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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Wie Städte aus dem Verkehrschaos finden

Marcus Willand, Partner bei MHP
Marcus Willand, Partner bei MHP Foto: MHP

Massive Pendlerströme stellen die städtische Infrastruktur weiterhin vor große Herausforderungen, schreibt Marcus Willand, Partner bei der Beratung MHP, in seinem Gastbeitrag. Eine Lösung setze die Zusammenarbeit aller Akteure voraus. Nötig sei vor allem ein anbieterübergreifender digitaler Zugang.

von Marcus Willand

veröffentlicht am 25.06.2020

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Vor allem in den Städten machten die Menschen während der ersten Wochen der Coronakrise eine ganz neue Erfahrung: Die Straßen, auf denen die Autos zu den Rush Hours üblicherweise mehr stehen als fahren, waren auf einmal leer. Denn statt zum Job zu pendeln, blieben viele Arbeitnehmerinnen im Homeoffice. Ebenso leer waren Busse und Bahnen, weil sie aus Angst vor Ansteckung nur zögerlich genutzt wurden. Und die Stadtplaner ergriffen die Chance und widmeten Verkehrsraum ad hoc zugunsten der Fahrradfahrer um.

Pendeln nach Corona: eine Gleichung mit vielen Variablen

Dass die aktuelle Entspanntheit in den Städten über die Krise hinaus andauern wird und sich die durch den Pendlerverkehr verursachten Probleme ganz von allein lösen, ist zu bezweifeln. Wie stark das Job-bedingte Verkehrsaufkommen nach einem Ende der Pandemie dauerhaft sinkt – zum Beispiel durch Remote-Arbeit – lässt sich bislang nicht seriös vorhersagen. Genauso wenig, wie schnell der ÖPNV die alten Nutzerzahlen wieder erreichen wird. Was aber mit Sicherheit bleibt, sind die zunehmende Verdichtung der Innenstädte und die Verknappung des Verkehrsraumes auf der einen Seite sowie die angestrebte Verringerung der Emissionen auf der anderen. Insofern sind die Akteure in Unternehmen und Kommunen auch weiterhin gefordert, Maßnahmen jenseits der Corona-Effekte zu ergreifen und nachhaltige Konzepte vor allem für die Pendlermobilität zu entwickeln.

Was sind die Kriterien für den Arbeitnehmer bei der Verkehrsmittelwahl?

Beachtet werden müssen dabei die regionalen und lokalen Unterschiede. Denn die Wahl des Verkehrsmittels für den Weg zur Arbeit ist in Deutschland von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich. Das zeigt eine aktuelle Studie zur urbanen Mobilität, für die wir gemeinsam mit der Motor Presse Stuttgart 3500 Menschen befragt haben, sehr deutlich. In den Städten des Rhein-Ruhr-Gebietes nutzt der überwiegende Teil der Menschen das Auto für den Weg zur Arbeit (je nach Stadt bis zu 68 Prozent), während der Autofahrer-Anteil in den größten Metropolen teilweise deutlich geringer ist. Das wichtigste Kriterium bei der Verkehrsmittelwahl ist die Flexibilität – und zwar in ganz Deutschland. Was erstaunt: Mit Abstand am wenigsten wichtig ist die Umwelt-/Klimaverträglichkeit des gewählten Verkehrsmittels. Und das obwohl je nach Stadt bis zu 58 Prozent der Befragten angeben, sich bereits bemühen, klimafreundlich zu leben.

Pendleraufkommen vs. Pendlerverhalten

Das heißt konkret: Einerseits bleibt der Druck auf das Pendler- und indirekt auf das Emissionsthema bestehen, andererseits zeigen die Pendler wenig Bereitschaft, ihre Verkehrsmittelwahl zu überdenken. Da stellt sich die Frage, wie eine nachhaltige Pendlermobilität im Sinne aller Akteure gestaltet werden soll.

Um die dafür notwendige Verschiebung im Modal Split für Pendlermobilität zu erreichen, braucht es alle Akteure. Arbeitgeber, Kommunen, ÖPNV und private Mobilitätsanbieter müssen zusammenarbeiten und Mobilitätsangebote entwickeln, die eine Reihe von Aspekten zusammenführen: die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel, die Incentivierung bestimmter Nutzungsformen sowie attraktive Arbeitszeit- und Homeoffice-Modelle.

Digitale ÖPNV-Integration sowie private und betriebliche Angebote

Im Mobilitätsmarkt lässt sich eine wachsende Bereitschaft dazu beobachten. Für die Unternehmen sind dabei die Steigerung ihrer Attraktivität für Arbeitnehmer, ein Beitrag zur CO2-Neutralität sowie eine Optimierung der Mobilitätskosten wichtig. ÖPNV und private Mobilitätsanbieter wiederum sind interessiert an Zugängen zur Betriebsmobilität, um so ihre Kundenbasis zu erweitern.

Neben einem Mobilitätsangebot, welches die notwendigen wirtschaftlichen, steuerlichen und personalwirtschaftlichen Aspekte abdeckt, muss vor allem ein anbieterübergreifender digitaler Zugang geschaffen werden. Dieser macht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das betriebliche Mobilitätsangebot sowie die Angebote des ÖPNV und der privaten Mobilitätsanbieter aus einer Hand zugänglich und buchbar, Integration der Systeme des Unternehmens und der Mobilitätsanbieter eingeschlossen.

Der digitale Ansatz sollte durch Anreize für eine ökologisch wie ökonomisch nachhaltige Verkehrsmittelwahl ergänzt werden, um dem Mitarbeiter zum Beispiel mit spielerischen Mitteln („Gamification“) den optimalen Mobilitätsmix zu ermöglichen. Das motiviert die Mitarbeiter, emissionsoptimiert zu pendeln und zu reisen und zahlt auf wirtschaftliche und Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen ein.

Technologisch beziehungsweise digital haben wir heute bereits alle Möglichkeiten, einen Beitrag für eine Entwicklung des Modal Splits der Pendler hin zu einer ökologisch wie ökonomisch nachhaltigeren Mobilität in Städten zu leisten. Jetzt ist es nur noch eine Sache der Bereitschaft der beteiligten Akteure, das anzupacken. Los geht’s!

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