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Andreas Strausfeld, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bitmarck
Vorsitzender der Geschäftsführung von Bitmarck Foto: Bitmarck

von Anna Parrisius

veröffentlicht am 09.06.2020

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In der Corona-Krise wäre von Vorteil, wenn schon heute mehr Versicherte Formalitäten für ihre Krankenkasse auf dem Smartphone erledigen könnten, meint Andreas Strausfeld. Der Vorsitzende der Geschäftsführung des IT-Dienstleisters Bitmarck denke dabei an Abrechnungen oder Krankschreibungen, die sich digital leichter einreichen ließen. Wäre die elektronische Patientenakte (ePA) schon im Einsatz, könnten auch Ärzte bei Corona-Patienten über die Akte schnell Befunde von Vorerkrankungen einsehen.

Bitmarck entwickelt für mehr als 80 Prozent der gesetzlichen Krankenkassen die ePA. Für die ePA kooperiert Strausfelds Unternehmen mit dem Softwareentwickler Research Industrial Systems Engineering aus Wien. Sie seien „gut auf Kurs“, meint Strausfeld. „Stand heute können wir die ePA trotz Corona wie geplant am 1. Januar 2021 an den Start bringen.“ Verzögern könne sich der Start nur noch, wenn es noch größere Änderungen bei den Vorgaben zur Ausgestaltung der Akte gebe. Die einzelnen Vorgaben erarbeitet die Gematik im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums.

Die Nutzung der ePA ist zunächst freiwillig und Strausfeld rechnet anfangs mit keiner flächendeckenden Nutzung. Der Grund dafür: In der ersten Version können Versicherte nur entscheiden, ob ihr Arzt gar keine oder aber alle medizinischen Dokumente einsehen kann. Damit könnte der Zahnarzt von einer psychotherapeutischen Behandlung erfahren. Ein gestuftes „Berechtigungsmanagement“ soll es erst in einer späteren Version der ePA geben. Außerdem, so Strausfeld, biete die erste Version „noch nicht den vollständigen Nutzen“ – Dokumente ließen sich über sie einfach austauschen und Doppeluntersuchungen vermeiden, mehr aber auch nicht.

Vertrag bei der Bitmarck bis 2024

12 bis 15 Monate nach Einführung der ePA wird es voraussichtlich die gesetzliche Verpflichtung geben, medizinische Dokumente in die Patientenakte zu überführen. Die groben Pläne zur Weiterentwicklung der ePA in den kommenden Jahren kennt Strausfeld bereits und meint, die Politik sei auf einem guten Weg, die ePA zur „neuen Drehscheibe des deutschen Gesundheitswesens“ zu machen. Sein Vertrag als CEO der Bitmarck wurde bereits 2018 vorzeitig bis 2024 verlängert, unter anderem um in der Entwicklungsphase der ePA eine kontinuierliche Ausrichtung der Bitmarck zu gewährleisten.

Strausfeld begann 1987 bei der DAK in Nordrhein-Westfalen eine Ausbildung zum Sozialversicherungsangestellten und studierte im Anschluss Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Dortmund. Als er 1994 als Softwareentwickler in der Hauptgeschäftsstelle der DAK in Hamburg anfing, wurde der Risikostrukturausgleich (RSA) eingeführt, ein Ausgleichsmechanismus zwischen den gesetzlichen Krankenkassen mit dem Ziel fairerer Wettbewerbsbedingungen. „Hierfür war eine komplexe Auswertung nötig, die nur eine Software bewerkstelligen konnte“, sagt Strausfeld. „Von Versicherten mussten Versicherungszeiten gezählt, Beiträge den Ansprüchen gegenübergestellt, Hochrisikofälle und regionale Unterschiede einbezogen werden.“ 

Strausfeld beteiligte sich 2008 an der Gründung der Bitmarck

2005 wurde Strausfeld Leiter der auf 300 Mitarbeiter angewachsenen IT-Abteilung der DAK. In dieser Zeit mussten sie immer wieder neue Infrastrukturen in die Geschäftsstellen bringen: ein neues IT-System, ein bundesweites Telefonnetz, ein neues IT-Managementsystem, dann gleichzeitig mehrere große IT-Verfahren, darunter ein neues Dokumentenmanagement und einen neuen Netzwerkansatz. Eine Herausforderung sei dabei gewesen, die Mitarbeiter auf alle Veränderungen vorzubereiten.

Bereits 1994 schlossen sich daher einige Betriebskassen bei der Softwareentwicklung zusammen. Die großen Ersatzkassen, darunter DAK und Barmer, blieben länger eigenständig. Dann sahen auch sie nur noch wenig Sinn darin, jeder für sich eine Software für den RSA, das Leistungs- oder das Beitragswesen zu entwickeln. Im Mai 2008 wurde unter Strausfelds Beteiligung die Bitmarck Holding GmbH gegründet. „Durch den Zusammenschluss wollten wir effizienter werden, unsere Ressourcen teilen und die Finanzkraft für Innovationen stärken“, erzählt der CEO.

Von damals 1.100 Mitarbeitern ist das Unternehmen inzwischen auf fast 1.500 angewachsen. Strausfeld war anfangs dafür zuständig, eine bereits entwickelte Branchensoftware namens iskv_21c in 120 Krankenkassen zu bringen. Schon bald wurde sie von der nächsten Generation abgelöst. „Es galt, Lösungen zu finden, die allen nutzen“, sagt Strausfeld. Die kleinste Kasse der Bitmarck hat rund 1.500 Versicherte. Bei ihr könnten alle Mitarbeiter sich noch leicht untereinander absprechen oder Angaben auch mal abtippen. Bei einer größeren Kasse brauche es dagegen eine ganz andere Prozess-Effizienz. Der größte Kassen-Kunde der Bitmarck ist die DAK-Gesundheit mit heute 10.000 Mitarbeitern und 5,7 Millionen Mitgliedern.

Strausfeld befürwortet Digitalministerium

Durch die Bitmarck erhofften sich die beteiligten Kassen, besser als gebündelter Akteur in IT-Fragen gegenüber der Politik auftreten zu können. Über die genaue Ausgestaltung der ePA steht die Bitmarck seit geraumer Zeit mit der Gematik und dem BMG in Abstimmungen. Dabei sind auch die TK und die AOK-Gemeinschaft beteiligt, welche die ePA mit eigenen Kooperationspartnern entwickeln. Aufwendig findet Strausfeld, dass sie daneben mit vielen weiteren Akteuren in Gespräche treten müssen, darunter das Innen- sowie das Arbeits- und Sozialministerium. Dabei gehe es um die ePA und weitere aktuelle Entwicklungen wie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, digitale Gesundheitsanwendungen sowie Themen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz. „Ich würde mir wünschen, wir hätten gebündelt ein Ministerium für Digitales“, sagt Strausfeld. Die größte Hürde beim Einsatz der ePA sieht Strausfeld noch in der Aufklärung über ihre Funktion.

Dafür brauche es Schulungen bei den gesetzlichen Krankenkassen. Er empfiehlt den Kassen, einen Helpdesk einzuführen, an den Versicherte sich bei Problemen und Rückfragen wenden können. Solche Angebote sind für Strausfeld ein Schlüssel zur Akzeptanz der ePA. Er erwartet eine öffentliche Diskussion zu diesem für viele auch emotionalen Thema. „Die Erfahrungen aus der Einführung der elektronischen Gesundheitsakte zeigen, dass sich Kassen gerade dann auf Rückfragen einstellen müssen, wenn Datenschützer Kritik an der ePA äußern“, sagt er. Anna Parrisius

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