seine berufspolitische Arbeit fort. 1993 wird er Vorsitzender des Bremer Hausärzteverbandes und im gleichen Jahr in den Vorstand der Ärztekammer Bremen gewählt. Seit Ende der Neunziger sitzt Weigeldt im Vorstand des Deutschen Hausärzteverbands, dessen Vorsitz er 2003 übernahm. Diesen hat er mit einer kurzen Unterbrechung bis heute inne. Zwei Jahre saß er im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, wo er für den hausärztlichen Versorgungsbereich zuständig war. Er musste von diesem Posten aber 2007 zurücktreten, um einem Misstrauensvotum der KBV-Vertreterversammlung zuvorzukommen, zuvor hatte er sich mit dem Facharzt und KBV-Chef Andreas Köhler überworfen. Für die Vorstandstätigkeit gab er zuvor seine Arztpraxis in Bremen auf und zog nach Berlin.
Corona-Pandemie für Ärzte auch wirtschaftliche Herausforderung
Auf die letzten zwanzig Jahre seiner Verbandstätigkeit blickt Weigeldt zufrieden zurück. Er habe viel für die Hausärzte erreicht, etwa die Honorartrennung zwischen Haus- und Fachärzten und die Förderung einer strukturellen Weiterbildung für Allgemeinmediziner. Auch war er maßgeblich an der Einführung der Hausarztverträge beteiligt, die direkt zwischen Hausärzten und Krankenkassen geschlossen werden – als Säule der vom Gesetzgeber festgeschriebenen hausarztzentrierten Versorgung.
Weiterhin ist dem Verbandschef insbesondere eines wichtig: „Hausärzten muss es möglich sein, ihre Patienten zu versorgen und das möglichst ohne großen bürokratischen Aufwand und mit finanzieller Sicherheit.“ Genau das sei in der Coronakrise keine Selbstverständlichkeit mehr. Louisa Schmökel