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Agrar & Ernährung

Standpunkte Mit Compliance allein lässt sich Entwaldung nicht bekämpfen

Fanny Gauttier, Leiterin Public Affairs Europa bei der Rainforest Alliance
Fanny Gauttier, Leiterin Public Affairs Europa bei der Rainforest Alliance Foto: privat

Die Rainforest Alliance steht uneingeschränkt hinter der viel diskutierten EU-Entwaldungsverordnung. Manche Unternehmen würden sich aber auf deren bloße Einhaltung beschränken und die Ursachen von Entwaldung aus den Augen verlieren. Hier gibt es kein Entweder-oder, meint die Leiterin Public Affairs, Fanny Gauttier. Unternehmen müssten auch bessere Preise zahlen, in Landschaftsprogramme investieren und unabhängige Zertifizierungen anstreben.

von Fanny Gauttier

veröffentlicht am 26.09.2024

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Tropische Regenwälder sind unverzichtbar für unseren Planeten: Sie gehören zu den wichtigsten CO2-Speichern überhaupt, beherbergen zwei Drittel der weltweiten Tier- und Pflanzenarten und sichern den Lebensunterhalt von 1,6 Milliarden Menschen. Doch sie schrumpfen mit alarmierender Geschwindigkeit. Allein im Jahr 2023 wurden rund 3,7 Millionen Hektar tropischer Primärregenwald zerstört – eine Fläche größer als Nordrhein-Westfalen.

Die Hauptursache für Entwaldung ist die Ausbreitung landwirtschaftlicher Flächen, auf denen unser aller Nahrung wächst. Nicht nachhaltige Forstwirtschaft schädigt die Wälder zusätzlich. Sowohl Entwaldung als auch Waldschädigung müssen wir mit aller Kraft bekämpfen – sonst drohen irreparable Schäden für uns Menschen wie für unzählige Pflanzen- und Tierarten.

Die Entwaldungsverordnung der Europäischen Union (EUDR), die nach aktuellem Stand am 30. Dezember in Kraft treten soll, ist ein wichtiger Schritt in diesem Kampf. Entgegen immer lauter werdender Forderungen von Industrieverbänden und Teilen der Politik, sie zu verzögern oder abzuschwächen, stehen wir von der Rainforest Alliance entschieden hinter den festgelegten Zeitplänen und Ambitionen der EUDR.

Wenn Unternehmen und Regierungen sich ihrer Verantwortung aber nicht stellen und die tieferliegenden Ursachen von Abholzung und Waldschädigung nicht angehen, laufen wir Gefahr, an der Beendigung der globalen Entwaldung zu scheitern. Die Erhaltung der noch intakten weltweiten Waldflächen steht auf dem Spiel, wenn es uns weiterhin nicht gelingt, Farmern ihre Lebensgrundlage und einen Zugang zu einem existenzsichernden Einkommen zu sichern.

Systemische Armut am Beginn ihrer Lieferketten bekämpfen

Wir sehen deshalb mit großer Sorge, dass Unternehmen aktuell versucht sind, lediglich das zu tun, was für die Einhaltung der EUDR erforderlich ist: Sie investieren in die Erhebung der von der Regulierung geforderten Daten oder machen es sich einfach, indem sie ihre Investitionen in Länder mit ohnehin strengeren Gesetzgebungen zur Bewirtschaftung von Wäldern verlagern und so besonders vulnerable Bevölkerungen in den anderen Regionen im Stich lassen, die dadurch ihre Absatzmärkte und ihr Einkommen verlieren.

Mit dieser Mentalität des stumpfen „Kästchenabhakens“ vernachlässigen Unternehmen ihre Verantwortung, die systemische Armut am Beginn ihrer Lieferketten zu bekämpfen – die eine wesentliche Ursache für Entwaldung ist. Ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelproduktion wird von Kleinbauern geleistet. Angesichts niedriger Preise und der harten Auswirkungen des Klimawandels sehen einige von ihnen den einzigen Ausweg in der Abholzung von Waldflächen, um durch größere Anbauflächen zusätzliche Gewinne zu erzielen. Die EUDR wird nicht ausreichen, dieses Problem zu lösen, wenn wir nicht die wirtschaftlichen Ursachen angehen und den Landwirten Anreize geben, auf nachhaltige Praktiken wie klimafreundliche Anbaumethoden und regenerative Landwirtschaft umzusteigen.

Darüber hinaus ermöglicht ein rein legislativer Ansatz es den Landwirten nicht, eigene Datenerfassungs- und -verwaltungssysteme aufzubauen, die sie auch in anderen Kontexten nutzen können, um Rückverfolgbarkeit und Transparenz in der Lieferkette nachzuweise. So verschwenden sie Ressourcen, da sie Daten für unterschiedliche Standards und Programme, mittels unterschiedlicher Prozesse und mit unterschiedlichen Zeitrahmen sammeln müssen.

Auch wenn viele Produzenten zertifiziert sind und somit zusätzliche Unterstützung erhalten, sind Schwierigkeiten mit der Produktion EUDR-konformer Rohstoffe und der Bereitstellung hochpräziser Geokoordinaten für Grundstücksgrenzen weit verbreitet. Unternehmen wie Regierungen müssen deshalb Landwirte bei diesen arbeitsintensiven und kostspieligen Aufgaben besser unterstützen.

Dies ist von entscheidender Bedeutung, um ihren Marktzugang in der EU und die Rückverfolgbarkeit der Lieferketten sicherzustellen. Aus diesem Grund unterstützt die Rainforest Alliance ihre zertifizierten Partner aktiv bei der Einhaltung der EUDR. Aktuell bringen wir zudem ein EUDR-Tool auf den Markt, auf das auch nicht zertifizierte Akteure in den Kakao- und Kaffeelieferketten zurückgreifen können.

Farmer für das Erhalten der Wälder belohnen

Um Entwaldung und Waldschädigung wirksam zu bekämpfen, ist es aus unserer Sicht unerlässlich, dass Unternehmen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der über die bloße Einhaltung der EUDR hinausgeht. Vier Elemente sind dafür wichtig:

Erstens eine bessere finanzielle Absicherung für Landwirte: Mit der Schaffung nachhaltigerer Lieferketten werden Kosten, Risiken und Wertschöpfung gerechter aufgeteilt. Wenn Unternehmen den Farmern bessere Preise zahlen und sich zudem zu langfristigen Verträgen verpflichten, kann ihnen das dauerhaft ein existenzsicherndes Einkommen sichern. Diese wirtschaftliche Stabilität ist für die Förderung von nachhaltigerer Landbewirtschaftung von grundlegender Bedeutung.

Zweitens Investitionen in Landschaftsprogramme: Diese großräumigen Initiativen bekämpfen die Ursachen von Entwaldung und Waldschädigung, indem sie in Regionen des Globalen Südens nachhaltige Landbewirtschaftungspraktiken fördern, die Artenvielfalt bewahren und degradierte Flächen wiederherstellen. Sie schaffen einen ganzheitlichen Ansatz für die Landnutzung, der Landwirtschaft, Naturschutz und die Bedürfnisse der Menschen vor Ort berücksichtigt.

Drittens gezielte Unterstützungsprogramme für Farmer und Lieferanten zur Erfüllung der EU-Anforderungen: Diese umfassen beispielsweise die Schulung von Landwirten und Kooperativen zur Erfassung und Verwaltung relevanter Daten wie Geolokalisierungspunkten und Polygonen. Ebenso wichtig sind Programme, die Landwirten Schulungen, Materialien und finanzielle Unterstützung zur Einführung klimafreundlicher, regenerativer landwirtschaftlicher Praktiken anbieten. Wie auch die Landschaftsprogramme helfen solche Maßnahmen nicht nur dabei, Entwaldung zu begrenzen und Ökosysteme zu schützen, sie steigern auch die Erträge und stärken die Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel.

Zuletzt eine Zertifizierung durch unabhängige Dritte: Sie gewährleistet zudem Rückverfolgbarkeit und Transparenz und hilft dabei, weiterverarbeitende Betriebe, Einzelhändler und Marken in die Pflicht zu nehmen, ihren Beitrag zur Bekämpfung von Entwaldung, zur nachhaltigeren Beschaffung und zur finanziellen Unterstützung von Farmern zu leisten. Ein glaubwürdiges, von unabhängigen Dritten überprüftes Zertifizierungsprogramm wie das der Rainforest Alliance sollte als Goldstandard für Unternehmen angesehen werden, um sowohl die Einhaltung der EUDR sicherzustellen als auch die Lebensgrundlagen von Farmern zu verbessern.

Nur wenn wir alle mithelfen, können wir eine Welt schaffen, die ihre Wälder und die von den Wäldern lebenden Menschen wertschätzt und beschützt. Deshalb müssen wir alle in Systeme investieren, die Farmer dafür belohnen, dass sie die Wälder erhalten.

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